6 - There's a knife in my stomach

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Als Letzte sitze ich noch im Klassenraum und schaue um mich herum. Ich sehe, dass die anderen bereits den Klassenraum verlassen haben. Ich rüttle mich kurz und versuche mich wieder zu konzentrieren und packe meine Sachen ein. Doch dann bemerke ich Frau Hartmann, die eben noch vorne an der Tafel stand, direkt vor mir stehen. Als ich zu ihr auf sehe, blicke ich in ihre dunklen glänzenden Augen, die mich etwas unsicher und durchdringlich anschauen. Sie streift mit ihrer Hand einmal durch ihr Haar und fragt mich dann, ob ich ihr helfen könnte, einige Duden in einen Raum zu tragen: "Die ganzen Duden liegen noch im Lehrerzimmer. Es sind zwei Kisten und es wäre wirklich nett, wenn du mir dabei helfen könntest, diese in den Raum 102 zu bringen."
Ich bin sichtlich überfordert und muss mit den vielen Gedanken in meinem Kopf kämpfen, denn ich weiß nicht genau, ob es eine gute Idee wäre, ihr diesen Gefallen zu tun, denn ich bin so schon total nervös und fühle mich einfach nicht gut. Seitdem ich weiß, dass sie verheiratet ist, kann ich ihr kaum noch in die Augen schauen. Es fühlt sich sehr schmerzhaft an und irgendwie ist dieses Kribbeln im Bauch, das man oft beim Achterbahnfahren spürt, mehr zu einem Gefühl eines einstechenden Messers in meinen Bauch geworden. Doch ich könnte jetzt schlecht sagen, dass ich ihr nicht helfen werde, daher nicke ich nur stumm und packe schnell meine restlichen Sachen in meinen Rucksack. Als ich dann wieder auf blicke sehe ich Frau Hartmann im Türrahmen stehen, die lächelnd auf mich wartet. Ich gehe auf sie zu und warte darauf, dass sie das Licht aus und die Tür zu geschlossen hat. Dann gehen wir gemeinsam ins Lehrerzimmer. Während wir dort hin gehen bekomme ich kein Wort heraus - stattdessen verfalle ich in viele Gedanken und stelle mir mal wieder vor, wie glücklich sie mit ihrem Mann sein muss. Aber auch Frau Hartmann spricht kein Wort und geht stumm neben mir her. Als wir dann am Lehrerzimmer angekommen sind, schließt sie die Tür auf, reicht mir eine Kiste mit einigen Duden und schnappt sich die andere. Sie sagt mir kurz in welche Richtung wir zum Raum 102 müssen und geht dann vor. Ich weiß nicht genau, ob sie diese Situation genauso unangenehm findet, wie ich, doch ich verspüre gerade das brennende Bedürfnis danach, irgendetwas zu sagen, um die Stille zu brechen. Da ich aber nicht zu auffällig mit meinen Gefühlen sein will, beginne ich mit einer einfachen, höflichen Frage. Und zwar frage ich sie, wie ihr Tag heute war. Sie verlangsamt etwas ihr Tempo, bis sie auf meiner Höhe ist und schaut mich dann dankend lächelnd an: "Und wie war deiner? Geht es dir denn inzwischen besser?"
Ich überlege kurz, ob ich ihr die Wahrheit sagen soll.. und eigentlich wird mir schnell bewusst, dass ich gerne sagen würde, dass es mir besser geht, doch ich bin mir sicher, ich verhalte mich im Unterricht - besonders in ihrem, nicht so, als würde es mir gut gehen. Dadurch würde sie wahrscheinlich merken, dass ich lüge.
"Um ehrlich zu sein geht es mir nur nicht wirklich besser. Aber es gibt auch keine Lösung, die mir helfen könnte. Ich muss es wahrscheinlich einfach aushalten und irgendwann geht es dann wieder.."
Frau Hartmann blickt mich nachdenklich an und nickt dann zustimmend. Nach kurzer Zeit sind wir dann auch in dem besagten Raum angekommen und stellen die zwei Kisten vorne auf einen Tisch. Sie bedankt sich noch einmal bei mir und ich lächle ihr nur unsicher zu, drehe mich schon um, um den Raum wieder zu verlassen. Doch kurz bevor ich den Raum verlassen wollte, bittet mich Frau Hartmann noch einmal, kurz zu bleiben.
"Wenn du sagst, dir geht es noch nicht besser, dann hast du sicherlich noch nicht mit jemandem drüber geredet oder? Ich meine nur, dass es vielleicht helfen könnte, wenn du es wenigstens los wirst. Das darüber Sprechen ist vielleicht keine Lösung, aber es könnte dir vielleicht helfen, es aus zu halten."
Ich denke kurz über ihre gesprochenen Worte nach und schaue unsicher auf den Boden. Mein Herz rast und gleichzeitig spüre ich wieder das scharfe Messer, das sich immer wieder tief in meinen Bauch hinein bohrt. Doch irgendwie sind so viele Wörter in meinem Kopf, die mich quälen, da ich sie nicht ausgesprochen habe. Eigentlich hat sie ja recht: es ist vielleicht keine Lösung, mit jemandem darüber zu sprechen, doch es könnte eventuell helfen. Doch wenn ich schon mit jemandem darüber spreche und mir dies helfen soll, dann würde ich mit Frau Hartmann drüber sprechen. Denn nur sie könnte mir helfen, indem Sie Verständnis zeigt oder.. was auch immer.
"Wissen Sie.. ich habe schon darüber nachgedacht, mit jemandem darüber zu sprechen, aber mir fällt nur eine Person ein, mit der es Sinn machen würde, zu reden. Nur das Problem ist, dass diese Person auch die größte Rolle in meinem Kummer spielt.."
Sie nickt verständnisvoll und fragt mich, ob es keine Möglichkeit gibt, die Person anders zu erreichen, als direkt persönlich zu konfrontieren. Ich schüttele etwas enttäuscht den Kopf und bereue es schon, ihr dies gesagt zu haben. Denn jetzt scheint sie zu versuchen, mir Tipps zu geben oder mir irgendwie zu helfen und dabei ist sie die Person, um die es sich handelt. Am liebsten würde ich aus dem Raum heraus rennen und einfach nur vergessen, was die letzten Wochen passiert ist. Doch dann holt sie mich aus meinem Gedankenkarussell heraus: "Also ich zum Beispiel habe schon mal Briefe an jemanden geschrieben, wenn ich es nicht geschafft habe, mit ihm persönlich zu reden. Aus welchen Gründen auch immer; ob es unangenehm war, ob dicke Luft zwischen einem war.. - dieser Brief konnte einfach alles beinhalten, was man diesem Menschen persönlich nicht sagen konnte. Vielleicht ergibt sich ja doch die Möglichkeit, dass du so etwas wie einen Brief oder eine Nachricht über Chat versenden kannst und diese für Klärung sorgt und dich vor allem weiterbringt."
Sicher meint sie es nur gut und sie weiß ja auch gar nicht, um wen es geht - doch die Idee mit dem Brief halte ich für völlig absurd. Bei anderen zwischenmenschlichen Beziehungen wäre das sicherlich eine gute Idee, doch sie ist meine Lehrerin und es wäre sehr komisch, ihr einen Brief zu schreiben. Zumal könnte sie mit diesem einfach zum Direktor gehen und mich damit von der Schule verweisen lassen. Es könnte aber auch passieren, dass ihn jemand anderes in die Finger bekommt - warum auch immer. Zumal wüsste ich gar nicht, was ich da rein schreiben kann und soll und vor allem, was ich überhaupt preisgeben darf. Denn eigentlich ist die ganze Sache ja beamtenrechtlich verboten, und auch wenn sie nie drauf eingehen würde, könnte sie in Schwierigkeiten kommen. Und wenn man mal von der Moral absieht, ist das Ganze total unrealistisch. Denn wie ich vor einigen Tagen erfahren habe, ist Frau Hartmann verheiratet. Ich zucke mit den Schultern und bedanke mich bei ihr für diesen Ratschlag.
"Ich danke dir, dass du mir mit den Kisten geholfen hast. Und.. du weißt ja: wenn du es dir anders überlegst oder vielleicht etwas darüber wissen willst, was du in so einen Brief schreiben kannst, dann kannst du natürlich gerne zu mir kommen. Ich wünsche dir einen schönen Tag."
Wortlos verlasse ich den Raum und mache mich auf dem Weg nach Hause. Ich sitze im Bus und höre Musik, nebenbei denke ich darüber nach, was sie mir heute erzählt hat. Die Idee mit dem Brief lässt mich nicht los, doch ich bin eigentlich davon überzeugt, dass ich das nicht tun werde und vor allem, nicht tun sollte. Denn ich bin mir sicher, dass, wenn sie wüsste, dass sie die Person ist, um die es sich handelt, sie mir diesen Ratschlag nie gegeben hätte.
Ich weiß nicht, was ich tun soll....

That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt