5 - She's married?

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..Es sind schon einige Tage vergangen und wie schon zu erwarten war, habe ich diese zu Hause verbracht, um über die jetzige Situation nachzudenken. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, die Gedanken abzustellen und nicht jede kleinste Tat meiner Lehrerin zu hinterfragen. Es ist aber auch sehr schwierig, nicht überfordert zu sein, denn ich habe Frau Hartmann jetzt jeden Tag bis auf gestern, also Mittwoch, gesehen. Und schon wie zuvor löst alleine der Blickkontakt zu ihr ungewöhnliche, überrumpelnde Gefühle in mir aus. Ich habe daher die letzten zwei, drei Tage darüber nachgedacht, vielleicht doch mit Liz darüber zu sprechen. Immerhin muss ich ihr nicht sagen, um wen es geht, aber vielleicht kann sie mir ja dann trotzdem helfen.

Im Moment ist Pause. Ich sitze auf meinem Stuhl im Klassenraum und schaue nervös um mich herum, denn in weniger als 20 Minuten wird Frau Hartmann wieder in meiner Nähe sein und uns unterrichten. Manchmal wünsche ich mir einfach im Boden zu versinken und für einen Moment zu verschwinden. Das hier ist so ein Moment, denn diese Aufregung und die Nervosität, die schon Stunden vor dem Deutschunterricht in mir aufkommt, ist eine riesige Qual. Man kann es mit einer leichten Panikattacke vergleichen, denn mein ganzer Körper zittert, ich bekomme schweißige Hände, mein Herz rast und ich habe plötzliche Angst - doch zugleich freue ich mich irgendwie auch. Noch dazu fehlt mir jegliche Konzentration und in meinem Kopf hämmern viele Gedanken gegen meine Stirn. Manchmal sind es so viele Gedanken, die ich nicht ausspreche, dass es sich so anfühlt, als wäre jemand in meinem Kopf, der mit einem riesigen Vorschlaghammer ständig gegen meine Stirn schlägt. Nebenbei schreit diese Person in meinem Kopf, dass das, was ich fühle, falsch ist. Tief in mir drin weiß ich eigentlich, was diese Gefühle zu bedeuten haben. Doch ich möchte dies nicht wahrhaben und verdränge es deshalb. Auch wenn ich weiß, dass das nicht der gesündeste Weg ist, ist es vielleicht der vernünftigste. Denn Frau Hartmann ist meine Lehrerin für dieses Schuljahr und daher sind diese Gefühle keinesfalls zu akzeptieren. Das ist mir klar.. doch trotzdem kann ich nicht aufhören ständig und überall an sie zu denken. Und meinen Körper bekomme ich auch nicht unter Kontrolle, wenn ich sie sehe oder an sie denke. Egal, wie verkrampft ich versuche, jegliche Gefühle zu unterdrücken oder zu stoppen - es bringt nichts.

Mir ist gar nicht bewusst, wie vertieft ich schon wieder in meinen Gedanken war, denn ich bemerke Frau Hartmann erst, als sie bereits vorne an der Tafel steht und uns begrüßt. Jedes mal erstarre ich bei ihrem selbstbewussten Lächeln und kann nicht aufhören, sie zu mustern. Und auch jetzt überkommt mich ein Schauer über den Rücken, der mich kurz zusammen zucken lässt.

Sie gibt uns eine Aufgabe, die wir still und alleine bearbeiten sollen...

Die ganze Zeit fehlt mir die Konzentration. Anstatt meinen Blick auf das Blatt Papier zu wenden, schenke ich meiner Lehrerin Aufmerksamkeit. Sie sitzt auf dem Lehrerstuhl am Schreibtisch und schaut durch die Klasse. Plötzlich treffen sich unsere Blicke und ihre dunklen Augen schauen genau in meine. In diesem Moment erschrecke ich mich total und zucke leicht zusammen. Ich bekomme plötzlich Schnappatmung und schlucke einmal fest. Dann beginnt sie, mich anzulächeln. Doch es ist kein normales, höfliches Lächeln. Ihr Gesichtsausdruck dabei ist fragend und neugierig. Vermutlich konnte und kann ich gerade nicht verheimlichen, was sie in mir auslöst. Dadurch wird mir die Situation sehr unangenehm und ich schaue abrupt auf mein immer noch leeres Blatt. Wenige Sekunden später kannich Schritte hören, die von vorne auf mich zu kommen. Nach einem winzigen Augenblick kniet Frau Hartmann vor meinem Tisch und stützt ihre Ellenbogen darauf ab. Ich blicke ihr unsicher in die Augen und weiß genau, dass sie jetzt fragen wird, warum ich noch nicht angefangen habe. Daher beginne ich stotternd zu flüstern: "Ich.. Ich kann mich nicht konzentrieren.. deshalb habe ich noch nicht angefangen..".
Während ich das sage, bemerke ich Liz's fragwürdigen Blick, der auf mir haftet. Doch ich ignoriere es so gut es geht. Frau Hartmann hingegen nickt verständnisvoll und sagt, dass ich nach dieser Stunde bitte mit ihr mit kommen soll. Nach kurzem zögern nicke ich ihr zu. Nachdem sie sich dann wieder an den Schreibtisch gesetzt hat und ich weiterhin krampfhaft versucht habe, die Aufgabe zu lösen, ist die Stunde auch schon vorbei. Alle packen ihre Sachen ein und freuen sich, dass Schulschluss ist. Doch Frau Hartmann bittet noch einmal um Aufmerksamkeit: "Hört nochmal kurz zu, bevor ihr rausstürmt!" Da sie ihre Stimme etwas erhebt, sind meine Mitschüler sofort wieder aufmerksam. "Ich werde euch am Freitag nicht unterrichten können. Ich weiß, dass das Jahr gerade erst angefangen hat, aber ich habe einen wichtigen Termin mit meinem Mann."
Als ich diese Worte aus ihrem Mund höre, stockt mir der Atem und mein Herz rutscht mir in die Hose. Sie, sie ist verheiratet..? Ich kann richtig spüren, wie sich mein Herz in zwei, drei oder gar noch mehr Teile teilt. Wenn ich jetzt in einen Spiegel schauen würde, würde ich mich selbst total enttäuscht, geschockt und mit offenem Mund da stehen sehen.
"Eventuell wird jemand die Stunde vertreten. Jetzt dürft ihr gehen!"
Meine Klassenkameraden verlassen den Raum und Liz sagt zu mir, dass sie morgen wissen will, was los mit mir ist - warum ich mich nicht konzentrieren konnte. Ich realisiere das alles gar nicht richtig, alles huscht eben an mir vorbei. Bis mir einfällt, dass Frau Hartmann mich gebeten hatte, noch zu bleiben. Also stehe ich da wie angewurzelt und schaue Liz hinterher, wie auch sie den Klassenraum verlässt. Meine Aufregung wird deutlich spürbar, doch der Schock sitzt immer noch tief.
Frau Hartmann kommt auf mich zu und fragt, was denn heute los war.
"Nichts. Ich hab nur wenig geschlafen.", gebe ich emotionslos zurück. "Hmm, bist du zu spät ins Bett gegangen oder haben dich Gedanken wach gehalten?", fragt sie mich nachdenklich und interessiert. Dabei schaut sie mich aufmerksam an und lächelt vorsichtig.
Ich zucke mit den Schultern und starre auf den Boden.
"Möchtest du wirklich nicht reden? Vertraust du dich denn mittlerweile wem an?"
Ich schüttle stumm den Kopf: " Kann ich bitte gehen?"
Sie schaut mich verwirrt an und nickt während sie zum Schreibtisch geht: "Ja, du kannst gehen, wenn du nicht reden willst."
"Schönen Tag noch..", sage ich leise und unsicher. Daraufhin höre ich nur ein "Danke" von ihr und verlasse den Raum.

Auch noch Stunden später fühle ich mich so schlecht, dass ich den restlichen Tag eingekugelt in meinem Bett liege und mir ausmale, wie glücklich sie in die Arme ihres Mannes läuft, wenn sie nach einem harten Arbeitstag nach Hause kommt. Es zerreißt mich innerlich und beschäftigt mich pausenlos..

That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt