04.05.1989
Callisto erwachte an diesem Morgen früher als üblich.
Sie schlug die Augen auf und sah an die Decke über sich - zumindest wollte sie das. Allerdings lag ein Buch schwer über ihrem Gesicht und sie realisierte, dass sie wieder beim Lesen eingeschlafen war. Mühsam rappelte sie sich auf und sah auf den Kalender, welchen sie sich gebastelt hatte, damit sie nie wieder den Geburtstag ihres Bruder verpasste. Und während sie das heutige Datum betrachtete, fiel ihr plötzlich etwas auf.
Sie hatte heute Geburtstag.
Ihre letzten Geburtstage hatte sie alle nicht gefeiert, auch wenn Bill es sich letztes Jahr nicht hatte nehmen lassen, ihr ein Buch über einen Animagus zu schenken. Laut ihm sollte sie auch mal etwas anderes lesen, als nur Lehrbücher. Doch dieses Jahr ging sie nicht davon aus, dass jemand auf dem Schirm hatte, dass sie nun dreizehn war.
"Happy Birthday, oder so...", murmelte sie und zog sich um. Bis zum Unterricht hatte sie noch ein wenig Zeit, aber sie wollte schon einmal frühstücken gehen. Bevor sie ihr Zimmer allerdings verließ, blickte sie noch einmal auf das Bild in ihrer Kette. Sie sah die glücklichen Gesichter, und die Liebe, die sie alle füreinander hatten.
Auf einmal spürte sie eine Träne, welche ihre Wange hinab rann. Schnell wischte sie sie weg, klappte die Kette wieder zu und stellte sich vor, wie sie ihren Bruder wiedersehen würde, und ihm in die Arme fallen konnte, wie sie es als kleines Kind schon getan hatte.Zu ihrem Glück hatte sie heute keinen Animagus-Unterricht, was bedeutete, dass sie zu Hagrid gehen konnte. Das tat sie auch, und als sie anklopfte, öffnete er die Türe und hielt ihr einen Kuchen entgegen.
"Herzlichen Glückwunsch, Callisto!", rief er und begann, völlig krumm und schief zu singen. Und auch wenn es grauenhaft klang, berührte es ihr Herz so sehr, dass sie während des Lachens noch zu weinen begann.
"Ich hatte leider keine Zeit, noch ein Geschenk zu besorgen...", erklärte er verlegen, als sie bald darauf drinnen saßen und gemeinsam den Kuchen aßen.
"Das macht doch nichts, Hagrid. Dass ich immer zu dir komme kann, und dass ich mit Fang spazieren gehen darf, und der Kuchen sind doch Geschenk genug.", sagte sie lächelnd und würgte eine weitere Gabel des viel zu trockenen Kuchens herunter.
"Na dann..."
Sie verbrachte den ganzen Tag in der muffigen Hütte, ehe sie in der Dämmerung zurück zum Schloss ging, das Abendessen ausfallen ließ, und in ihr Zimmer ging, um sich in den Schlaf zu weinen. Es war ein erstaunlich schöner Geburtstag gewesen, doch führte es ihr wieder vor Augen, wie einsam sie sich fühlte.
Halb wünschte sie sich, dass Sirius in der Nacht durch ihr Fenster ins Zimmer kommen würde, sie wecken und wieder kleine Lichter tanzen lassen, die am Ende ihren Namen ergaben. So, wie er es ihre ersten fünf Geburtstage lang gemacht hatte. Doch sie wusste, dass das nicht passieren würde.~~~
Danach ging es weiter wie gehabt.
Und so kam es, dass sie auch ihr zweites Jahr in Hogwarts mit Bravour abschloss. Zwar reichte es nicht aus, um ihrem Haus zum Hauspokal zu verhelfen, allerdings wurden sie nur knapp hinter Slytherin zweite. Sie hatte es dieses Jahr noch schwerer, sich von ihrer Schule zu verabschieden, denn sie wusste, dass sie Hagrid und Fang unglaublich vermissen würde, ebenso wie Charlie. Doch hatte sie keine andere Wahl.
Die Ferien verbrachte sie erneut damit, sich zu langweilen, ihre Lehrbücher zu lesen und sich auf ihr drittes Jahr vorzubereiten. Sie hatte ihre Professoren gefragt, ob sie ihre Animagus-Verwandlung üben durfte, und während ihr alle offiziell gesagt hatten, dass es strengstens untersagt war, hatte Professor Jackalope ihr gesagt, dass sie es in ihrem Zimmer ruhig weiter üben sollte.
Doch bevor das nächste Schuljahr begann, geschah es, dass eines Morgens eine Eule an ihre Fensterscheibe im Kinderheim klopfte.15.07.1989
Verwundert ging Callisto zum Fenster und ließ den erschöpften Raufußkauz herein, welcher auf ihrem Fenstersims saß. Sie nahm ihm den Brief ab, welchen er ihr gebracht hatte und gab ihm etwas von Jaros Futter, und Wasser. Dann nahm sie den Brief und setzte sich damit auf ihr Bett. Neugierig, wer ihr geschrieben hatte, öffnete sie das Siegel, welches ein einfacher Wachsklecks ohne tatsächliches Siegel war.
Es war ein ziemlich langer Brief, in einer ordentlichen und doch etwas krakelig Schrift, mit schwarzer Tinte geschrieben. Den Brief in ihren zitternden Fingern haltend begann sie zu lesen.***
Liebe Callisto.
Auch wenn dieser Brief dich wahrscheinlich erst nach deinem Geburtstag erreicht, wünsche ich dir alles Gute, und ein weiteres gesundes Lebensjahr. Ich würde dir auch für die letzten sieben Jahre, in denen wir uns nicht gesehen haben, gratulieren, aber was sollst du schon mit nachträglicher Gesundheit?
Ob du dich an mich erinnerst, wage ich nicht zu beurteilen. Vielleicht erinnerst du dich an mich als Moony, vielleicht als Remus, vielleicht auch gar nicht. Ich jedenfalls erinnere mich an dich, als wäre es gestern gewesen, dass Sirius dich zu uns nach Hause brachte. Oder dass wir auf der Hochzeit der Potters ein Bild geschossen haben. Oder dass wir dir diese kleine Holzfigur eines Hundes geschenkt haben. Wenn ich darüber nachdenke, waren die Jahre, als deine kindliche Freude unser Haus erfüllt hat, mit die glücklichsten meines Lebens.
Ich gehe davon aus, dass Dumbledore dich über die Ereignisse damals, im ersten Zaubererkrieg, aufgeklärt hat. Ich gehe davon aus, dass du weißt, was dein Bruder getan hat. Und es bricht mir das Herz, dass es so kommen musste.
Ich weiß, dass er dir immer ein liebender Bruder war, und von ganzem Herzen hätte ich dir gewünscht, dass er bei dir war, als du Geburtstag hattest. Als du Angst vor etwas hattest, als du geweint hast, aber auch, als du glücklich warst. Als du deinen Brief nach Hogwarts bekommen hast, und deine erste Unterrichtsstunde hattest. Ich hätte euch beiden gewünscht, dass ihr die Familie gewesen wärt, die er dir und sich immer gewünscht hat.
Aber so ist es nicht gewesen, und es tut mir unendlich leid.
Aber was erzähle ich dir das überhaupt? Das wirst du, von allen Menschen, wohl am besten wissen. Du wirst, von allen Menschen, am schmerzlichsten erfahren haben, dass dein Bruder in Askaban sitzt. Also warum schreibe ich dir? Und warum erst jetzt?
Glaube mir, wenn ich dir sage, dass kein Tag vergangen ist, an dem ich mich nicht schlecht dafür gefühlt habe, dass ich Dumbledore abgesagt habe, als er nach dem Tod deiner Mutter gefragt hat, ob ich dich aufnehmen könnte. Das ist für dich vielleicht eine Neuigkeit, weil ich ihn damals gebeten habe, es dir nicht zu sagen. Aber ja, es ist wahr. Ich habe dich nicht aufnehmen wollen.
Und ich bin noch immer der Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung war. Wenn auch die Entscheidung, die am meisten weh tat.
Aber ich habe nicht abgesagt, weil ich dich nicht hätte aufnehmen wollen. Bitte, das darfst du niemals glauben. Auch wenn ich unendlich von Sirius enttäuscht war und bin, aber du bist nicht er und dass die Folgen seiner Taten auf deinem Rücken lasten müssen, tut mir unglaublich leid. Nichts lieber hätte ich getan, als dich bei mir aufzunehmen, damit du den Draht zur magischen Welt nicht verlierst. Aber ich habe mich dagegen entschieden, weil es zu gefährlich gewesen wäre.
Falls du dich an damals erinnerst, erinnerst du dich bestimmt auch daran, dass ich ein Problem hatte, weshalb Sirius, Peter und James mir regelmäßig helfen mussten. Und trotz aller Bemühungen, bin ich dieses Problem nie losgeworden. Allerdings hindert es mich daran, ein normales Leben zu führen - oder dir eines zu ermöglichen.
Ich merke selber, dass dies wohl kaum die Fragen beantwortet. Weder die Frage, warum ich dich nie besucht (oder gesucht) habe, noch warum ich dir jetzt schreibe, oder irgendeine der anderen Fragen, die dich in diesem Moment heimsuchen müssen. Vielleicht kann ich es mit einem einzigen Satz besser zusammenfassen:
Ich habe Angst.
Hatte ich immer, und ich fürchte, dass ich sie auch für immer haben werde. Ich hatte Angst, dass ich den Schmerz, den ich erleiden würde, würde ich dich sehen, nicht überstehen würde. Man hat mir zugetragen, du sähest Sirius unglaublich ähnlich... ich glaube nicht, dass ich es schaffen könnte.
Das klingt vielleicht nach einer faulen Ausrede, aber das ist es nicht. Und eines Tages, das verspreche ich dir, werde ich bereit sein, dir unter die Augen zu treten und dir das zu sagen, was ich seit Jahren sagen sollte. Dass es mir leid tut, dass ich dich im Stich lassen musste.
Du kennst mich kaum, oder zumindest nicht so, wie ich mittlerweile bin. Ich gebe dir allerdings mit diesem Brief die Möglichkeit, mich zu kontaktieren. Ob du das machen möchtest, ist dir überlassen. Schick die Eule, ihr Name ist übrigens Popeye, einfach zu mir zurück - ob mit, oder ohne einem Brief von dir.
Mehr als mich für meine Angst zu entschuldigen, kann ich nicht tun. Eines Tages wirst du verstehen, weshalb es zu gefährlich ist, bei mir zu leben. Das verspreche ich dir. Eines Tages werde ich alles erklären und mich entschuldigen.
Bis es soweit ist, verbleibe ich dein so gut wie unbekannter Freund,Remus J. Lupin
PS: Verzeih, dass ich diesen Brief geschrieben habe. Mein Gewissen plagt mich seit Jahren, aber wenn meine Berechnungen nicht ganz falsch sind, dann bist du jetzt in deinem zweiten Jahr in Hogwarts und damit alt genug, um zu entscheiden, ob du Kontakt zu einem alten Bekannten willst, oder ob ich dich zu lange im Stich gelassen habe.
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Painful Truth // Remus Lupin FF
FanfictionDie Schwester von Sirius Black ist neben dem berühmten Harry Potter die einzige, die den Angriff von Ihr-Wisst-Schon-Wem überlebt hat. Sie ist die einzige, die nicht daran glaubt, dass ihr Bruder jemanden ermordet hat, und nach Azkaban gehört. Außer...