"Hallo Frau Hartmann,
Sie fragen sich jetzt wahrscheinlich, warum ich Ihnen schreibe und Sie nicht einfach persönlich anspreche. Doch ich bin mir sicher, Sie werden es verstehen, wenn Sie diesen Brief zu Ende gelesen haben.
Ich weiß gar nicht genau, wie ich anfangen soll, aber ich weiß auch, dass es so nicht weitergehen kann. Also werde ich jetzt einfach damit beginnen, wie meine Verwirrung und gleichzeitig meine Überforderung, ebenso aber auch die wundervollen Gefühle entstanden..
Am Freitagabend, als ich meinen Kopf frei kriegen musste und deshalb noch spät abends auf dem Fußballfeld Fußball gespielt habe, sah ich Sie zum ersten Mal. Es war vielleicht augenscheinlich eine ganz normale Begegnung mit einer fremden Person, die man danach womöglich nie wieder sehen wird. Doch als Sie aus dem dunklen hervorkamen und ich in Ihre nahezu schwarzen Augen schaute, wusste ich nicht was mit mir los ist. Ich war für einige Sekunden wie gefesselt und das ist mir vorher noch nie passiert. Es ist schwer zu erklären, ohne, dass Sie es vielleicht komisch finden oder.. was auch immer...
Wir wechselten noch einige Worte miteinander und man könnte meinen, es war nichts besonderes. Doch als Sie dann wieder weg joggten, musste ich einfach immer noch grinsen. Mein Lächeln verging nach mehreren Minuten einfach nicht. Den ganzen Abend musste ich an diese Begegnung denken.
Als ich dann am Morgen die Schule betrat und mich Liz überfallen hatte, und mir sagte, wir haben eine neue Lehrerin, habe ich mir erst nicht viel dabei gedacht. Als ich dann aber sah, wer diese neue Lehrerin ist, stockte mir der Atem. Ja, mein Herz stand wirklich für wenige Sekunden still und mir wurde total warm. Ich konnte nicht mal richtig erklären wieso und auch heute verstehe ich nicht, wie ein Körper solche Signale ausschütten kann, wenn man zuvor kaum Erfahrungen mit dieser Person gemacht hat. Das hier mag vielleicht nicht viele Informationen darüber geben, warum ich diesen Brief schreibe. Deshalb werde ich es einfach geradeheraus sagen:
Je mehr Stunden Sie meine Klasse unterrichteten, je mehr Minuten ich Sie sah, desto klarer wurde mir, dass diese Begegnung am Sportplatz viel mehr für mich war, als eine übliche Begegnung mit einer fremden Frau. Mir ist in letzter Zeit bewusst geworden, dass ich Gefühle für Sie entwickelt habe, die eine Schülerin nicht für ihre Lehrerin haben sollte. Es war unglaublich schwer für mich und es zerreißt mich auch jetzt noch. Ich schäme mich sehr dafür, weil es verboten ist und für sehr viele moralisch total verwerflich ist. Doch ich kann mich nicht länger davor sträuben..
Das ist auch der Grund, weshalb es mir die letzten Wochen sehr schlecht ging. Vielleicht verstehen Sie jetzt, weshalb ich nicht so richtig mit Ihnen darüber reden konnte.
Eigentlich gibt es auch noch so viel, das ich Ihnen gerne näher bringen möchte, doch ich glaube, die oberen Zeilen sind schon hart an der Lehrer-Schüler Grenze dran.
Deshalb hoffe ich jetzt einfach nur, dass Sie mit dieser Offenbarung nicht überfordert sind und dass ich damit nicht zu weit gegangen bin. Ich möchte Sie keinesfalls damit belästigen.. ich möchte mich einfach nur ein bisschen besser fühlen.
Mit lieben Grüßen
Sophie"Auch die letzten Tage ging es mir nicht wirklich besser, als die letzten Monate. Wie denn auch, wenn sich überhaupt nichts ändert? Nur langsam ist mir bewusst geworden, dass ich irgendetwas verändern muss, damit ich besser mit dieser Situation zurecht komme. Ich habe also meine Gedanken auf ein Blatt geschrieben und auch gleichzeitig einen Brief an Frau Hartmann geschrieben. Ich weiß nicht ob ich ihr diesen Brief jemals geben werde, doch zu wissen, dass ich einmal komplett ehrlich zu mir war, ist schon erleichternd. Ich glaube, durch diesen Brief könnte ich in Schwierigkeiten kommen - schon alleine deswegen werde ich ihn wahrscheinlich niemals abgeben oder abschicken können. Doch was, wenn es das Einzige wäre, das mir helfen könnte?
Es ist Donnerstag morgen: Deutsch. Frau Hartmann schreibt etwas an die Tafel. Ich habe keine Ahnung, was. Ich konnte die letzten Minuten auch wieder nicht zuhören. Ich habe den Brief seit einigen Tagen in meinem Rucksack und schleppe ihn ständig mit zur Schule. Einfach nur um die Möglichkeit zu haben, ihr diesen irgendwann zu geben. Dass ich diesen Brief Frau Hartmann aber nie geben werde, ist mir eigentlich bewusst. Die Angst vor den Konsequenzen ist viel zu groß und außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es mir wirklich etwas bringen würde. Denn wenn Sie diesen Brief bekommen würde, wüsste sie zwar von meinen Gefühlen, doch was habe ich denn davon? Ich krame in meinem Rucksack, hole meinen linierten Block heraus und hebe dann die Papierschnipsel auf, die mir dabei auf den Boden gefallen sind. Eigentlich bin ich ein recht ordentlicher Mensch, doch in meinem Rucksack sieht es immer komplett anders aus. Aber ich denke, das ist auch kein Wunder, wenn wir unsere Bücher kaum benutzen und jede Stunde knapp zwei Blätter voll schreiben.
Mit viel Mühe versuche ich, Frau Hartmann zu folgen und ihre Sätze, die sie an die Tafel geschrieben, hat abzuschreiben. Doch es dauert nicht lange, dann verfalle ich wieder in Gedanken. Ich schaue kurz zu Liz rüber, die wie immer neben mir sitzt. Sie schaut konzentriert nach vorne
Verdammt, mir ist nie aufgefallen, dass ich mich so sehr von ihr distanziert habe, seitdem mich die Sache mit Frau Hartmann so beschäftigt
Doch ich habe auch momentan überhaupt keine Kraft, um irgendwelche sozialen Kontakte zu pflegen; ich muss mich auf mich konzentrieren. Irgendwie muss ich das alles erstmal auf die Reihe bekommen.Es kommt mir vor wie ein ganzer Tag, doch es waren nur acht Stunden, die jetzt endlich vorüber gegangen sind. Ich packe schnell meine Sachen ein, denn ich will so schnell wie möglich nach Hause. Frau Hartmann hat heute die letzte Stunde vertreten, da ein Lehrer von uns krank ist. Das Gefühl in mir teilt sich in Freude und pure Trauer. Auf einer Seite bin ich immer wieder aufgeregt und freue mich darüber, sie zu sehen. Doch gleichzeitig tut es auch weh, zu wissen, dass diese Gefühle und Gedanken total daneben sind. Und vor allem, dass ich überhaupt keine Chance habe, jemals die Liebe zu bekommen, die ich mir so sehr von ihr wünsche..
Ich packe noch schnell mein Etui ein, mache es auch gar nicht richtig zu - die Stifte fallen sogar fast heraus, doch ich schmeiße es einfach in meinen Rucksack. Dann stelle ich den Stuhl ran, verabschiede mich von Liz und gehe so schnell wie möglich raus..Als ich zu Hause bin, möchte ich mir noch mal den Brief durchlesen. Ich möchte einfach noch mal drüber nachdenken, ob es mir vielleicht doch etwas bringen würde, wenn ich ihr diesen Brief gebe. Ich bin einfach hin und her gerissen. Ich lege mich also auf mein Bett, nehme meinen Rucksack zwischen meine Beine, öffne ihn und krame nach diesem Brief. Es dauert einige Sekunden, bis ich meinen kompletten Block raushole und jede einzelne Seite durch blättere, um zu gucken, wo dieser Brief steckt. Nach einer gewissen Zeit wird mir klar, dass dieser Brief weder in meinem Block, noch in meinem Rucksack ist. Ich verfalle kurz in Panik, doch vielleicht ist er ja irgendwo im Haus, denn ich schmeiße meinen Rucksack gerne erstmal in die Ecke sobald ich nach Hause komme. Und dadurch, dass ich vorhin so schnell eingepackt habe, könnte der Reißverschluss des Rucksacks ja auch ein bisschen offen gewesen sein. Ich gehe also die Treppe herunter, schaue um mich herum und hoffe einfach nur, dass ich ihn hier finde. Doch ich kann ihn nirgendwo sehen. Sofort gehe ich alle möglichen Szenarien durch. Ich habe unglaubliche Angst, dass der Brief im Klassenraum liegt. Vielleicht ist er mit den Schnipseln zusammen heruntergefallen, und ich habe ihn übersehen? Und wenn es passiert sein sollte, dann hoffe ich einfach nur, dass Frau Hartmann diesen nicht liest, sondern einfach in den Mülleimer schmeißt. Ich will mir gar nicht ausmalen, was mir blüht, wenn sie diesen Brief gefunden und gelesen hat. Ich glaube, erst dann werde ich erfahren, was wirkliche Qual ist. Ich muss morgen früh unbedingt im Klassenraum nachgucken, ob ich ihn irgendwo finde. Wenn dies nicht der Fall ist, dann hoffe ich, dass er im Mülleimer gelandet ist und sich nun in der Tonne befindet...
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That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)
RomanceNachdem ich die Hand, die mich zwei Jahre lang festhielt, loslassen musste, begann für mich der Weg der Selbstfindung - Ich erfuhr, was ich wirklich will und was ich tatsächlich benötige: Nähe, Zuneigung, Vertrauen und Ehrlichkeit. Es verging eine...