XXXIV

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In dem Kuss lagen so viele unaussprechliche Gefühle, dass keiner der beiden es begreifen konnte. 
Sie standen noch immer im Verteidigung gegen die dunklen Künste Raum, Callisto hatte ihre Hände noch immer an seinen Wangen liegen und er hatte seine Hände mittlerweile an ihre Hüften gelegt, und hielt sie so an sich gedrückt.
Es war so natürlich, dass ihnen so vorkam, als würden sie einander ergänzen und vollenden. Als wären sie nur gemeinsam ein vollständiges Ganzes. Und in diesem Moment begriff Callisto, was es hieß, einen Seelenverwandten zu haben.
Doch irgendwann lösten sie sich voneinander. Jedoch brachten sie kaum Abstand zwischen sich und so spürten sie den stoßweise gehenden Atem des anderen.
Als er leise zu sprechen begann, konnte sie die Verzweiflung deutlich in seiner Stimme hören.
"Bitte...", flüsterte er und klang so hilflos dabei, dass es ihr fast das Herz brach. "Du machst einen Fehler. Ich bin zu alt, zu arm, zu... gefährlich für dich, Callisto. Tu mir nicht an, dass ich dich noch einmal verletze. Das könnte ich mir nicht verzeihen."
Sie sah ihn an und fuhr langsam die Narben in seinem Gesicht mit ihrem Finger ab. Er hielt sie noch immer an den Hüften und sie waren einander so nah, dass kaum mehr ein Blatt zwischen sie gepasst hätte. Von der Wut von vor wenigen Minuten war nichts mehr zu spüren.
"Du hast es selber gesagt.", flüsterte sie irgendwann. "Meine Seele ist an deine gebunden, ebenso wie deine an meine gebunden ist."
Nun ließ er sie los und ging zu seinem Pult, um sich verzweifelt darauf zu stützen. Er hob den Kopf und einige Strähnen seiner dunkelblonden Haare fielen in sein Gesicht, sodass er durch sie hindurchgucken musste, um Callisto anzusehen.
"Aber es ist falsch.", sagte er dann. "Selbst wenn du recht hast, und du hast recht, ist es noch immer falsch. Ich bin dein Lehrer und-"
"Sag mir, dass sich das gerade falsch angefühlt hat.", sagte sie mit einer plötzlichen Ruhe, die sie selber überraschte. Denn eigentlich schlug ihr Herz schneller, als es je zuvor geschlagen hatte. "Sag mir, dass es sich nicht richtig angefühlt hat, als wir in einem Bett geschlafen haben. Als wir zusammen im Wald saßen. Verdammt, es hat sich sogar richtig angefühlt, als du ein Wolf warst!"
Er ließ den Kopf wieder sinken. Und gerade, als er antworten wollte, kamen die ersten Schüler der nächsten Klasse herein, die hier Unterricht hatten. Geistesgegenwärtig kritzelte Remus ein paar Zeilen auf ein Pergament und ging zu Callisto, um es ihr zu geben.
"Komm heute Abend zu mir ins Zimmer. Nimm den Durchgang hier im Raum, dass ist unauffälliger. Aber wir müssen darüber noch reden.", raunte er ihr zu, als er ihr den Zettel gab.
"Jawohl.", sagte sie, nahm den Zettel an sich und warf einen Blick drauf. Es war eine Entschuldigung an Professor Snape, dass sie verspätet zu seinem Unterricht erschien. "Schönen Tag noch, Professor Lupin."
"Ihnen auch, Miss Black."

Den Rest des Tages zwar sie unkonzentriert, aber glücklich. 
In ihrem Kopf spielte sich immer wieder der Moment ab, als sie sich geküsst hatten. Sie hatte das Gefühl, seine Lippen noch immer auf ihren spüren zu können und seine Hände an ihren Hüften. Dabei fiel ihr jedoch auf, dass sie keine einzige Silbe darüber verloren hatten, dass sie sich geküsst hatten.
"Callisto?", wurde sie von Harry angesprochen, mit dem sie am Abendessenstisch saß und sich eigentlich unterhielt.
"Hm?"
"Du bist gar nicht richtig hier, ist alles okay bei dir?"
"Ja, alles bestens.", sie lächelte und ihr Cousin sah sie zweifelnd an. 
"Wenn du meinst..."
Sie grinste. "Keine Sorge, Harry, es ist alles gut. Wenn etwas schlimmes passieren sollte, werde ich es dir sagen."
Damit schien er zufrieden und der Rest des Abendessens verlief normal ab.
Es dauerte noch einige Stunden bis Callisto es für sicher genug erachtete, den Gryffindor Gemeinschaftsraum zu verlassen, und sich durch die stillen Flure zum VgddK Raum zu schleichen. Sie hatte die ganze Zeit Angst, dass jemand sie bemerken würde, doch als sie an dem Raum ankam, eintrat und die Türe hinter sich schloss fiel diese Angst wieder von ihr ab. Sie lief durch den Raum hinüber zu dem Durchgang zu Remus' Privaträumen. 
Sie klopfte.
"Ja?", erklang die Antwort und wenige Sekunden später öffnete sich die Türe. Callisto trat ein und fand sich in dem angenehm warmen Raum wieder, wo es nach Kaffee, Büchern und Remus roch.
"Hallo...", sagte sie etwas verlegen, und in diesem Moment fiel ihr auf, dass sie sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht hatte, was sie sagen könnte. 
"Setz dich ruhig. Möchtest du etwas trinken?", fragte er und deutete auf das Sofa, auf welchem sie schon vor ein paar Tagen gesessen hatten.
"Nein, danke.", antwortete sie und ließ sich auf dem Sofa nieder. Er tat es ihr gleich, und einen Moment saßen sie nur dort, auf dem Sofa und sahen einander an. es war ein wenig unangenehm, denn beide wussten, dass sie etwas sagen sollten, und beide wussten, dass sie es nicht sagen wollten.

Painful Truth // Remus Lupin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt