Top Secret
Kapitel 13
England
10. Juni 2023
Oscar
„Hallo?"
Es brauchte Marks Hand, die vor seinem Gesicht herumwedelte, damit er in die Gegenwart zurückkehrte.
„Hm?" Deutlicher konnte er wohl nicht machen, dass er nicht so richtig zugehört hatte. Ihm durfte wohl klar sein, dass sein Manager das sofort bemerkte. Der war nicht blind und sie kannten sich deutlich länger, als den Medien klar war.
„Beruhigend. Wenigstens in ein paar Dingen benimmst du dich deinem Alter entsprechend", kommentierte Mark und lehnte sich auf seinem Platz wieder zurück.
Er besuchte ihn hier nicht zum ersten Mal. Er war schon häufiger bei Mark und Ann gewesen. Es war gut, sie zu kennen und jemanden zu haben, mit dem man sprechen konnte, wenn man mal nicht weiterwusste. Wenn einem die englischen Gepflogenheiten Probleme machten oder der Vermieter einem Stress machen wollte. Hierher zu kommen bedeutete, schneller erwachsen zu werden und ohne Marks und Anns Unterstützung, wäre das verdammt schwierig geworden.
„Hä?", machte er im ersten Moment, weil er nicht gleich folgen konnte, bis ihm aufging, dass Mark darauf anspielte, dass junge Leute meist nicht bei der Sache waren, wenn sie am Wochenende irgendwo versackt waren. Und da er sonst so diszipliniert war, fiel das natürlich auf. „Ach so... Nein. So ist das nicht. Ich hab nicht gefeiert."
„Das hättest du gar nicht sagen müssen", schien Mark das ganze wie üblich sehr locker zu sehen. Das wunderte ihn nicht. Schließlich hatte er von ein paar Wegbegleitern seines Managers auch schon Geschichten über die jüngere Version von ihm gehört und ihn in der Zwischenzeit auch gut kennengelernt.
„Wirklich", betonte er dennoch. Schließlich war er wirklich nicht feiern gewesen, sondern hatte die ganze Nacht damit verbracht, mit Lando zu telefonieren, beziehungsweise, sich über dessen Worte Gedanken zu machen. Ein spontan aufkommendes Gähnen ließ ihn auch nicht wacher wirken. Da konnte er keinem etwas vormachen.
„Na gut, aber die Schatten unter deinen Augen sagen, dass deine Nacht nicht so toll war", deutete Mark noch an. Den Teil, mit der Verantwortung nahm Mark wohl verdammt ernst, obwohl er ja schon längst volljährig war. Er wusste selbstverständlich wieso, schob die Gedanken aber lieber beiseite. Er war nicht hier, um das wieder zum Thema zu machen.
„Ja, aber es ist alles okay. Ich konnte nur nicht schlafen", antwortete er. Das war nicht gelogen und verriet nicht gleich den Grund. Lando schien sich schwer damit zu tun, mit irgendwem zu reden, da sollte er besser alles für sich behalten. Sonst gab er seinem Teamkollegen direkt den nächsten Grund, um sauer auf ihn zu sein.
„Wenn's Probleme gibt, dann weißt du, wie du mich erreichen kannst", erinnerte Mark ihn noch, aber das wäre ja albern.
„Ich ruf dich aber nicht mitten in der Nacht an, weil ich nicht schlafen kann. Ich bin nicht acht", stellte er also klar, dass es wirklich keine große Sache war. Er wollte nicht in die Verlegenheit kommen, mehr erzählen zu müssen, doch Mark schien nicht nachbohren zu wollen.
„Sehr beruhigend", kam es nur zurück.
Eine gute Eigenschaft an Mark. Er mischte sich nicht dauernd in alles ein, ließ einen machen und seine Erfahrungen sammeln. Er war aber jeder Zeit da, um einem zu helfen, wenn man nicht mehr wusste, was man tun sollte. Eigentlich schade, dass er selbst keine Kinder hatte. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass Mark ein verdammt guter Vater geworden wäre.
Obwohl Ann aus ihrer ersten Ehe einen Sohn hatte, war der Altersunterschied einfach zu klein, als dass Mark jemals eine Vaterfigur für den Jungen hätte sein können.
Zwischen Mark und Ann lagen immerhin zweiundzwanzig Jahre Altersunterschied. Die Anzahl an Jahren, die er selbst gerade mal auf der Welt war. Selbstverständlich hatte er von den Schlagzeilen damals nie etwas mitbekommen, weil er noch gar nicht auf der Welt gewesen war. Doch die Sache war ziemlich brisant gewesen, wie er erfahren hatte. Ann war ihrer Zeit nämlich Marks Managerin gewesen und bedachte man, dass sie heute schon beinahe dreißig Jahre zusammen waren...
Aber Tatsache war, dass sie noch zusammen waren und dass es damit wohl nicht bloß kurz aufflammendes Verlangen gewesen sein konnte. Mark hatte ihm selbst mal gesagt, dass Ann wie eine Seelenverwandte war und er einfach wusste, dass es eine solche Person für einen nur ein einziges Mal auf der Welt geben kann. Eins der ernsteren Gespräche, die sie geführt hatten.
Er fragte sich, ob Mark bei einer so bewegten Karriere nicht auch noch andere nützliche Tipps für ihn haben könnte. Wie es aussah, wusste er über sehr viele Dinge aus Erfahrung Bescheid und er hatte ihm noch nie etwas geraten, was ihm nicht weitergeholfen hatte. Und was die Sache mit Lando betraf, war er sich noch nicht sicher, ob er das alleine hinbekommen konnte. Selbstverständlich musste er unbedingt darauf achten, keinem etwas über ihn zu sagen, sonst ging das auf kosten des zerbrechlichen Vertrauens.
„Hattest du eigentlich mal richtige Probleme mit deinem Teamkollegen?", kam es ihm kurzum über die Lippen. Er hatte nicht so richtig drüber nachgedacht. Es war ein spontaner Gedanke und dass Lando und er sich in letzter Zeit oft angestresst hatten, war nun einmal kein Geheimnis im Team. Leider. Er ärgerte sich immer noch, dass er den Provokationen nachgegeben hatte, ausgerechnet als Zak und Andrea um die Ecke kamen.
„Echt jetzt?", wurde er zurückgefragt und zwei Sekunden später fiel ihm ja auch wieder ein, wie großartig Marks Zeiten bei Red Bull gewesen sein mussten, als er Vettel bei seinen vier Weltmeistertiteln unterstützen musste.
„Ach ja... Okay. Dumme Frage", erkannte er, dass er sich das hätte sparen können. Natürlich gab es da Probleme. Multi einundzwanzig würde wohl niemand mehr vergessen, der es miterlebt hatte. Er hatte es damals ja selbst noch als Kind vor dem Fernseher verfolgt.
„Ganz und gar nicht. Lass uns drüber reden", war Mark aber wie immer offen für Fragen und Gespräche. Warum auch nicht? Sie hatten noch Zeit und die Hunde lagen ohnehin ausgestreckt der Veranda. Die hatten so schnell auch kein Interesse an einer zweiten Gassi-Runde. Dafür war es viel zu warm.
Er überlegte kurz, wie er das Thema angehen wollte.
„Wie war das denn mit dem damals? War es nur die Rivalität oder stand da mehr zwischen euch?" Er war sich noch nicht ganz sicher, ob ihm eine Antwort darauf helfen würde, aber vielleicht ergab sich aus dem Gespräch etwas Hilfreiches. Sowas konnte man vorher meist schlecht voraussagen. Aber davon abgesehen interessierte es ihn auch unabhängig davon, wie es gewesen war und wie Mark mit den Schwierigkeiten umgegangen war.
„Seb war gut darin, Streit zu provozieren. Keine Ahnung, ob ihm das je bewusst war", begann Mark ihm zu erklären und das erinnerte ihn tatsächlich direkt an Landos Verhalten ihm gegenüber. „An Taktik glaub ich nicht, auch wenn ich oft den Eindruck hatte. Heute, mit etwas Abstand würde ich sagen, er war einfach ein junger, egoistischer Fahrer, der nur den besten Weg für sich selbst gegangen ist, so wie es jeder tun sollte."
Gut, er hätte auch nicht damit gerechnet, dass Mark derart nachtragend oder von sich selbst begeistert war, dass er nun deswegen eine lebenslange Fehde aufrechterhalten wollte. Wofür auch? Das lag schließlich längst hinter ihnen.
„Was war mit Malaysia?", schnitt er mal direkt den bekanntesten Zwischenfall zwischen Mark und seinem damaligen Teamkollegen an. Immerhin war es das letzte Rennen, welches Mark aus eigener Kraft hätte gewinnen können und die Anweisung des Teams war klar und deutlich gewesen. Vettel hatte nicht angreifen sollen, doch er wollte den Sieg selbst und ignorierte das. Bis Mark nachgab, weil er überzeugt war, wenn das so weiterginge, würden sie sich am Ende nur in die Karre fahren.
„Er hat um seinen vierten Titel gekämpft. Die Saison fing gerade an und wir mussten beide ein gutes Rennen fahren, um den Titel zu holen. Es war alles offen. Da mag es niemand, wenn sich das Team einmischt", hielt Mark den Blickwinkel darauf ziemlich nüchtern und neutral, wie man es meistens vor der Presse auch tat.
„Du hast Platz gemacht, damit ihr euch nicht ins Auto fährt", erinnerte er sich an die Aussage, die Mark damals vor den Kameras selbst abgegeben hatte. Bei Vettels aggressivem Vorgehen, hätte es wohl durchaus sein können. Trotzdem erinnerte er sich noch, dass er damals als Kind ein wenig enttäuscht gewesen war.
Klar, damals wusste er über Taktiken noch nicht viel. Damals war Mark für ihn einfach ein australischer Rennfahrer gewesen. Ein Vorbild für das, was er selbst auch erreichen wollte und natürlich hatte er immer gehofft, dass er sich zumindest ein einziges Mal gegen Vettel durchsetzen könnte. Das war leider nie passiert. Dass man manchmal auch im Sinne des Teams handeln musste, fiel ihm ja bis heute schwer zu akzeptieren, doch er hatte dazu gelernt.
„Damals hatte ich meinen Stand im Team schon", erinnerte Mark daran, dass es bei Red Bull immer nur einen Fahrer gab, der den kompletten Rückhalt erhielt. Das wurde nach außen gerne anders dargestellt, doch im Grunde war es jedem klar. Man hatte oft genug gesehen, wie schwer es für einen Fahrer wurde, wenn er zum Helfer für den Teamkollegen gemacht wurde. Auf der anderen Seite ging es natürlich manchmal nicht anders.
„Hast du an dem Punkt aufgegeben?"
Früher hätte er sich nie getraut, Mark eine solche Frage zu stellen. Aber sie kannten sich gut genug, um da ganz offen und ehrlich miteinander zu sein und er wollte es wissen. Er wusste nicht, wie seine eigene Karriere verlaufen würde. Der Start war gar nicht schlecht. Bis jetzt. Er könnte mit vielen Situationen konfrontiert werden und da konnte man nicht genug wissen.
„Ich hab gewusst, dass ich den Platz nicht halte, wenn er ernstmacht. Entweder, ich hätte mich einfach überholen lassen und es geschluckt oder riskiert, dass wir so lange fighten, bis wir uns ins Auto fahren. Dann wären die Punkte weggewesen", führte Mark aus.
„Also warst du der Teamplayer", stellte er fest, wobei das eher wie eine Frage klang.
„Sag du es mir? Wie würdest du dich entscheiden?", bekam er eine Gegenfrage und er bemerkte schon, wie schwierig es zu beantworten war, wenn man erst ein paar Blickwinkel mehr auf eine Sache bekam.
„Hm...", machte er also nachdenklich.
„Gar nicht leicht, oder? Man kann Dinge immer auf die eine oder die andere Art sehen. Hier ist selten etwas so, wie es scheint", brachte Mark die Problematik auf den Punkt und gab ihm damit noch mehr, worüber er nachdenken konnte.
„Glaubst du, es ist schlau zu sehen, was hinter dem Schein steckt?", wollte er also wissen.
Wenn er das auf Lando bezog, hatte er eben auch das Gefühl, dass es da viel gab, was er niemandem preisgeben wollte. Es setzte ihm augenscheinlich zu und er hatte nun eine ganze Weile den Verdacht, dass sein ätzendes Verhalten etwas verbergen sollte.
„Das kommt wohl ganz auf die Situation an", gab Mark zu bedenken, was ihn jetzt doch mal leicht schnauben ließ. Mehr belustigt, denn das klang schon wieder nach einem Interview.
„Du weichst mir gerne aus, oder?"
Mark schmunzelte. Es fiel ihm wohl auch selbst auf, dass das jetzt sehr kryptisch gewesen war. Er hob nur die Schultern und meinte: „Das ist alles gute Vorbereitung für dich."
„Schon klar."
Das war Mark von Anfang an wichtig gewesen. Ihm zu zeigen, dass man nicht naiv und blauäugig in diesen Sport gehen durfte und dass die Formel 1 einem Haifischbecken glich. Wenn er nicht in der Lage war, sich eigene Gedanken zu machen und sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen, konnte das ein sehr gefährlicher Ort sein.
„Macht Lando dir Probleme?", wollte Mark von ihm wissen.
Ein bisschen was davon hatte er natürlich mitbekommen. Mark müsste auch komplett blind und blöd sein um nicht zu bemerken, dass die Stimmung zwischen Lando und ihm angespannt war. Aber er wollte das nach wie vor auch nicht überbewerten oder jetzt gar bei seinem Manager petzen, wie doof Lando sich tatsächlich verhielt.
„Nein, nicht wirklich", sagte er also. Ein Problem bekam er erst, wenn Lando ihn weiterhin vor Zak und Andrea in Schwierigkeiten brachte. Wenn das passierte, dann musste er seine Strategie ändern. Aber soweit war es noch nicht.
„Er ist ein ziemlich starker Gegner. Versuch einfach dran zu bleiben", unternahm Mark auch diesmal nicht den Versuch, unbedingt mehr aus ihm herauszuquetschen. Das machte diese Unterhaltungen immer so angenehm und hilfreich.
„Mach ich auch. Seine Seitenhiebe nerven ganz schön. Hast du eine Idee, wie man dagegen ankommt?", probierte er es dennoch mal auf die Weise. Er wollte das Problem alleine lösen und nicht, dass sich da irgendwer einmischte. Das würde nur peinlich werden. Außerdem konnte er so zeigen, dass Marks Eindruck ihn nicht täuschte und durchaus etwas los war, ohne Lando direkt in die Pfanne zu hauen.
„Bleib einfach cool, wie immer und behalte im Hinterkopf, dass hier jeder so seine Probleme hat", lautete der Ratschlag dazu und das war durchaus interessant. Ihm entging nicht, was Mark da andeutete.
„Also glaubst du, er hat welche?", zögerte er nur einen kurzen Moment, das zu vertiefen.
Hatte Mark diesen Eindruck etwa auch gewonnen? Oder wusste er sogar ein bisschen mehr? Er konnte sich schon vorstellen, dass es Dinge gab, die Fahrern einfach zu schaffen machten. Möglicherweise hatte Mark auch damit so seine Erfahrung gemacht.
„Wer hat die nicht? Ich glaube nur, man darf sich hier nicht zu viele Gedanken machen. Der Sport ist hart genug. Es würde mich wundern, wenn bei den anderen immer alles okay ist", konkretisierte Mark das nicht, nur war da selbstverständlich viel Wahres dran. Man konnte den Leuten ja nur bis vor den Kopf gucken und inzwischen fuhr er lange genug im Formel-Sport um sich vorstellen zu können, dass da nicht immer alles spaßig und toll war.
„Stimmt." Das konnte er also nicht bestreiten. Da stellte sich aber immer noch die Frage, was genau mit Lando los war. Er hätte seine Antworten am liebsten sofort, nur wenn man Lando dazu bringen wollte, hielt man sich vermutlich besser zurück. Er hatte ja nun schon ein paar Mal erlebt, wie heftig sich seine Stimmung verändern konnte.
„Aber wenn es zu viel wird, sag uns das", fügte Mark noch hinzu und hatte dabei wieder die besorgte Miene eines Mannes, der das ganze Theater schon einmal durchlebt hatte.
„Inwiefern?"
Auch hinter dieser Andeutung steckte wohl noch ein bisschen mehr.
„Mir ist klar, dass Lando nicht ohne ist. Daniels Schwachstellen hat er auch sehr schnell gefunden und eiskalt ausgenutzt und gegen ihn verwendet", erinnerte Mark ihn daran, dass Lando das ja nicht nur mit ihm so machte. Vielleicht sollte er trotz der Dinge, die er jetzt wusste noch auf der Hut sein.
„Okay. Ich pass auf", versprach er.
„Was sonst?"
Er warf einen raschen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass mehr Zeit vergangen war, als ihm lieb war. Ein bisschen zu schnell richtete er sich auf und zog sofort die Aufmerksamkeit von drei Hunden auf sich, gefolgten von einem etwas verwunderten Blick seines Managers, als er nur verkündete: „Na gut. Ich hau mal lieber ab, wenn nichts mehr ist."
Etwas, was Mark sofort durchschaute.
„Wegen Ann?"
Er hatte sich ja vorgenommen, sich nicht mehr so schnell in Verlegenheit bringen zu lassen, aber es war eben etwas kompliziert.
„Naja...", setzte er an, weil er sich schon etwas ertappt fühlte.
Mark warf ihm einen langen Blick zu, bevor er ihn mit einer Handbewegung aufforderte: „Setz dich noch mal." Gut, das wollte er eigentlich nicht, aber er konnte das auch schlecht ablehnen, also kam er dem lieber rasch nach. „Du musst dir wegen ihr wirklich keine Gedanken mehr machen."
Das sagte sich so leicht. „Tu ich aber", gab er ehrlich zu, dass die Sache einfach nach wie vor ein bisschen seltsam war. Er verdankte beiden viel, das stand außer Frage, nur...
„Musst du nicht. Es ist alles geklärt und es wird nicht mehr vorkommen", stellte Mark noch einmal klar.
„Ja."
Was sollte er sagen?
Ihm war dabei nicht wohl.
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Papaya Clashes
Фанфик⊱ Er sparte sich lange Begrüßungen und Erklärungen lieber gleich, als er Lando abpasste. Das war der letzte Versuch, den er unternehmen würde, um im Sinne des Teams besser mit ihm auszukommen. Wenn er ihm jetzt wieder blöd kam, dann würde er sich um...