Die Stunden bis sie zu Bett ging verflogen in einem Schleier aus Verwirrung und Herzklopfen.
Sie wusste nicht, warum oder was sie vorhin in Remus' Zimmer gespürt hatte, aber sie wusste, dass es auf keinen Fall angemessen war.
Sie liebte ihn, klar, aber doch nicht so. Er war der erste Mensch gewesen, der über Jahre hinweg ihr Ansprechpartner für alles gewesen war, der erste, der jahrelang aufrichtiges Interesse an ihrem Leben gezeigt hatte.
Aber sie hatte nie in Erwägung gezogen, romantische Empfindungen für ihn zu haben (hatte sie überhaupt welche?). Er kannte sie noch als kleines Mädchen. Wahrscheinlich sah er sie auch noch als solches. Obwohl... hatte er nicht zu Sirius gesagt, dass er sie eben nicht mehr als kleines Kind sah?
In der Nacht schlief sie sehr unruhig und wenig erholsam. Immer wieder wachte sie auf, weil ihr Kopf einfach keine Ruhe geben wollte. Immer wieder tauchte in ihrer Erinnerung auf, wie sie sich ein Bett geteilt hatten, wie er ihre Haare hinter ihr Ohr geschoben hatte, wie seine Haut sich auf ihrer anfühlte-
Sie zwang die Bilder immer wieder herunter, doch verschwanden sie nicht.
Am nächsten Tag hatte sie ihn glücklicherweise nicht im Unterricht, weshalb sie ihn den ganzen Morgen über nicht sah.
Auch Mittags traf sie ihn nicht zufällig im Flur, allerdings kam er auch nicht zum Mittagessen, was sie schon ein wenig irritierte. Selbst wenn ihm das Gespräch gestern unangenehm gewesen sein sollte, wäre das noch immer kein Grund für ihn, nicht zum Essen zu erscheinen.
Als er dann auch das Abendessen verpasste, fing sie an, sich Sorgen zu machen. Da hatte sie plötzlich eine Vorahnung und sprang so hastig vom Tisch auf, dass Fred, zu ihrer Rechten, tierisch erschrak und sich an seiner Suppe verschluckte. Callisto entschuldigte sich flüchtig bei ihm, dann eilte sie zum Ravenclaw Tisch, wo Luna Lovegood saß, eine Drittklässlerin, die Harry dieses Jahr kennengelernt hatte.
"Ähm, Luna?", fragte sie vorsichtig?
"Ja?", erkundigte sie sich mit ihrer glasklaren Stimme und drehte sich zu ihr, sodass Callisto in ihr blasses Gesicht sehen konnte.
"Weißt du zufällig, in welcher Mondphase wir gerade sind?"
"Heute Nacht ist Vollmond.", erwiderte sie lächelnd. "Keine gute Nacht für Werwölfe."
Callisto stockte. Wusste sie etwa von Remus? Auf der anderen Seite, wusste sie, dass Luna etwas seltsam war und auch seltsame Dinge sagte.
"Äh, richtig. Ja. Danke. Guten Hunger.", dann lief sie auf direktem Wege aus der großen Halle und zu den Lehrerräumen. Auf einmal war ihr das Bild der leeren Ampullen in den Kopf gekommen, und sie befürchtete, dass der Wolfsbanntrank leer war.
Sie klopfte mehrmals an Remus' Zimmertüre, jedoch kam keine Antwort, weshalb sie die Türe schließlich mit einem Zauber öffnete. Ohne sich um irgendetwas anderes zu kümmern, lief sie direkt zu dem Tisch, wo die Ampullen seit gestern unbewegt herumlagen.
"Verdammt!", fluchte sie und spürte wie Panik in ihr aufstieg. Es kam zwar darauf an, aber wenn es schlimm kam, dann würde der Werwolf Schüler angreifen und wenn herauskam, dass es Remus war, dann wäre er schneller seinen Job los, als Dumbledore seinen Namen hätte sagen können.
Ohne lange darüber nachzudenken rannte sie wieder aus dem Zimmer, durch die Flure und wollte raus, allerdings stieß sie beinahe mit Snape zusammen.
"Miss Black.", sagte er und seine Stimme war wie Nadelstiche der Realität. "Warum rennen Sie so?"
"Ich habe es eilig.", erwiderte sie, und wollte weiter rennen, doch hielt er sie am Umhang fest.
"In den Gängen wird nicht gerannt.", zischte er.
"Bei allem Respekt, Professor, aber das ist mir gerade egal.", sagte sie und wusste noch im gleichen Moment, dass sie tot war.
Doch da tauchten auf einmal die Zwillinge mit kleinen Raketen auf, welche sie im Gang zündeten und sofort war Snapes Aufmerksamkeit bei anderen Dingen, sodass Callisto sich davonstehlen konnte. Sie sandte den Zwillingen einen stummen Dank zu, und sah noch, wie George ihr zuzwinkerte, dann war sie aus dem Gang und auf dem Hof.
Als sie außer Sichtweite des Schlosses war verwandelte sie sich in den Panther und sofort roch sie seine Fährte. Sie zögerte keine Sekunde und sprintete durch die Nacht in den verbotenen Wald.
Es dauerte nicht lang, da war sie wieder so tief im Wald drin, dass kaum mehr Licht am Boden ankam. Sie spürte zwar, dass ihre Lunge nach einer Pause schrie, doch war es ihr egal. Wichtiger war es ihr, Remus zu finden.
Irgendwann, es war schon eine ganze Zeit vergangen, da erreichte sie eine Stelle, wo die Bäume sich ein wenig lichteten. Und dort erblickte sie ihn. Er hatte seinen Mantel abgelegt und saß auf dem Boden, als warte er einfach nur noch darauf, dass die Verwandlung einsetzte. Sie verwandelte sich zurück und rannte zu ihm.
"Callisto?", fragte er überrascht und erhob sich von dem kalten Boden. "Was tust du hier?"
"Du-", sie brach ab, weil sie erst einmal zu Atem kommen musste. "Du warst den ganzen... Tag nicht da, da... habe ich mir Sorgen gemacht."
Er lächelte schwach. "Das ist lieb von dir, aber es wäre besser, wenn du gehst."
Sie schüttelte den Kopf. "Nein."
"Wie, nein? Callisto, heute ist Vollmond, ich-", sie hörte die Panik in seiner Stimme. Sie standen sich gegenüber und in ihrer beider Augen konnten sich die Gedanken des anderen lesen lassen.
"Ich weiß, dass Vollmond ist.", sagte sie. "Und ich weiß auch, dass du dieses Mal keinen Wolfsbanntrank hattest. Aber darum bleibe ich hier. Damit jemand verhindern kann, dass du deine Fährte zurückverfolgst, in die Schule eindringst, Leute verletzt und dann deinen Job verlierst."
"Wenn es so weit kommt, dass ich Schüler verletze, dann sollte ich auch kein Lehrer sein."
"Du bist der beste Lehrer, den wir seit Jahren hatten. Nimm uns, nimm mir das nicht weg."
"Callisto, wir können nicht riskieren, dass ich dich versehentlich verletze oder schlimmer. Bitte-", er senkte die Stimme und trat etwas an sie heran. "Bitte, ich flehe dich an, bring dich in Sicherheit."
Durch die Bäume war der Himmel nicht zu sehen, aber sie wusste, dass es nicht mehr lange bis Mitternacht war. Sie spürte es daran, dass Remus von Sekunde zu Sekunde angespannter wurde. Sie trat ebenfalls einen Schritt näher, und ehe sie weiter darüber nachdenken konnt, legte sie eine Hand an seine Wange.
"Ich bin in Sicherheit.", flüsterte sie. "Ich weiß, dass der Wolf mir nichts tun wird. Ich weiß es einfach."
"Aber es ist viel zu riska-"
"Vertraust du mir?", unterbrach sie ihn und sie sahen sich tief in die Augen.
In ihrem Blick lag all die Verwunderung und das Unverständnis ihrer Gefühle, aber auch die Zuversicht und die Überzeugung, welche sie verspürte. All die Einsamkeit der Jahre bevor er wieder in ihr Leben getreten war und all die Freude, die damit verbunden war.
In seinem Blick konnte sie sehen, wie groß seine Sorge um sie war, aber auch, wie viel Angst er vor sich selber hatte. Die Unsicherheit, welche sie mit der Frage ausgelöst hatte, und die Unruhe, einen geliebten Menschen in Gefahr zu wissen, und nicht zu wissen, ob sie es überleben würde. Der Schmerz der Verluste, die er durch sein Dasein als Werwolf schon erlitten hatte, und die Zuneigung für sie, weil sie ihn nicht verurteilte.
"Natürlich vertraue ich dir.", flüsterte er zurück. "Aber ich habe Angst. Callisto, ich kann es nicht kontrollieren. Ich könnte dich töten."
Sie spürte, wie verzweifelt er war, doch sie war überzeugt, dass sie es schaffen konnte.
"Dann vertrau mir auch jetzt.", sagte sie. "Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Es wird alles gut." Sie hatte kaum fertig gesprochen, da weiteten seine Pupillen sich, sie spürte, wie seine Hat sich veränderte und er japste vor Schmerz auf. Auch wenn sie Angst verspürte, um ihn, um sich, reichte es nicht aus, um sie in Panik zu versetzen. Sie hielt den Augenkontakt, auch wenn er sich veränderte.
"Es... verlangsamt die Verwandlung.", sagte er leise. "Und... es tut weniger weh."
Sie hielten weiterhin den Augenkontakt, während Remus immer mehr seiner menschlichen Gestalt verlor.
"Callisto!", schrie auf einmal jemand, und Callisto wandte sich ab, wodurch die Verwandlung sich wieder beschleunigte, weshalb Remus erneut aufschrie.
Sirius stand zwischen den Bäumen und sah sie geschockt an. "Lauf! Siehst du denn nicht, dass er sich verwandelt?!", brüllte er.
"Nein!", rief sie zurück. "Bring dich in Sicherheit, Sirius! Ich kann ihn beruhigen, ich habe schon die Verwandlung verlangsamt!", sie wandte sich wieder Remus zu. "Hey, schau mich an. Remus!", sie drehte seinen Kopf etwas rabiat zu sich, sodass sie einander wieder ansahen. "Konzentrier dich.", mahnte sie ihn.
Und schon wurde die Verwandlung wieder langsamer.
"Was zum-", rief Sirius irgendwo hinter ihnen, doch dieses Mal sah Callisto nicht weg.
"Bring dich in Sicherheit, Tatze.", sagte sie, und zwang sich zu einem ruhigen Tonfall. "Ich habe hier alles unter Kontrolle."
"Bist du sicher?", fragte er unsicher.
"Ja.", sagte sie. "Geh."
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Painful Truth // Remus Lupin FF
FanfictionDie Schwester von Sirius Black ist neben dem berühmten Harry Potter die einzige, die den Angriff von Ihr-Wisst-Schon-Wem überlebt hat. Sie ist die einzige, die nicht daran glaubt, dass ihr Bruder jemanden ermordet hat, und nach Azkaban gehört. Außer...