III

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Nach einer unterhaltsamen Fahrt, bei der Hagrid ihr alles mögliche über Hogwarts erzählt hatte, kamen sie am Bahnhof Kings Cross an und marschierten zu den Gleisen neun und zehn. Ihr Gepäck hatte sie auf einem Gepäckwagen, welchen sie vor sich herschob.
"Nun gut, Callisto, unsere Wege trennen sich hier vorübergehend.", sagte Hagrid, als sie neben einer Backsteinmauer standen. "Ich-"
Auf einmal erklang eine Frauenstimme, die ihre Kinder zur Eile anhielt.
"Na los, na los. Bill, du als erster. Viel Spaß im letzten Schuljahr.", daraufhin sah Callisto, wie ein großer, rothaariger Junge auf die Mauer zurannte, als wäre er nicht mehr ganz bei Verstand. Doch anstatt, dass er dagegen krachte, wie sie es erwartet hätte, verschwand er nur auf einmal.
"Oh, die Weasleys!", rief Hagrid erleichtert. "Molly!"
Die Frau, die ebenso rote Haare hatte wie die Kinder, die um sie herum standen, sah an der Mauer vorbei zu Hagrid und Callisto. Einen Moment lächelte sie Hagrid an, dann sah sie zu dem Mädchen, und für einen Moment erstarb ihr Lächeln.
"Molly, das ist Callisto. Eine-"
"Eine Black.", beendete sie den Satz. "Bei Merlin's Bart, du siehst deinem Bruder unfassbar ähnlich."
"Ich weiß, Ma'am.", antwortete sie.
Daraufhin begann Molly, die ein kleines rothaariges Mädchen auf dem Arm hatte, zu lächeln. "Naja, zum Glück bist du nicht er, nicht wahr?"
"Molly, könntest du sie mit auf Gleis 9 3/4 nehmen? Ich muss jetzt nämlich los, aber sie war ja noch nie da."
Sofort nickte die Frau. "Aber natürlich, natürlich. Komm her, Kindchen. Du bist dann wohl so alt wie Percy hier.", sie deutete auf einen ordentlich gekleideten, aufrecht stehenden Jungen der aus jeder Pore seines Körpers "Spießer" schrie. "Na los, Charlie. Du bist dran.", forderte sie den nächsten Sohn auf.
"Na gut.", sagte Hagrid plötzlich. "Du bist jetzt in guten Händen, Callisto, ich verabschiede mich."
"Danke, Hagrid. Wir sehen uns in Hogwarts.", rief sie ihm nach und winkte.
"Callisto, jetzt du. Einfach darauf zulaufen, vertrau der Magie.", wies Mrs Weasley sie an und ehe sie zweimal darüber nachdenken konnte, rannte Callisto mit ihrem Gepäckwagen auf die Mauer zu und verschwand. Auf der anderen Seite stolperte sie auf ein Gleis und krachte beinahe mit dem Jungen zusammen, den Mrs Weasley Bill genannt hatte.
"Vorsicht.", lachte er und hielt ihren Wagen fest, damit sie nicht vor den Zug fiel, welcher dort auf den Gleisen stand. "Charlie hat gesagt, du wärst eine Black?", fragte er dann neugierig.
Callisto sah ihn an. "Ja, bin ich. Sirius und Regulus sind meine Brüder. Also, Regulus ist gestorben, aber Sirius ist mein Bruder."
Er nickte. "Ah, wo sind denn meine Marineren?", fragte er dann. "Mein Name ist Bill Weasley, das ist mein Bruder Charlie Weasley und unser Bruder Percy Weasley sollte auch gleich kommen."
"Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen.", lächelte Callisto und hoffte inständig, dass sie die Jungs nicht gleich vergraulen würde. Zwar hatte sie nie direkt Probleme gehabt, Freunde zu finden, allerdings hatte sie auch nie eine beste Freundin oder einen besten Freund gehabt. Immer nur ein paar Leute, die sie bei sich tolerierten.
"Wusstest du, wir sind über ein paar Ecken verwandt.", erzählte Bill gerade, da tauchte Percy mit seinem Gepäckwagen auf.
Überrascht blinzelte Callisto. Sie hatte nicht gewusst, dass sie mit den Weasleys verwandt war. Woher hätte sie es auch wissen sollen?
"Na gut, Kinder.", sagte auf einmal Mrs Weasley, die auch durch die Mauer gekommen war. "Ich würde auch noch warten, bis der Zug abfährt, aber die Zwillinge sind mit Ron alleine zuhause. Und das könnte böse enden. Ich wünsche euch allen viel Erfolg, benehmt euch. Und Percy? Hab ein bisschen Spaß."
Sie gab ihren drei Söhnen einen Schmatzer auf die Wange, wobei Bill und Charlie sich zu ihr hinunter beugen mussten, weil sie beide größer als ihre Mutter waren.
"Auch dir, Callisto, wünsche ich ein tolles erstes Jahr.", lächelte sie dann. "Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht für dich war. Und auch nicht leichter wird. Aber vergiss nicht, Black ist nur ein Name. Du entscheidest wer du bist."
Callisto nickte dankbar, denn auch wenn sie nicht verstand, weshalb ihr Name so schlimm sein sollte, aber die netten Worte gaben ihr ein wenig Mut. Da die Weasley Brüder schon losgegangen waren, um sich Plätze im Zug zu suchen, beeilte sie sich, ihnen zu folgen. Denn auch wenn sie vieles von Sirius erzählt bekommen hatte, erinnerte sie sich nicht annähernd an alles, und von vielen Dingen hatte sie auch gar keine Ahnung.
Ihr war klar, dass sie mit Sicherheit auf einige Leute treffen würde, die ihr feindlich gesinnt waren. Einfach nur, weil ihr Bruder ein vermeintlicher Mörder war. Aber sie war überzeugt, solange sie fest an seine Unschuld glaubte, würden ihr Worte nichts anhaben können.
"Hey, Callisto.", wurde sie auf einmal von Bill angesprochen. "Möchtest du bei uns im Abteil sitzen? Dann bist du nicht so alleine."
Ohne zu zögern nickte sie. "Ja, das wäre nett."
Und kurz darauf saß sie neben Percy, gegenüber von Bill und Charlie, in einem Zugabteil und unterhielt sich darüber, was bisher so in der Schule passiert war. Doch plötzlich fiel Charlie, der nun in sein fünftes Schuljahr kam, etwas ein.
"Sag mal, kennst du die Potters?"
Callisto nickte. "Ich kannte sie, ja."
"Kennst du also auch Harry, den Sohn? Den Jungen, der lebt?"
"Ja, ich kenne Harry. Tatsächlich bin ich in jener Nacht, als Ihr-Wisst-Schon-Wer James und Lily umgebracht hat, bei den Potters zu Besuch gewesen, und habe mit Harry Bauklötze gespielt."
Beeindruckt sahen die Brüder sie an.
"Und... hast du Den-Dessen-Namen-Nicht-Genannt-Werden-Darf... hast du ihn gesehen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich... James hat gesagt, er wolle Verstecken mit mir spielen und hat mich in den Keller geschickt. Ich habe in einem Schrank gesessen, als es passiert ist.", erzählte sie leise und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Sie weinte nicht gerne und nicht oft, allerdings war es gerade das erste Mal, dass sie jemandem von jener Nacht erzählte.
Bill, der ihr gegenüber saß, legte eine Hand auf ihr Knie und als sie aufblickte, lächelte er sie aufmunternd an. "Wir können also von Glück sprechen, dass du noch lebst, und jetzt hier bist."
Dankbar nickte sie.
"Na sie mal einer an.", erklang auf einmal eine hämische Stimme, und alle vier wandten sich der Türe zu, wo eine Gruppe Leute in gemischten Alter stand. Der Junge, der ganz vorne gestanden hatte und auch gesprochen, hatte hellbraune Haare, dunkle Augen und eine Ausstrahlung die man nicht mal mehr selbstbewusst, sondern einfach arrogant beschreiben musste. "Was sie sagen ist also wahr. Die Weasleys geben sich also nun schon mit der Schwester eines Mörders ab."
"Evert Raywood.", Charlie sagte den Namen mit einem abwertenden Unterton. "Was willst du?"
"Ich wollte meinem Bruder Clay nur zeigen, mit welchem Gesindel er sich bloß nicht abgeben sollte.", erklärte der Junge großspurig. "Von den Weasleys solltest du dich fernhalten, Clay, man weiß nie, welche Krankheit man sich bei denen einfängt."
Wütend sprang Charlie auf und es war nur Bills Reflexen zu verdanken, dass sein Bruder nicht auf den Jungen losging.
"Charlie, reiß dich zusammen!", mahnte Bill ihn. "Wir sind noch nicht einmal in Hogwarts angekommen, da willst du nicht direkt Stress machen."
"Genau, Charlie.", lachte Evert. Dann wandte er sich an Callisto. "Und das ist eine Black. Bei ihr würde ich auch aufpassen. Nicht, dass sie einen am Ende an den dunklen Lord verpfeift, so wie ihr nichtsnütziger Bruder es mit den Potters getan hat."
Da platzte auch Callisto die Hutschnur und sie sprang auf. "Nimm zurück, was du über meinen Bruder gesagt hast!", rief sie und war mehr als bereit, sich mit der ganzen Gruppe zu prügeln. Früher, im Waisenhaus, war sie auch das ein oder andere Mal in Prügeleien geraten, also wusste sie, worauf sie sich einließ.
Percy sprach nun das erste Mal mit ihr. "Callisto, das gilt auch für dich.", sagte er, und hielt sie am Arm fest. "Sie sind es nicht wert, dass du dir die Mühe machst, mit ihnen zu streiten."
Sie schnaubte verächtlich und die Raywood Brüder, mit ihrem Gefolge, zogen lachend ab. Als sie weg waren, schloss Bill die Türe wieder und sah die drei jüngeren ernst an.
"Ich kann verstehen, dass ihr den Raywoods Vernunft einprügeln wollt. Sie hätten es verdient, daran besteht kein Zweifel. Aber tut euch selber und mir auch den Gefallen, und lasst es. Es bringt uns nichts als unnötigen Ärger, einverstanden?"
Alle murmelten einvernehmliche Zustimmung und in diesem Moment war Callisto sehr dankbar, dass sie gerad auf diese Familie am Bahnsteig getroffen war. 

Painful Truth // Remus Lupin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt