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"Scheiß auf die Lasagne.", flüsterte Till leise ehe er die letzten Millimeter, die uns voneinander trennten, überbrückte. Zaghaft bewegten seine Lippen sich auf meinen. Seufzend schlang ich meine Beine um seine Mitte und zog ihn näher an mich. Meine Hände verschwanden um seinen Nacken.

Wie sehr ich mich nach diesem Moment gesehnt hatte. Langsam wanderten Tills Hände zur meiner Taille. Seine Körperwärme floss durch mein Shirt hindurch. Vorsichtig leckte Till über meine Unterlippe und bat somit um Einlass. Willig öffnete ich meine Lippen und ließ seinen warmen Muskel in meinem Mund eindringen.

Till schmeckte nach Zigaretten. Ein weiteres Schrilles Piepen zwang uns schließlich auseinander. Genervt ließ Till von mir ab und wandte sich dem Ofen zu um die fertige Lasagne vor dem verbrennen zu retten. Sobald sie vor der Hitze gerettet war, drehte Till sich wieder zur mir herum. Hungrig legte er seine Lippen auf meine. Erneut schlang ich meine Beine um seine Mitte und zog ihn zur mir.

So von einander abgelenkt, merkten wir nicht das die Haustür geöffnet wurde und Fußschritte sich der Küche näherten. "Milla?", rief eine Stimme durchs Haus. Richard. Augenblicklich stieß ich Till von mir und blickte panisch zur Tür. Erst jetzt wurde mir klar was ich da eigentlich getan hatte. Ich hatte Richard betrogen.

Überstürzt sprang ich von der Kücheninsel und lief aus der Küche. Ich hatte Richard betrogen. Zur meinem Übel tauchte gerade der im Türrahmen auf. Auf wackligen Beinen stolperte er mir entgegen. Toll. Er war betrunken. Seine Augen blitzten kurz auf, als er mich entdeckte. Auf dem Weg zur mir rannte Richard gegen einen Schrank.

Stirn runzelnd beobachtete ich ihn dabei. Zweimal hätte er sich sogar fast gemault. "Milla!", rief er freudig und schlang seine Arme um meine Mitte. Seine Fahne stieg mir nun in die Nase. Angewidert drehte ich meinen Kopf zur Seite. Er stank furchtbar nach Whiskey.

Der betrunkene Richard schien unseren Streit vergessen zu haben. Mit einem wohligen Lächeln auf den Lippen näherte er sich meinem Gesicht. Vergeblich versuchte er seine Lippen auf meine zu legen. Bestimmend schob ich ihn von mir.

"Nein,", lamentierte Richard lauthals. "gib...gib mir K...kuss."

Erneut versuchte er seine Lippen auf meine zu legen, doch ich wich seinem Kuss aus, sodass er meine Wange traf. Im Augenwinkel konnte ich sehen das Till dem Schauspiel folgte. Besonders erfreut wirkte er nicht. "Ich glaube es ist besser wenn du schlafen gehst. Wie hast du es überhaupt hier her geschafft?"

Fragend blickte ich auf den schlaffen Richard in meinen Armen hinab. Dieser sah verwirrt zur mir hinauf. "Ich..hab...k-eine Ahnung.", nuschelte er und ließ sich nun endgültig fallen. Sein Gewicht fiel der Schwerkraft zum Opfer und so sackte er schließlich zusammen. Beinahe hatte er mich mit sich zur Boden gerissen.

Nicht wissend wie ich ihn jetzt noch nach oben befördern sollte, blickte ich stumm auf Richard hinab. Warte mal, schläft der etwa? Der war doch ohne Scheiß einfach eingeschlafen. Friedvoll schnarchte Richard vor sich hin. "Brauchst du Hilfe?", fragte Till belustigt. Mittlerweile war er ebenfalls zu uns hinaus in den Flur getreten. "Kannst du ihn bitte nach oben tragen? Ich muss ihn sonst die Treppe hoch ziehen."

"Klar.", mit den Worten beugte Till sich zur Richard hinunter. Grob umfasste er seinen schlafenden Körper und warf ihn über seine Schulter. Unruhig sah ich den beiden hinterher. Ich hatte Richard betrogen. Mein Gewissen fing an mich aufzufressen.

Rasch suchte ich meine Zigarettenschachtel und begab mich nach draußen. Mit zittrigen Händen steckte ich mir einen Stängel zwischen die Lippen. Erst nach drei Anläufen gelang es mir sie anzuzünden. Gedankenverloren beobachtete ich wie der Rauch meiner Kippe in die Nachtluft empor stieg und sich schließlich auflöste.

Die kleine brennende Spitze ragte deutlich in der Schwärze der Nacht hervor. Schuldbewusst biss ich auf meiner Unterlippe herum. Wie konnte ich Richard das nur antun? "Ist alles okay?" Wie aus dem nichts erschien Till hinter mir.

"Alles ist perfekt. Ist Richard im Bett?"

"Ja. Der schläft wie ein Stein. So schnell wacht der nicht mehr auf. Sicher das bei dir alles gut ist? Siehst so mitgenommen aus."

Ich konnte es nicht verhindern das meine Augen sich mit Tränen füllten. Zur meinem Glück konnte Till das nicht sehen. Eine nach der anderen lief meine Wange hinunter. Vorsichtig legte Till seine Arme von hinten um meine Mitte und zog mich an seine Brust.

Normalerweise würde mich das beruhigen, was diesmal aber nicht der Fall war. Augenblicklich spannte ich mich an. Till war das nicht entgangen. Sofort ließ er von mir ab. "Tut mir leid.", flüsterte er leise. "Hab ich vorhin eine Grenze überschritten?"

"Ja. Nein. Keine Ahnung. Ich weiß nicht was ich denken soll, Till." Frustriert fuhr ich mir durch die Haare und kaute weiter auf meiner Unterlippe rum. "Sprich mit mir. Was belastet dich?"

"Alles. Ich kann das nicht mehr. Till ich habe Richard betrogen. Ich bin eine Schlampe." Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper, aber nicht wegen der Kälte. Erneut legten Tills Hände sich an meine Hüfte. Mit sanfter Gewalt drehte er mich zu sich herum. "Du bist keine Schlampe. Ich habe vorhin einfach eine Grenze überschritten. Ich hätte dich nicht küssen sollen. Das war falsch von mir."

"Nein. Mach dir bitte keine Vorwürfe."

Wie von selbst legten sich meine Hände an seine Wangen. Stumm sahen wir einander an. Wie in Trance näherte sich Till meinem Gesicht. Zaghaft legte er seine Lippen auf meine, als würde er auf Wiederstand warten. Den bekam er aber nicht. Anstatt mich von ihm zu entfernen, schob ich mich ihm entgegen.

Wie vorhin schlüpfte Tills Zunge in meinem Mund und führte einen Kampf mit meiner, welchen er schließlich gewann. Willig beugte ich mich seiner Dominanz und ließ zu das seine Hand sich in meinen Nacken legte, während seine andere sich um meine Taille schloss.

Wie von einer Wespe gestochen löste ich mich abrupt von Till. Verwundert sah dieser mich an. "Das muss aufhören.", brachte ich atemlos hervor.

"Muss es das?"

Langsam trat Till einen Schritt auf mich zu.

"Bleib da wo du bist! Verdammt Scheiße ja! Ich bin immer noch mit Richard zusammen!" Frustriert fuhr ich mir übers Gesicht. "Ich glaube es wäre besser, wenn ich auch schlafen gehe.", murmelte ich leise. Ohne auf ein weiteres Wort von Till abzuwarten, warf ich meinen Zigarettenstummel in einen Aschenbecher und verschwand im Haus.

Auch wenn ich eigentlich immer noch Streit mit Richard hatte, sprang ich über meinen Schatten und beschloss heute Nacht beim ihm zur schlafen. Ich musste seine Nähe einfach spüren. Leise öffnete ich unsere Zimmertür und betrat den dunklen Raum. Wie automatisch schlang der schlafende Richard seine Arme um mich, sobald ich in die Laken gekrochen war. Tief zog ich seinen Duft ein und lehnte meinen Kopf erschöpf an seine Brust.

Wegen vorhin fühlte ich mich immer noch schlecht. Es hat ja nicht gereicht das ich Richard einmal betrogen hatte, nein. Natürlich musste ich das gleich nochmal machen. Egal wie fies er zur mir gewesen war, betrügen würde er mich nie.

Ein Knoten formte sich in meiner Kehle, an den Gedanken ihn das irgendwann beichten zu müssen. Hoffentlich fand er das nicht von selbst heraus. Meine Gedanken schweiften zurück zur Till. War ich vorhin vielleicht doch ein wenig zu harsch zur ihm gewesen? Für seine Gefühle konnte er ja schließlich auch nichts.

Seufzend kuschelte ich mich mehr an Richard und schloss müde meine Augen. Wenigstens konnte ich meinen Problemen für einige Stunden entkommen, dachte ich mindestens. Sobald die Dunkelheit mich eingeholt hatte, fingen Alpträume an meinen Schlaf zur stören.

Liebe ist für alle da Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt