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"Du willst mich doch verarschen.", murmelte ich mir leise selber zu, den Blick starr auf den Bildschirm meines Handys gerichtet. Schneider hatte mir mehrere Fotos rübergeschickt, die ich mir gerade alle einzeln ansah. "Ist alles okay?", fragte Till leicht besorgt.

Seine Hände auf meine Taille gelegt, fuhr er sanft meine Seiten auf und ab. Leicht schüttelte ich mit meinem Kopf. Fassungslos wandte ich ihm mein Handy zu. Auch Till schien überrascht, sobald er die Fotos sah. Vorsichtig griff er nach meinem Telefon und nahm es mir aus der Hand. Ungläubig scrollte Till durch die Bilder.

"Hält er dir eine Predigt übers fremdgehen und macht es dann selber."

Erst jetzt schien ich zu realisieren was ich da eigentlich gerade gesehen hatte. Als hätten Tills Worte meinem Kopf erst verklickern müssen, was da vor mir auf den Fotos abgebildet war. Augenblicklich erfasste mich die Wut. Durfte ich überhaupt sauer sein?

Meinem Zorn wich Verwirrung und...Schmerz? Ich musste mir eingestehen, dass Richards Aktion mich verletzt hatte. Auf den Fotos, welche Schneider mir geschickt hatte, waren Richard und Paul zusehen wie sie rummachten. In unserem Zimmer. Auf unserem Bett.

Wie auch immer er an die Fotos gekommen war. Überfordert erhob ich mich von Tills Schoß, um ein paar Schritte durch die Wohnung zu wandern. Stumm beobachtete er mich dabei wie ich im Kreis durchs Zimmer lief. Die Hände vor der Brust verschränkt, stolzierte ich schließlich Richtung Balkon.

Mein Kopf begann sich zu drehen, was es mir schwer machte die Balance zu halten. Etwas unsicher griff ich nach dem Geländer und krallte mich da fest. Alles fing an sich zu drehen und mir wurde schwarz vor Augen. Unsanft sackte ich zu Boden.

"Milla?", hörte ich Till hinter mir rufen.

Seine Stimme war so weit entfernt. Ein plötzliches Gefühl der Beklemmung und des Unbehagens breitete sich in mir aus. Meine Atmung ging flach und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich konnte fühlen wie meine Lunge sich verengte.

"Ich bekomme keine Luft.", brachte ich atemlos hervor.

Von der blanken Panik erfasst, begann ich zu hyperventilieren. Schnelle unregelmäßige Atemzüge füllten meine Lungen. Ich konnte das Geländer in meinem Rücken zwar spüren, doch war es mir als würde ich fliegen. Meine Hände zitterten wie wild und mein Gesicht kribbelte. Mein Kopf fühlte sich schwer und leicht zugleich an.

Bitte nicht jetzt.

In meinem Blickfeld tauchte Till plötzlich auf. Besorgt kniete er vor mir nieder. Seine Augen sahen mich eindringlich an. Er schien was zu sagen, doch konnte ich keine Worte vernehmen. Ein lautes schrilles Piepen legte sich über meine Ohren und blockte jegliche Geräusche der Außenwelt aus. Vorsichtig griff Till nach meinen Händen, welche ich ihm sofort entzog.

"Nicht anfassen."

Wieder öffnete und schloss Till seinen Mund. Es war mir als würde die Zeit still stehen. Ich konnte mein Herz gegen meine Brust schlagen spüren. Ich befürchtete, es würde jeden Moment aus meinem Brustkorb springen, so stark hämmerte es dagegen.

"Ich...Richard."

Erst sah Till mich ein Weilchen perplex an, ehe er nach seinem Telefon griff und jemanden anrief. Es dauerte keine zehn Minuten da erschien auch schon Richard in meinem Sichtfeld. Wo Till vorhin gekniet hatte, saß nun Richard.

"Darf ich dich anfassen?"

Schwach nickend beantwortete ich seine Frage. Vorsichtig nahm er mich an die Hand und zog meinen Körper auf seinen Schoß. Sanft fuhr seine rechte Hand meinen Rücken auf und ab während seine andere in meinen Haaren verschwand.

"Alles ist gut. Atme mit mir."

Ich tat wie mir geheißen und konzentrierte mich auf Richards gleichmäßige Atmung, seinen Herzschlag und seinen Duft. So gut ich konnte atmete ich mit ihm ein und aus. Es half mir meine Atmung wieder zu regulieren. Auch mein Herzschlag beruhigte sich und mein Gesicht hörte auf zu kribbeln.

"Geht es wieder?", fragte Richard mich leise.

Stumm nickte ich nur mit dem Kopf. In dieser Position blieben wir noch ein Weilchen sitzen, ehe wir uns voneinander lösten und wieder nach drinnen gingen.

"Komm du musst was trinken.", murmelte Richard leise. Ohne Vorwarnung legte er seine Arme um meine Mitte und trug mich in die Küche. Sanft setzte er mich auf der Kücheninsel ab.

Stumm beobachtete ich ihn dabei wie er ein Glas mit Wasser füllte und es mir anschließend gab. Till stand etwas abseits des Geschehens. Ich konnte seine Blicke auf mir spüren. Still nippte ich an meinem Wasser. Richard stand gegenüber von mir. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er an der Küchenzeile. Till sowie auch Richard beobachteten mich wie ich mein Wasser trank.

"Ich denke wir sollten reden, Ludmilla.", seufzte Richard schließlich leise. Aus welchem Grund auch immer, jagte der Satz mir einen Schauer über den Rücken. Etwas unsicher hob ich den Blick und sah meinen Gegenüber an.

Die verdrängte Wut von vorhin packte mich wieder. "Dann rede." Ein paar mal öffnete und schloss Richard seinen Mund, als würde er etwas sagen wollen, doch kein Wort floss über seine Lippen. Till stand nur stumm daneben.

"Du hast die Fotos gesehen, oder?" Fragte er schließlich das, was mir auf der Seele brannte. Ja die Bilder.

"Yap.", antwortete ich nur knapp. Etwas unwohl verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Nervös kaute ich auf meiner Lippe, während ich darauf wartete das Richard fortfuhr. Der schwarzhaarige schien nach Worten zu ringen. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

"Warum machst du mich dafür fertig, Till geküsst zu haben, wenn du selber mit Paul vögelst." Sprach ich schließlich meine Gedanken aus. Ich hatte die Warterei satt. Erneut schien Richard nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte.

"Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Ich denke, dein Geständnis hatte mich nur so verärgert, weil ich dich ebenfalls betrogen hatte. Ich weiß das ist keine Entsch-"

"Also hast du wirklich mit Paul geschlafen?" Fassungslos sah ich ihn an. Ein Kuss war die eine Sache, aber mit jemanden anderen zu ficken die andere. Ich wusste nicht so recht was ich davon jetzt halten sollte. Das Richard meine gestellte Frage nicht beantwortete, reichte mir als Antwort.

Im Augenwinkel konnte ich sehen das Till die ganze Situation unangenehm wurde, weshalb er sich kurzerhand aus dem Staub machte. Wie gerne ich ebenfalls diesen Gespräch entkommen würde. "Heißt das das wars jetzt?", stellte Richard die einzige Frage die gerade in meinem Kopf umherflog.

"Ich denke nicht das wir es nochmal versuchen sollten." Der Satz tat doch mehr weh als ich dachte.

"Also, machst du Schluss?"

Warum klang er so gekränkt? Immerhin hatte er mich und ich ihn betrogen. Auf dieser Grundlage konnte man doch keine gesunde Beziehung aufbauen. Richards Frage hing wie ein dichter Nebel in der Luft. Die erdrückende Stille war unerträglich. Nur das Ticken einer Uhr war zu hören.

"Ich glaub es ist besser so.", flüsterte ich heiser. Leicht nickte Richard nur mit dem Kopf. Langsam trat er ein paar Schritte vorwärts. Seine Lippen berührten kurzweilig meine Wange ehe er wortlos aus der Wohnung verschwand.

Wie versteinert blieb ich sitzen. Das wars gewesen. Eine einzelne Träne kullerte meine Wange hinab.

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Ich hasse dieses Kapitel.

Liebe ist für alle da Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt