Nun sind die Ferien schon wieder um. Ich habe die meiste Zeit zuhause verbracht und war ab und zu mit Liz zusammen, allerdings nicht so häufig, wie ich es eigentlich vor hatte. Ich war einfach zu sehr in Gedanken und habe mich deshalb ziemlich zurückgezogen. Ich würde nicht sagen, dass es vorteilhaft oder schlau war, denn jetzt, wo gleich die letzte Stunde beginnt und ich Frau Hartmann wiedersehen werde, bin ich aufgrund meiner vielen gedanklichen Fake-Szenarios der letzten Wochen total nervös.
Wenig später öffnet sich die Tür unseres Klassenzimmers und Frau Hartmann kommt herein. Ich sehe in ihre dunkelbraunen Augen und verliebe mich in den Anblick ihres freundlichen Lächelns und in die Grübchen an ihren Wangen. Ich spüre die Schmetterlinge in meinem Bauch so intensiv, wie an dem Tag, als sie diesen Raum zum ersten mal betreten hat. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich ihr ein paar Tage vorher abends über den Weg gelaufen bin und sie mir da schon kaum aus dem Kopf ging. Es fühlt sich komisch an, dass über das letzte halbe Jahr hinweg soviel passiert ist - dabei ist ja gar nichts so richtig passiert. Das einzig eindeutig Auffällige war doch eigentlich nur der Tag vor den Ferien, als sie mich mit ihrer Hand unter dem Tisch berührt hat und wir uns anschließend, als alle schon nach Hause gegangen waren, fast geküsst hatten. Auch ihr Vorname geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf: Maria ist so ein Name, den ich sehr mit Güte und Herzlichkeit verbinde. "Guten Morgen. Ich hoffe, ihr hattet schöne Ferien?", lächelt sie durch die Klasse und sorgt damit für ein chaotisches Durcheinandergerede meiner Klassenkameraden. Ich höre dem ganzen kaum zu, denn ich konzentriere mich jetzt viel eher auf Frau Hartmann, die nun ihre Bücher aus der Tasche herauskramt und währenddessen immer mal wieder lächend durch den Klassenraum schaut. Als sich unsere Blicke treffen, will ich erst schüchtern wegsehen, doch als ich merke, dass ihr Lächeln stärker wird, kann ich nicht anders, als sie verträumt anzustarren. Ihre langen Wimpern schlagen sanft aufeinander, sie sieht kurz verlegen nach unten auf ihren Schreibtisch und die daraufliegenden Bücher, um ihre Augen dann aber wieder nach oben in meine Richtung sehen zu lassen. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem ich dann doch schüchtern wegsehen muss und Liz' beobachtenden Blick bemerke. Ich spüre eine Wärme, die in meinem ganzen Körper aufkommt und kann meinen schnellen Herzschlag kaum noch aushalten. Wenig später höre ich Frau Hartmanns Stimme ertönen, mit der sie die anderen wegen ihrer Lautstärke ermahnt. Und dann beginnt sie mit dem Unterricht, als wäre nie etwas gewesen. Aber was soll sie auch sonst tun? Sie hat keine Möglichkeit, genauso verträumt durch die Gegend zu starren und mich verliebt anzuschauen. Naja, falls sie das denn überhaupt ist...
Über den Tag hinweg war ich viel am Nachdenken und frage mich immer mehr, ob ich das alles, was vor den Ferien passiert ist, vielleicht einfach nur falsch verstanden habe. Vielleicht waren die Annäherungen seitens meiner Lehrerin einfach nur aus einer spontanen Laune oder Lust entstanden? "Beendet die Aufgabe bitte bis morgen, damit wir sie dann besprechen können. Ich wünsche euch einen schönen Nachmittag", sagt sie abschließend und die Geräuschkulisse der Sachen einpackenden Schüler übertont gerade Gott sei Dank mein Gedankenchaos, bis Liz mich kurz anspricht: "Was machst du heute so?" Ich zucke mit den Schultern: "Und du?" Sie lächelt und zuckt ebenso mit den Schultern. Ich nicke und sehe kurz zu Frau Hartmann rüber, die gerade Notizen zu machen scheint. "Du solltest mit ihr reden..", flüstert mir meine beste Freundin zu, was ich nachdenklich abnicke. Ich packe langsam meine Sachen ein und beobachte meine Klassenkameraden dabei, wie sie nacheinander den Raum verlassen. Auch Liz nimmt ihre Tasche und klopft mir kurz mutmachend auf die Schulter, bis dann auch sie als letzte den Klassenraum verlässt. Vor lauter Nervosität bekomme ich mein letztes, dickes Buch nicht in meinen Rucksack hinein, sodass ich nochmal einige Sachen rauskramen und somit Platz für das Buch schaffen muss. Frau Hartmann scheint mich nicht zu bemerken - zumindest liegt ihre Konzentration noch immer auf unserem Klassenbuch. Mit nervös zitternden Händen stopfe ich das Buch in meinen Rucksack und versuche, auch die Mappen hineinzubekommen, ohne diese zu zerknicken. Blöderweise fallen sie mir dabei herunter, sodass Frau Hartmann nun doch in meine Richtung sieht und eine Augenbraue in die Höhe zieht. Ich fluche leise vor mich hin und spüre, dass meine Wangen rot werden. Als ich mich hinknie, um die Mappen vom Boden aufzuheben, bemerke ich, dass die ganzen losen Blätter aus ihnen herausgefallen sind. Ich sollte mir dringend mehr Ordnung angewöhnen und die Sachen strukturiert abheften. Während ich hektisch die Blätter zusammensuche, höre ich Frau Hartmanns Schritte, die immer lauter werden. "Lass mich dir helfen..", schmunzelt sie und kniet sich neben mich.
Ich sehe ihr nervös in die Augen, doch sie konzentriert sich nur auf die Blätter und sortiert sie langsam wieder zusammen. Jede ihrer Bewgungen wirkt dabei sehr kontrolliert und locker - ganz anders, als ich mich gerade fühle. Ich bemerke gar nicht, dass ich ihr gerade die ganze Arbeit überlasse und kann auch nicht aufhören, sie zu mustern. Ihre lockigen, braunen Haare fallen ihr immer wieder ins Gesicht - doch ehe eine Haarsträhne in ihrem Gesicht zu stören beginnt, legt sie diese hinter ihr Ohr und sammelt weiter die Papiere zusammen. Nicht einmal sieht sie mir zwischendurch in die Augen - dabei knien wir voreinanander und sind nur einen guten Meter voneinander entfernt.
"So... hier, bitteschön", sagt sie schmunzelnd und streckt mir meine Mappen entgegen. Als ich sie in die Hand nehme und wieder zu ihr aufschaue, sehen ihre Augen endlich direkt in meine und rauben mir den Atem. "Danke.."
Wir verharren viel zu lang in diesem Moment, weswegen ich mich kurz am Kopf kratze und wir wieder aufstehen, ich meine Hose vom Dreck abklopfe und dann die Mappen wieder in meinen Rucksack stopfe. "Wie waren denn deine Ferien?" In meinem Kopf rattert es extrem - wie soll ich die zwei Wochen nur zusammenfassen?
"Etwas chaotisch, würde ich sagen.. Und bei Ihnen?" Sie schüttelt lächelnd den Kopf: "Nichts besonderes. Ich hoffe, deine Ferien waren nicht wegen mir so chaotisch?", lächelt sie mich an und legt dabei ihren Kopf schief. Ihre Pupillen weiten sich auffällig doll und ihre Grübchen und leichten Lachfalten machen sie gerade noch wunderschöner und diesen Moment total magisch. Gerade fühlt es sich so an, als wären wir schon immer so vertraut miteinander gewesen - als würde sie mich bereits in- und auswendig kennen und all' meine Gedanken lesen können. Meine Hände werden sehr feucht und ich spüre, dass meine Beine immer mehr zu Wackelpudding werden. Jetzt fühlt sich das alles einfach nur schön an - unglaublich schön sogar, ohne diese unsicheren Gedanken und Schuldgefühle, die ich wegen meiner Schmetterlinge im Bauch ständig habe.
"Bist du noch da?", lacht Frau Hartmann und sieht kurz verlegen auf den Boden. "Ja, klar.. Ähm..", stottere ich vor mich hin, "..e-ehrlich gesagt hab ich mir sehr viele Gedanken gemacht.." Frau Hartmann nickt verständnisvoll und scheint kurz nachzudenken. Mein Herz rast inzwischen unfassbar schnell, sodass es mir immer schwerer fällt, klar zu denken. "Ich auch", lächelt sie diesmal etwas unsicher, "..Ich glaube, wir wissen beide, wie kompliziert das Ganze hier ist." In diesem Moment rutscht mir mein Herz in die Hose und ich bekomme Angst. Ich habe Angst, dass sie sich tatsächlich bewusst gemacht hat, wie risikoreich unser Verhalten vor den Ferien war und dass sie es nun niemals wieder zulassen wird, dass wir uns annähern. Allerdings hätte sie damit ja recht - ich möchte nicht schuld dafür sein, dass sie vielleicht nie wieder unterrichten darf, sollte das hier jemand mitbekommen. Auf der anderen Seite tut es sehr weh, dass Liebe anscheinend so falsch sein kann. "Was kam denn dabei raus? Also, wenn Sie sagen, Sie haben auch viel nachgedacht.. Zu welchem Entschluss kamen Sie?", frage ich meine Lehrerin, obwohl ich große Angst vor ihrer Antwort habe. Sie schaut mich einen Moment lang wortlos an und scheint nachzudenken. "Ich habe mir nochmal bewusst gemacht, wie gefährlich es war, dass wir uns so nah gekommen sind. Nicht nur für mich steht viel auf dem Spiel - auch du könntest von der Schule fliegen und das wäre nicht mal das Schlimmste, was passieren könnte." Ich schaue traurig in ihre Augen, nicke ihr aber verständnisvoll zu. "Ja, ich weiß...", murmle ich schambehaftet. "Ich kenne dich jetzt seit etwas mehr als einem halben Jahr - zwar nur als Schülerin, aber glaub mir, dass ich über jeden Einblick in dein Privatleben, den du mir gibst, mehr als dankbar bin. Immer, wenn ich deine Gespräche mit Liz mitbekomme, spüre ich, dass du viel interessanter für mich bist, als du eigentlich sein solltest. Und es tut mir leid, dass ich mich am letzten Schultag vor den Ferien nicht mehr zurückhalten konnte: Ich übernehme die Verantwortung dafür und du musst dich für nichts schämen und dich auch nicht schuldig fühlen."
Je mehr Worte sie sagt, desto unklarer wird mir, was sie eigentlich ausdrücken will. "Ich weiß nicht genau, was Sie mir jetzt sagen wollen. Es klingt so, als würden Sie sich nur nicht trauen, mich richtig abzuservieren", lache ich kurz, dabei bin ich gerade ziemlich verletzt von meinen eigenen Worten, die ich aber sehr ehrlich meine. Ich hoffe, dass man mir meine Traurigkeit nicht ansieht und sie mir mein kurzes Lachen einfach glaubt. Als ich in die Augen meiner Lehrerin sehe, erkenne ich eine gewisse Trauer und vielleicht sogar Sehnsucht - doch es kann sein, dass ich mir das nur wünsche. Dann schüttelt sie langsam ihren Kopf und kommt einen kleinen Schritt näher auf mich zu. "Nein, ich möchte dich nicht abservieren oder sonstiges. Eigentlich möchte ich das Gegenteil tun und dort weiter machen, wo wir vor zwei Wochen aufgehört haben." Mein Herz beginnt, noch viel schneller zu schlagen und ich spüre, dass sie meine Hände vorsichtig in ihre nimmt und entschlossen festhält. Mittlerweile zittern meine Knie, die ich deshalb noch fester versuche, anzuspannen, damit ich irgendwie die Kontrolle über meinen Körper zurückbekomme. "Ich will nicht, dass etwas Schlimmes passiert..", flüstere ich unsicher und verliere immer mehr die Gewissheit darüber, dass ich mich noch lange unter Kontrolle halten kann. Frau Herrmann nickt sanft: "Ich will das auch nicht, aber ich möchte dir trotzdem näher kommen." Eigentlich müsste mich dieses kleine Geständnis glücklich machen und es bringt mein Herz auch zum Rasen und meinen Bauch zum Kribbeln, aber diese Unsicherheit über die Ernsthaftigkeit ihrer Worte und die möglichen Konsequenzen wird größer und größer. "Aber ich bin doch eigentlich nur Ihre Schülerin..", bringe ich ihr voller Demut entgegen. Ich bin doch nichts Besonderes - ich falle in der Masse der Schülerschaft überhaupt nicht auf. "Du bist doch viel mehr, als das. Wie kannst du das nur nicht sehen..?", fragt sie mich rhetorisch und streicht mir dabei sanft eine Haarsträhne hinters Ohr. Diese zärtliche Berührung an meinem Ohr gibt mir einen Schauer über den Rücken, den ich nur aushalten kann, indem ich kurz meine Augen schließe und tief durchatme. Als ich meine Augen wieder öffne, erblicke ich ihren mittlerweile selbstsicheren und verträumten Gesichtsausdruck. Ihre Augen schielen abwechselnd in meine Augen und auf meine Lippen, was mich fast um den Verstand bringt. Sie schafft es tatsächlich, dass es mich immer weniger interessiert, wie falsch das hier gerade sein mag. Ich möchte gerade nur eins: Von meiner Lehrerin geküsst werden. Und bevor ich mir gedanklich einreden kann, dass dieser Wunsch auch jetzt unrealistisch ist, kommt mir Frau Hartmann nochmal näher, sodass ihr Gesicht fast schon meines berührt. Ich kann ihren warmen und schnelleren Atem auf meiner Haut spüren. Meine Wangen fühlen sich jetzt sehr warm an und vermutlich sind sie inzwischen knallrot geworden. Frau Hartmanns Hand lässt meine vorsichtig los und wandert mit ihr hoch zu meiner Wange, die sie dann langsam streichelt. Währenddessen schaut sie mir tief in die Augen, was diesen Moment nur noch intensiver macht. Ehe ich mich in diesen verliebten Anblick meiner Lehrerin in meine Augen verlieren kann, bemerke ich, dass sie mir nun mit ihrem Gesicht noch näher kommt. Die Hitze in meinen Wangen steigt nun in meinen ganzen Kopf über, mir wird urplötzlich total heiß und meine Atmung ist in keinem normalen, langsamen Rhythmus mehr. Meine Augen wandern runter zu ihren Lippen, die meinen immer näher kommen. Sie ist nur noch einen Hauch davon entfernt, mich zu küssen und als sie kurz davor stoppt, werde ich etwas unsicher. Doch dann fragt sie mich ganz leise: "Darf ich?" Ohne lange zu zögern nicke ich und hauche ein zartes "Ja...", was sie lächelnd annimmt und es damit endlich geschehen lässt: Sie legt ihre Lippen auf meine und sorgt damit für ein Feuerwerk in meinem ganzen Körper.
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That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)
RomanceNachdem ich die Hand, die mich zwei Jahre lang festhielt, loslassen musste, begann für mich der Weg der Selbstfindung - Ich erfuhr, was ich wirklich will und was ich tatsächlich benötige: Nähe, Zuneigung, Vertrauen und Ehrlichkeit. Es verging eine...