Den Abend verbrachten die Geschwister gemütlich bei provisorischem Essen vor dem Kamin und unterhielten sich. Callisto hatte zwölf Lebensjahre, die Sirius verpasst hatte, über welche sie berichten konnte, sodass ihnen nicht langweilig wurde.
Sie konnte schon bald nach ihrem Erwachen wieder sitzen und auch herumlaufen, auch wenn sie jede Bewegung in ihrem Arm spürte. Allerdings musste sie sich auch nicht viel bewegen, weil Sirius sofort aufsprang, wenn sie etwas haben wollte. Das war ihr zwar ein wenig unangenehm, aber er bestand darauf, weil er meinte, dass es seine Pflicht, als großer Bruder war, dafür zu sorgen, dass sie sich bei ihm auskurieren konnte, wenn sie verletzt war.
Das Obergeschoss der heulenden Hütte hatte exakt zwei Räume. Ein Wohnbereich und einen Flur. In dem Wohnbereich gab es einen Tisch, einen Kamin, ein Sofa und ein Bett, sowie drei Stühle. Aber das war es auch schon wieder.
Irgendwann, als die Sonne schon längst untergegangen war, hatte sie sich ins Bett gelegt, welches Sirius an sie abgetreten hatte, weil er meinte, dass er genauso gut auf dem Sofa schlafen konnte.
Sie war schnell eingeschlafen, denn es hatte sich bemerkbar gemacht, dass sie die vorherige Nacht gar nicht geschlafen hatte.
Mitten in der Nacht jedoch wurde sie von gedämpften Stimme geweckt. Sie öffnete kurz die Augen, doch dann schloss sie sie sofort wieder, um zu lauschen.
"...und das Problem ist jetzt welches?", fragte ihr Bruder gerade.
"Sirius, ein Mensch kann den Wolf nur ruhig halten, wenn eine starke emotionale Bindung vorhanden ist.", antwortete eine andere Stimme, und sofort erkannte Callisto Remus. Ihr Herz schlug ein wenig schneller.
"Das weiß ich selber, danke. Aber wo ist das Problem? Ihr seid einander wichtig, das weißt du ja wohl besser als ich."
"Ja, aber sich wichtig zu sein, reicht nicht aus, um den Wolf zu bändigen! Sirius, dafür muss man seelenverwandt sein!"
Darauf antwortete ihr Bruder nicht, und auch Callisto spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte.
Irgendwann fuhr Remus fort: "Ich habe grundsätzlich ja kein Problem damit. Callisto ist... sie ist mir sehr wichtig geworden. Es gibt nichts, was ich nicht tun würde, um ihr Wohlergehen zu sichern. Aber eben das ist das Problem. Ich bin ein Werwolf. In meiner Nähe wird sie niemals sicher sein."
"Ich glaube, du weißt besser als ich, dass du ihr das nicht verklickern kannst. Was möchtest du tun? In einer Nacht und Nebel Aktion aus ihrem Leben verschwinden, als wärst du in den letzten Jahren nicht ihre Vertrauensperson Nummer eins geworden?"
"Nein, natürlich nicht...", murmelte Remus, doch anhand seiner Tonlage ließ sich sagen, dass er mit genau diesem Gedanken gespielt hatte. "Aber... ich kann auch nicht riskieren, dass sie sich noch einmal so in Gefahr bringt. Sie hätte gestern im Wald sterben können. Ich hätte sie um ein Haar getötet!"
Daraufhin schwiegen sie noch einen Moment, bis Sirius tief einatmete.
"Ich weiß, es tut weh, Moony, aber es ist die Wahrheit. Seelenverwandte lassen sich nicht mal eben so trennen. Das ist etwas, worauf wir keinen Einfluss haben. Du könntest weggehen, ja. Aber ihr würdet euch wiederfinden."
Sie schwiegen erneut, und dieses Mal so lange, dass Callisto beinahe wieder eingeschlafen wäre, bevor sie eine Antwort gehört hatte.
"Du hast ja recht...", sagte Remus dann auf einmal. "Aber, bitte, Tatze, sag es ihr nicht. Sie soll die Chancen eines jeden jungen Menschen bekommen, und nicht davon beeinflusst werden, dass unsere Seelen verbunden sind. Und solange sie das nicht weiß, wird es kaum Einfluss auf ihr Leben nehmen."
"Natürlich, Moony. Wenn es das ist, was du möchtest, dann werde ich es ihr nicht sagen. Aber du weißt, dass sie nicht blöd ist."
"Nein, ist sie nicht. Und genau das ist das Problem."Am nächsten Morgen erwachte sie mit weniger Schmerzen als am Vortag. Ihr Arm tat noch immer weh, aber sie konnte sich wieder bewegen, ohne sofort Schwindelanfälle zu bekommen.
Daher beschloss Sirius, dass es in Ordnung war, wenn sie wieder in die Schule gehen würde, und ließ sie gehen.
"Pass auf dich auf, Pfötchen.", sagte er und sie umarmten sich zum Abschied.
Wie er Remus gestern versprochen hatte, hatte er ihr am Morgen nichts über seine nächtliche Unterhaltung mit ihm verraten, und hatte sich verhalten, als wäre nichts gewesen.
Als sie sich also umarmten hielt Callisto ihn ein wenig fester, als nötig, um noch einmal mehr Kraft aus der Umarmung zu schöpfen. Denn sie hatte im Gefühl, dass die nächste Zeit sehr schwierig werden würde.
Und da konnte sie alle Kraft gebrauchen, die sie bekommen konnte.Sie kam am frühen Vormittag an der Schule an und ging sogleich in den Krankenflügel, wo Madame Pomfrey sie, wie erwartet, wieder zusammensetzte. Sie fragte auch nicht, woher sie die Wunden hatte, und nach einer halben Stunde konnte Callisto den Krankenflügel wieder verlassen und in den Unterricht gehen, als wäre nichts gewesen.
Auf dem Flur begegnete sie Remus und grüßte ihn, jedoch rauschte er einfach an ihr vorbei, als hätte er sie gar nicht bemerkt. Verwundert sah sie ihm nach. Was war denn nun los?
Sie hatte als nächste Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste, und sie war durchaus nervös, wie Remus sich nun verhalten würde. Sein Verhalten im Flur war ja schon seltsam gewesen, doch vielleicht war er einfach gestresst gewesen und hatte sie tatsächlich übersehen.
Doch erst einmal war es Percy, der sie mit seinem Verhalten überraschte.
"Callisto, du bist wieder da.", bemerkte er, als sie in den Unterrichtsraum kam.
"Ja, bin ich.", antwortete sie und lächelte verhalten. Die beiden ehemaligen besten Freunde hatten seit Jahren nicht mehr vernünftig miteinander gesprochen. Und das, obwohl seine jüngeren Brüder ihre besten Freunde waren.
"Wo warst du?", fragte er, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
Sie seufzte innerlich. "Ich fürchte, dass ich dir das nicht sagen kann, Percy.", sagte sie dann. "Das könnte Professor Dumbledore wütend machen. Und das möchte ich nicht."
Sie fühlte sich kein Bisschen schlecht, ihren Schulleiter zum Sündenbock zu machen, denn im Endeffekt hatte sie nicht ganz Unrecht. Würde sie erzählen, dass einer ihrer Lehrer ein Werwolf war, würde Dumbledore sich bald einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste suchen dürfen.
In diesem Moment kam Remus in den Raum und lief an ihr vorbei.
"Guten Morgen, Professor.", sagten sie und Percy gleichzeitig.
"Guten Morgen, Mr Weasley.", sagte er, ignorierte Callisto dabei völlig und ging nach vorne zu seinem Pult. "Guten Morgen.", rief er in den Raum, und seine Stimme verriet nichts darüber, was in ihm vor sich ging. Genau genommen war es, als wäre nichts passiert. Er sah sich einmal in den Reihen seiner Schüler um, doch glitt sein Blick einfach über Callisto hinweg, als wäre sie gar nicht da.
Die Schüler murmelten ein monotones "Guten Morgen, Professor" und er begann mit seinem Unterricht.
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Painful Truth // Remus Lupin FF
FanfictionDie Schwester von Sirius Black ist neben dem berühmten Harry Potter die einzige, die den Angriff von Ihr-Wisst-Schon-Wem überlebt hat. Sie ist die einzige, die nicht daran glaubt, dass ihr Bruder jemanden ermordet hat, und nach Azkaban gehört. Außer...