VI

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In der Zeit zwischen Einschulung und Halloween geschah nichts nennenswertes.
Callisto freundete sich immer mehr mit den Weasleys an, verbrachte quasi all ihre Zeit mit Percy und wenn sie voneinander getrennt waren, dann freute sie sich darauf, ihn wiederzusehen. Er war der erste, den sie als ihren besten Freund bezeichnen würde. Und erst jetzt, wo sie Freunde hatte, merkte sie, wie sehr es ihr damals eigentlich gefehlt hatte.
In der Schule entwickelte sie sich immer mehr zu einer durchschnittlichen Schülerin. Zwar hatte sie großes Talent in Zauberei und Verteidigung gegen die dunklen Künste, allerdings lagen ihr Kräuterkunde und Zaubertränke überhaupt nicht. Und in Besenflug war sie auch nur mittelmäßig. Auch wenn sie am Zauberei-Unterricht der Zweitklässler teilnahm, war sie noch immer eine der Besten und dafür wurde sie von den meisten respektiert.
Sie kam mit allen Lehrern gut klar, außer vielleicht mit Snape, doch hatte Bill recht behalten - der Mann hasste jeden. Mit ihren Mitschülern war der Umgang etwas schwieriger, da viele auch Monate nach ihrer Einschulung noch einen großen Bogen um sie machten. Die Raywood-Brüder und ihre Clique hänselten sie auch regelmäßig, doch ließen Percy und Callisto es weitgehend über sich ergehen. Evert, der, wie Charlie, in die fünfte Klasse ging, hatte nur einen Punkt, mit welchem er sie doch regelmäßig auf die Palme brachte. Und das war Sirius. Doch gab Callisto sich Mühe, auch darüber zu stehen, allerdings erwies sich das oft als schwieriger als sie es sich erhoffte. 
Allerdings dauerte es bis nach Halloween, dass wieder etwas geschah.

03.11.1887
An jenem Tag war Callisto bedeutend schweigsamer, als üblich. Sie nahm nicht an den Gesprächen am Esstisch teil, im Unterricht war sie unaufmerksam, und auf Fragen antwortete sie nur einsilbig. Die anderen gaben sich mit der Antwort zufrieden, dass es ihr einfach nicht so gut ging.
Alle, bis auf Bill.
Als sie die große Halle nach dem Abendessen verließen, nahm er sie beiseite und sah sie eindringlich an.
"Was ist los, Callisto?", fragte er. "Du musst es mir nicht haarklein erzählen, aber ich möchte wenigstens wissen, dass es dir gut geht. Und das nicht nur, weil ich als Vertrauensschüler eine Verantwortung für dich habe, sondern auch, weil du eine Freundin bist, und mir wichtig ist, dass es dir gut geht."
Mit Tränen in den Augen blinzelte sie ihn an. Sie war noch niemals wirklich als Freundin bezeichnet worden. 
"Es ist nur...", begann sie, doch der Kampf mit den Tränen hinderte sie vom Sprechen.
"Sollen wir in die Eulerei gehen?", fragte er. "Da kommt so gut wie nie jemand hin."
Sie nickte einfach nur, und ließ sich von ihm am Arm packen und quer durch das Schloss ziehen. Von dem Weg bekam sie wahrlich nicht viel mit, da sie gegen die Tränen ankämpfen musste. Doch dann kamen sie an und saßen auf einer Bank im Eulenturm.
"Also?", fragte er. 
Sie atmete tief ein. "Heute ist sein Geburtstag.", sagte sie dann. 
"Sirius?"
Sie nickte stumm und nun trat ihr doch eine Träne aus dem Augenwinkel. 
"Ich habe seinen letzten Geburtstag in Freiheit verpasst, damals. Weil Dumbledore mich zu meiner Mutter gebracht hat. Lily und James wurden an Halloween ermordet - drei Tage vor seinem Geburtstag. Und- ich- er ist mein Bruder, ich bin bei ihm aufgewachsen. Aber ständig sagen mir alle, wie böse er war."
"Naja, alle gehen davon aus, dass er die Potters an Du-Weißt-Schon-Wen verraten hat und Peter Pettigrew ermordet...", erklärte Bill ruhig.
"Die kennen meinen Bruder nicht.", sagte sie. "Sirius hätte das niemals getan. Er hat mir immer gesagt, Freundschaften sind heilig. Seine Freunde waren seine Familie. Niemals hätte er-", sie konnte den Satz nicht beenden. 
Bill nahm sie in dem Arm und sie fuhr leise fort:
"Und sie waren auch meine Familie. Und ich weiß nicht, was mit ihnen geschehen ist. James und Lily sind tot, Peter verschwunden oder auch tot, ich weiß nicht wo Remus ist, und Sirius sitzt in Askaban. Ich weiß nicht mal wo Harry ist.", sie schluchzte. "Versteh doch, Bill. Sie waren meine Familie und nur weil ich lebe, heißt es nichts. Ich wäre lieber tot, oder auch in Askaban, als alleine hier."
"Sag sowas nicht.", sagte er und drückte sie ein bisschen fester. "Es ist ein Glück, dass du noch lebst. Weißt du überhaupt, ob Sirius weiß, dass du noch lebst?", gab er zu bedenken. "Er wird wissen, dass James und Lily tot sind. Aber weiß er von Harry und dir?"
Jetzt, wo Bill es sagte, war sie sich auf einmal nicht sicher. Sie war immer überzeugt gewesen, dass ihr Bruder wusste, dass sie lebte. Doch... woher hätte er es wissen sollen?
"Ich... ich weiß es nicht."
Danach schwiegen sie eine Weile, und Bill tröstete sie stumm, während immer mehr Tränen über ihr Gesicht liefen.
"Sollen wir ihm eine Kerze anzünden?", fragte er dann irgendwann. "Eine Geburtstagskerze."
Sie blinzelte ihn verwundert an. "Hältst du ihn etwa nicht für einen Mörder?"
"Ich weiß nicht, wofür ich ihn halte. Ich kannte ihn nicht. Ich war nicht dabei, als er vermeintlich jemanden ermordet hat. Ich weiß nur, dass er dein Bruder ist und dir verdammt wichtig. Und das reicht aus, um an seinem Geburtstag eine Kerze für ihn zu entzünden."
Sie nickte. "Danke, Bill. Für alles. Du, Percy und Charlie... ohne euch wäre es grauenhaft für mich."
Er lächelte. "Mach dir nichts draus. Du gehörst zur Familie, Callisto. Denn, auch wenn es vielleicht so scheint, aber du bist nicht völlig allein."

Painful Truth // Remus Lupin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt