Kapitel 2 | Stress, Trouble & Broken Pieces

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Stress, Trouble & Broken Pieces
Kapitel 2


Barcelona, Spanien
5. Juni 2023


Lando



„Lando!"
Er achtete nur auf das Muster des Teppichs.
„Lando!"
Er versuchte mit dem Fuß immer genau zwischen den Mustern zu landen, warum auch immer.
„Lando?"
Bloß nicht auf die Rauten treten – das war schon fast ein Zwang.
„Hey!"
Und erst jetzt bemerkte er, dass er angesprochen worden war, weil eine Hand auf seiner Schulter landete und ihn dazu brachte, mal den Blick zu heben.

„Carlos?"
Wo kam der denn jetzt her? Wobei das im Grunde egal war. Es war ja nicht so ungewöhnlich, dass sie im selben Hotel untergebracht waren. Aber irgendwie war sein Lieblingsspanier nicht die Person, die er treffen wollte. Was daran lag, dass er niemanden treffen wollte. Nicht mehr. Aus Gründen, die er doch eh niemandem nennen konnte.
„Was ist los? Wieso rennst du einfach an mir vorbei?", wollte Carlos von ihm wissen, was ihn direkt seufzen ließ. Es war schwer, ihm die kalte Schulter zu zeigen, nachdem sie lange so gut befreundet waren. Er hatte sogar ein bisschen mehr als Freundschaft für Carlos empfunden und gerade, als er sich dazu durchgerungen hatte, ihm mal davon zu erzählen, verließ er das Team. Einfach so. Weil Ferrari mit seinen Geldscheinen vor Carlos' Nase herumwedelte.
Widerlich. Was alle hier immer so für Geld taten. Gut. Er musste klug daherreden, wo sein Papa doch ein ziemliches Vermögen angehäuft hatte. Aber den Sprung in die Formel 1, den hatte er ganz alleine geschafft und sich nicht von Papa reinkaufen lassen. Auch, wenn es genug Menschen gab, die diese Geschichte nicht glauben wollten.
War ja nicht sein Problem, was Menschen glaubten und was nicht.

„Sorry", murmelte er nur.
Vor drei Jahren hätte er noch alles dafür getan, dass Carlos ihm über den Hotelflur nachgerannt kam und etwas mit ihm zu tun haben wollte. Jetzt tat das einfach weh und erinnerte ihn bloß daran, wie beschissen alles war, seit Carlos nicht mehr bei McLaren fuhr.
„Alles gut?", hakte Carlos nach und es war unerträglich, dass er sich wirklich Gedanken um ihn machte. Er wollte das nicht. Es wäre so viel leichter für ihn, wenn er Carlos ab jetzt einfach nur noch blöd finden könnte. Dann müsste er sich nicht mehr mit ihm beschäftigen und seinen verzweifelten Wünschen, mehr haben zu können. Carlos war der erste Mensch, dem er begegnet war, der ihn zu verstehen schien und zu dem er einen ganz besonderen Draht hatte. Klar, Verträge änderten sich und am Ende musste jeder sehen, wo er blieb.
Er hätte sicher mehr Verständnis für Carlos gehabt, wenn es bei McLaren beschissen gelaufen wäre. Aber sie hatten echt zwei tolle Jahre gehabt und es hatte sich angefühlt, als würden sie das Team gemeinsam richtig voranbringen können. Irgendwie hatte er schon vor seinem geistigen Auge gesehen, wie sie sich Saison für Saison dichter an Mercedes heranschieben würden und irgendwann gemeinsam um Titel fahren konnten.
Und dann verpisste Carlos sich einfach zu Ferrari. Dieser Blödmann!

„Ja", wiegelte er also ab.
Er hatte echt keinen Bock darauf, Carlos etwas zu erklären. Konnte er auch nicht. Wenn er darüber redete...
„Bist du sicher?"
Er verdrehte innerlich die Augen. Wieso musste der Kerl so furchtbar penetrant sein? Schon klar warum. Nur wusste er echt nicht, wohin mit den ganzen Gefühlen, die Carlos' Anwesenheit in ihm aufwirbelte.
„Echt jetzt? Hältst du mich immer noch für ein unmündiges Kind?", schlug er Carlos um die Ohren und er hasste es so sehr, sich so zu verhalten. Es war ihm zwar nie besonders schwergefallen, Leute anzukacken, aber bei Carlos war es eben was anderes. Den stieß er nicht gerne von sich, aber er sah keinen anderen Ausweg.
„Für sowas hab ich dich nie gehalten. Aber du bist immer so kurz angebunden und desinteressiert an allem", musste Carlos auch noch Verständnis für ihn zeigen. Was sollte das? Wieso waren alle immer noch bemüht um ihn?
Carlos, Daniel... Jetzt Oscar...
Alle versuchten rauszufinden, was los war, dabei machte er sie alle doch nur so doof an, damit sie ihn in Frieden ließen. Das war nämlich für sie alle das Beste.

„Und?", zuckte er nur mit den Schultern.
Er versuchte so gleichgültig wie möglich zu klingen und er hasste es zu sehen, dass er Carlos damit verletzte. Das wollte er überhaupt nicht. Er wollte das alles nicht mehr. Er verzweifelte jeden Tag mehr an dieser verfahrenen Situation.
„Komm schon. Das bist doch nicht du. Wo ist denn der fröhliche Lando, mit dem ich immer so viel Quatsch gemacht hab?", musste Carlos auch noch an die guten alten Zeiten erinnern. Das war so unerträglich...
„Der ist schreiend weggelaufen, als du Depp zu Ferrari gekrochen bist!", knallte er ihm direkt an den Kopf. Wie deutlich musste er werden, damit Carlos seine Bemühungen endlich mal aufgab?
„Bist du immer noch sauer?", fragte der ihn nur arglos.
„Enttäuscht. Dass du zu denen gehst. Wie alle. Ob das Team was taugt oder nicht, ist ja egal. Hauptsache man ist mal in Rot gefahren, nicht wahr?" Das störte ihn tatsächlich am meisten und da musste er zumindest nicht lügen, um Carlos das vorzuwerfen.

„Das ist ziemlich albern und kindisch, findest du nicht?", wunderte Carlos sich mal wieder über seine heftige Reaktion. Gott, wieso konnte der nicht einfach auf seinem Hotelzimmer bleiben und seine Isabel bumsen?
Die waren zwar nicht mehr zusammen, aber das war bestenfalls ein Grund und kein Hindernis und ihm auch völlig egal!
„Du reagierst auch schon wie jeder andere, wenn man dir die Wahrheit sagt", entgegnete er, weiterhin darauf bedacht, sich möglichst unversöhnlich zu benehmen, damit Carlos seine Versuche endlich mal aufgeben würde.
„Das ist nicht gerade fair." Verdammt, ja! Es war nicht fair! Nichts war fair, aber wen zur Hölle interessierte das denn?
„Das ist mir egal. Die Welt ist nicht fair", platzte es aus ihm heraus.
„Lando-"
„Lass mich in Ruhe, Carlos. Echt." Deutlicher konnte er es doch nicht mehr sagen.
„Okay. Meld dich, wenn du's dir mal anders überlegst."
Es war zum aus der Haut fahren, wie Carlos immer wieder freundlich und nett blieb und der Freund, den er kennen und lieben gelernt hatte. Das machte alles so unendlich viel schwerer, als es doch sowieso schon war.

Papaya ClashesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt