XXXV

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Irgendwann seufzte sie dann schwer und ließ sich ins Sofa sinken.
Seit einigen Momenten schwiegen sie sich schon an, und weil sie wusste, dass sie nicht weiterkommen würden, wenn nicht einer der beiden endlich etwas sagte, entschied sie, dass sie etwas sagen musste.
"Es tut mir leid.", sagte sie. "Ich hätte dich vorhin nicht einfach küssen dürfen. Aber ich war wirklich sauer auf dich, und in dem Moment hat es sich so einfach richtiger angefühlt, als dich weiter anzuschreien."
Er grinste schief. "Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Ich hätte dich schon aufgehalten, wenn...", er brach ab und seufzte ebenfalls. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. "Warum ist das so kompliziert?"
"Weiß ich auch nicht...", murmelte sie und hätte ihn am liebsten in den Arm genommen, um ihn zu trösten. Allerdings vermutete sie, dass das der Situation nicht unbedingt förderlich gewesen wäre, und so blieb sie einfach dort sitzen.
"Dagegen dass wir anscheinend Seelenverwandte sind lässt sich nichts machen.", sagte er dann und blickte sie an. "Das hat sich keiner von uns ausgesucht, und da müssen wir uns auch nicht schuldig oder ähnliches für fühlen. Aber...", er schien nach den richtigen Worten suchen zu müssen. "Es ist einfach eine katastrophale Situation.", endete er dann. 
Sie nickte. "Ist es..."
"Ich bin dein Lehrer.", fuhr er fort. "Wenn wir bei sowas wie dem vorhin erwischt worden wären, wäre ich meinen Job und du deinen Abschluss los. Die nächste Klasse hätte nur wenige Augenblicke früher hereinkommen müssen und-"
"Ich weiß, dass es riskant war! Aber ich habe mich schon entschuldigt."
Besänftigend hob er die Hände. "Das war kein Vorwurf, Callisto. Wie gesagt, ich hätte es verhindern können und eigentlich auch müssen. Habe ich nicht gemacht, also war es meine Verantwortung."
Sie seufzte und ließ den Blick sinken. "Tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum ich dich heute bei jeder Gelegenheit anmotze."
Er legte ihr eine Hand aufs Knie und sie sah wieder hoch. "Solche Tage haben wir doch alle ab und zu.", lächelte er aufmunternd und sie nickte langsam. Dann nahm er seine Hand wieder zurück und sie konnte in seinem Blick den Konflikt sehen, welchen er mit sich ausfocht.
"Aber eben weil es meine Verantwortung ist", setzte er den Satz fort. "müsste ich dir sagen, dass ich es nicht verantworten kann, dass zwischen uns mehr läuft. Nicht so lange du noch hier zur Schule gehst."
Callisto nickte und kämpfte gegen den Kloß an, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Sie hatte damit gerechnet, und trotzdem war es wie ein Schlag ins Gesicht. 
"Ich weiß...", murmelte sie und sah wieder zu Boden. Sie spielte nervös mit ihren Fingern, weil sie nicht wusste, ob und was sie noch sagen sollte. 
"Wenn du mit der Schule fertig bist, dann sieht das ganze schon wieder anders aus. Aber du musst dich mir gegenüber zu nichts verpflichten, das ist mir das wichtigste. Deswegen hatte ich Sirius gebeten, dir nichts zu sagen. Weil ich nicht der Grund sein möchte, weshalb du dich zurückhältst und vielleicht dein Glück an dir vorbeiziehen lässt."
Sie schnaubte belustigt. "Ja, klar... weil die Typen ja auch Schlange bei mir stehen."
"Das nicht, aber... ach, du weißt, was ich meine.", sagte er verzweifelt. "Ich versuche doch auch nur, dem ganzen etwas die Schwierigkeit zu nehmen. Ich möchte einfach nur nicht, dass du dein Leben wegschmeißt, weil du denkst, du wärst dazu verpflichtet."
Sie nickte und sah ihn an. In seinem Blick konnte sie sehen, dass es ihm tatsächlich schwer fiel, diese Worte zu sagen, und sie auf Abstand zu halten. 
"Wir haben übrigens auch noch nicht darüber gesprochen, was du im Wald getan hast.", wechselte er plötzlich das Thema. "Und dafür muss ich mich noch bedanken. Und entschuldigen. Ich habe mich nicht bedankt, dafür, dass du alles riskiert hast, um mir zu helfen, aber... es wäre auch nicht nötig gewesen."
"Nein, das vielleicht nicht, aber ich habe es gerne getan."
Er lächelte leicht. "Ich hatte befürchtet, dass du so etwas sagen würdest.", er seufzte schwer. "Aber bitte, mach es nicht noch einmal. Das hätte wirklich böse enden können."
"Hätte es, hat es aber nicht. Und Remus, so lange ich dafür sorgen kann, dass du weniger leidest, wenn du dich verwandelst, dann kannst du nicht von mir erwarten, dass ich es nicht tue."
"Kannst du nicht einfach ein weniger gutes Herz haben?", fragte er verzweifelt. "Das würde so vieles leichter machen."
"Ich-"
"Nein, ist schon gut.", unterbrach er sie. "Sag nichts. Wenn du mir versprechen kannst, dass du auf dich aufpasst, werde ich vielleicht eines Tages kein schlechtes Gewissen mehr deswegen haben."
Sie stupste ihn an. "Hey, ich weiß, was ich tue.", sagte sie leise. "Ich passe auf mich auf. Das habe ich immer getan, und das weißt du."
"Ja, das weiß ich..."
Dann schwiegen sie wieder eine Weile. Dieses Mal jedoch war es weniger unangenehm. Sie hingen beide ihren Gedanken nach und versuchten mit dem gesagten umzugehen.
Irgendwann atmete er scharf ein. "Verdammt!", fluchte er und fragend sah sie ihn an. "Callisto, ich möchte bitte, dass du mir nicht böse nimmst, was ich gleich sage.", er hielt kurz inne, schien seine Worte abzuwägen. "Aber ich fürchte, dass ich nicht verantwortungsvoll genug bin, um dich tatsächlich auf Abstand zu halten."
Noch bevor sie seine Worte wirklich verstand spürte sie, wie er eine Hand unter ihr Kinn legte, mit dem Daumen über ihre Lippen fuhr und sie zu sich zog. Einen Herzschlag später lagen seine Lippen auf ihren und sie lehnte sich gegen ihn. 
Der Kuss sagte mehr als tausend Worte und sie ließen einander an ihrer Verzweiflung und der Angst teilhaben. Aber auch an der Zuneigung die sie für einander spürten.
Callisto merkte kaum, wie sie ihre Hand an seine Brust legte, und sie langsam auf dem Sofa weiterrutschten, bis sie auf ihm lag. Er legte seine Arme um sie und hielt sie an sich gedrückt.
Als sie sich voneinander lösten, blieb sie weiterhin auf ihm liegen, er hielt sie weiter im Arm und sie rutschte nur so weit nach unten, dass sie ihren Kopf auf seinen Oberkörper betten konnte. 
"Das wird so viel schwieriger werden, als es sollte.", murmelte sie, während sie seinem gleichmäßigen Herzschlag lauschte. Er strich ihr durch die Haare und sie schloss die Augen, um sich in seinen Berührungen verlieren zu können.
"Wird es...", murmelte er dann. "Und ich wünschte, es wäre anders."

Painful Truth // Remus Lupin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt