KAPITEL 7 - 🎃

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dortmund, deutschland
31st oct (halloween)

point of view
gio

"Jude, ey, Jude, alter, halt die Klappe. Sei gefälligst leise. Der hat mir das in der Fahrstunde gesagt!"
"Eure Fahrstunden sind doch keine Therapiestunden mit Schweigepflicht. Du kannst mir das ruhig erzählen und ich kann dazu ruhig meine Meinung kundtun!", entgegnete mir Jude und riss sich dann aus meinen Griffen los, die ihn gerade versuchten davon abzuhalten uns beide in eine missliche Lage zu bringen. Aber Jude war Jude und Jude war niemals pflegeleicht.
"JO PISZCZU, EIN VÖGELCHEN HAT MIR GEZWITSCHERT, DASS DU VOR HAST DIE HALLOWEEN PARTY ZU SCHWÄNZEN!", brüllte Jude dann über den halben Fußballplatz zu Lukasz, der gerade gemeinsam mit Marco am Zaun stand, nun aber zu uns sah, wie auch der Rest der Mannschaft — wohlgemerkt.
Sein Blick lag nur kurz auf Jude, dann schweifte er direkt zu mir. Natürlich wusste er, dass ich dieses "Vögelchen" war. Ich versuchte möglichst versöhnlich zu lächeln, konnte aus der Entfernung aber nicht erkennen, wie Lukasz dem gegenüber stand.
"Wir haben gesagt, dass die Halloweenparty für alle Pflicht ist dieses Jahr. Mit Verkleidung!", stellte Jude klar. Ich schloss meine Augen. Wieder einmal bereute ich es manche Dinge mit Jude zu teilen. Lukasz würde mich dafür umbringen.
"Erschieß mich", flüsterte ich Jadon zu, als ich bemerkte, wie Lukasz sich von Marco trennte und stattdessen zu uns kam. Dass sein Gesichtsausdruck nicht sonderlich erfreut war, wurde mir mit jedem Meter bewusst, den er zwischen uns verkürzte.
"Jude..."
Lukasz legte bestimmt und mit viel Kraft seinen Arm um Judes Schulter, dass Jude kurz etwas in die Knie ging.
"Guck mal, wenn ich nicht auf die Halloween Party gehen möchte, dann muss ich nicht gehen. Das steht nicht in meinem Vertrag geschrieben!", erklärte er mit bedrohlich ruhiger Stimme. Aber Jude ließ sich davon nicht einschüchtern. Ließ er sich überhaupt von irgendetwas einschüchtern?
"In deinem Sozialvertrag gegenüber dem Club steht das geschrieben. Vergiss nicht, dass wir eine Strafkasse führen. Ich zieh dich richtig ab, wenn du heute nicht auftauchst!"
Jude wagte es sogar den Finger zu heben. Ich schloss nur meine Augen und versteckte mich mit dem halben Körper hinter Jadon. Ich wusste nicht, wie Mats Judes teils manchmal auch respektloser Art gegenüber stand, aber ich wusste genau, dass Jude Lukaszs Beliebtheitsskala gerade tief herunterpurzelte.
"Das wagst du nicht!"
"Probier's aus!", entgegnete Jude. Ich schluckte schwer. Lukaszs Ader pulsierte mittlerweile an seiner Schläfe und er kaute auf seiner Unterlippe herum. Sein Blick könnte düsterer nicht sein. Jude und er standen in einem intensiven Starrduell, was mich selbst total nervös machte. Es war brenzlig, wenn man das so formulieren konnte. Aber schließlich war es doch tatsächlich Lukasz, der schnaubend nachgab.
"Ich tauche für einen Drink auf!"
Jude zuckte mit den Achseln.
"Mir egal für was du auftauchst. Hauptsache du tauchst auf. Verkleidet!"
"Ich habe keine Verkleidung!"
"Das ist nun nicht wirklich mein Problem!"
Lukaszs Nasenflügel blähten sich weit aus, er schloss einige Sekunden lang seine Augen und ließ dann von Jude ab.
"Pass auf, dass du es nicht zu weit treibst, Kleiner.", warnte Lukasz Jude. Und dann sah er kurz zu mir, ein Blick der alles und nichts aussagte. Er verließ uns.
Jude drehte sich zu Erling, Jadon und mir und schürzte seine Lippen.
"Bro, ich hab mir glaub ich in die Hose gepisst. Das war...", murmelte er und ich unterbrach ihn: "Heiß"
Das Wort kam unbewusst über meine Lippen. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ich es gedacht hatte. Aber wenn ich den Moment jetzt Revue passieren ließ. Lukaszs pulsierende Ader, die zuckenden Muskeln in seinen Armen. Ja, das war schon ziemlich heiß gewesen.
"Junge, ihr seid einfach so schrecklich!", schüttelte Jadon seinen Kopf.
"Denkt ihr, der nimmt mir das Übel?", fragte Jude ein wenig dämlich. Ich lachte leise.
"Ne, der nimmt das bestimmt ganz locker!"
Jude neigte seinen Kopf nach rechts und dann nach links.
"Ironie?", spekulierte er. Ich nickte hastig.
"In Großbuchstaben!"

.・゜゜・ 🏎️ ・゜゜・.

Heute war Halloween und einige aus unserer Mannschaft hatten einen Club gemietet in dem eine Halloween Verkleidungsparty stattfand. Meine Freunde und ich waren schon seit zwei Wochen am Werkeln, wie wir uns am besten verkleiden konnten. Wir hatten lange gegrübelt, überlegt, ob wir als Team auftreten wollten, aber uns war kein gruseliges Team mit vier Mann eingefallen. Im Endeffekt war jetzt jeder aus einem anderen Film.
Erling war der Joker. Jadon hatte sich für ein Kostüm aus Top Gun entschieden und Jude war neuerdings begeistert von seinem Aladin Kostüm, dass für meinen Geschmack zwar herzlich wenig mit Halloween zu tun hatte, aber Jude verfolgte auch einen viel tiefgründigeren Plan, als bloß ein gutes Halloween Kostüm. Er wollte heute flirten. Und dazu passte das Aladin Kostüm, was nahezu seinen ganzen Oberkörper freilegte, ziemlich gut. Ich hatte mich für das gute, klassische Teufelskostüm entschieden. Mir pochten zwei Hörner rechts und links auf der Stirn, Kunstblut floss aus meinem Mund und meinem linken Auge und ich trug einen schwarzen Anzug mit rotem Top.
Wir schossen noch Zuhause ein gemeinsames Foto für die Instagram Story und verschwanden dann gegen zehn zur Halloween Party.
Der Club war voll und durch die Kostüme war es eher ein Ratespiel, wem man alles begegnet. Jude hatte von Marwin den Auftrag bekommen eine Checkliste durchzuführen, wer alles da war, denn Marco hatte dieses Treffen heute wirklich als Pflichtveranstaltung deklariert und nachdem Lukasz sich hatte drücken wollen, wollten Marwin und Marco auf Nummer sich gehen. Dass sie die Aufgabe ausgerechnet Jude überlassen hatten, war sicher nicht der beste Weg, damit er sich auf der Beliebtheitsskala von Lukasz wieder hocharbeitete, mal ganz abgesehen davon, dass Jude auch einen Shot nach dem anderen verdrückte und um elf Uhr schon zu betrunken war, um gerade zu gehen, weswegen ich seine Seite nicht verließ.
"Okay, also... uns fehlen noch..."
Jude presste sich die Anwesenheitsliste vor die Nase und versuchte im dunklen Licht des Clubs etwas zu erkennen. Ich nahm mein Handy heraus und leuchtete auf die Liste. Jude war dabei so unsicher auf den Beinen, dass er einfach gegen mich fiel, was ich kommentarlos ließ.
"Uns fehlen noch Marco...", meinte ich.
"Nein der ist da, der hat mir ja die Liste gegeben", nuschelte Jude und setzte ein Haken, zwar nicht in das Kästen vor Marcos Namen, aber irgendwo auf dem Papier. Ich leuchtete mit meinem Handy die Liste weiter runter.
"Mats, Marcel, Emre, Tobi und..."
"Dein Fahrlehrer!", lallte Jude: "Den Suchen wir zu erst. Keine Chance, dass der sich drückt!"
"Jude, ich glaub bei seinem Namen ist es besser, wenn du einfach ein Häkchen setzt. Ich denke nicht, dass der angenehm ist, wenn er wirklich sauer ist!"
"Seh ich aus, als ob mich das interessiert?"
Jude sah mich vielsagend an und ich verdrehte meine Augen. Ich hatte ihn gewarnt. Mehr konnte ich nun wirklich auch nicht tun.
"Los jetzt, wir suchen deinen Crush. Vielleicht hat der ja was Nettes an, dann wirst du mir noch danken. Und dann suchen wir Mats. Ich habe Erwartungen!"
Jude war auf einmal nüchtern genug, um mich durch den Club zu ziehen, von der ersten Etage die Treppen runter und sich durchzufragen, ob jemand Mats oder Lukasz gesehen hatte.
Ein weiß bemalter Engel meinte zu uns, dass er sie draußen gesehen habe und so führte uns der Weg in den Außenbereich des Clubs, der überfüllter war, als drinnen.
"Jezus Christ, hier raucht irgendwer. Das ist ekelhaft!", beschwerte sich Jude und wedelte vor seiner Nase.
"Schuldigung, sorry, Platz da, wir müssen durch..."
Jude drängelte sich an den Menschen vorbei und zog mich hinter sich her. Der Außenbereich besaß einige Sitzmöglichkeiten und in der Ecke ganz hinten entdeckte ich dann schließlich Mats und Marcels Gesicht auf einer Couch.
"Da", rief ich Jude zu und übernahm nun die Führung. Als wir fast bei ihrem Tisch angekommen waren, bemerkten uns Mats und Marcel und auch die zwei blonden Kerle, die uns bis zu diesem Moment noch den Rücken gekehrt hatten, sich aber nun umdrehten. Und einer davon war Lukasz.
Er trug keine aufwendige Verkleidung — ehrlich gesagt war es überraschend, dass er überhaupt eine trug. An sich hatte er sich nur eine Schürfwunde auf der Schläfe aufgeklebt und eine Schnittwunde am Unterarm, ein bisschen Blut verschmiert hier und da, etwas Blut lief ihm aus dem Mund, sonst trug er ein enges weißes Hemd und eine schwarze Hose. Aber trotzdem reichte es aus, damit ich kurz meinen Verstand verlor, verdattert stehenblieb. Lukasz sah mich auch an und ich bezweifelte, dass sein intensiver Blick vorteilhaft war, um mich aus meiner Trance zu locken.
"Bin da, zufrieden oder willst du auch noch meinen Ausweis sehen?", brummte er dann kühl und sah von mir weg zu Jude.
"Voll schön, dass du da bist!", quiekte Jude und trat dann zu Lukasz. Ich war mir ziemlich sicher, dass es purer Alkohol war, der aus ihm sprach, als Jude Lukasz dann überschwänglich umarmte. Lukasz schnaubte dazu bloß, ohne die Umarmung zu erwidern, was Jude aber auch nicht weiter störte, denn er wandte sich schon Mats zu, der ihn weitaus freundlicher grüßte und sogar umarmte.
Unsicher blieb ich erst einmal vor dem Tisch stehen, denn ich hatte keine Ahnung, ob Lukasz es mir übel nahm, dass ich ihn heute Vormittag mehr oder minder bei Jude verpetzt hatte. Eigentlich wollte ich mich über WhatsApp bei ihm entschuldigen, aber ich hatte mich nicht getraut.
"Hey Gio", lächelte er mir aber zu und meine Zweifel, ob er sauer war, verblassten ein wenig.
"Siehst teuflisch aus!", fügte er noch hinzu und ich stieß ein ein bisschen hilfloses Lachen aus. Überfordert sah ich zu Marcel und Mats, fragte mich, warum Jude jetzt neben Mats saß, aber nahm das einfach so hin. Ich nickte den beiden zu und auch der vierten Partei, einem unserer Physios, Lance.
"Willst du dich auch setzen?", fragte mich Lukasz dann und forderte Lance auf ein bisschen nach links zu rutschen. Ich ließ mich also neben Lukasz auf die Bank sinken. Mein ganzer Körper spielte verrückt, als sich unsere Oberschenkel streiften und ich glaubte, dass Marcel das bemerkte, so amüsiert, wie er aussah.
"Hätte nicht damit gerechnet, dass du auftauchst!", gab ich leise zu.
"Damit das Ordnungsamt dort mich auf die rote Liste setzt oder was?", antwortete Lukasz und deutete mit seinem Kopf zu Jude. Marcel lachte vor uns und schüttelte anschließend über Lukaszs Kommentar seinen Kopf.
"Ich... ich wollte dich nicht verpetzen", entschuldigte ich. Lukasz lächelte sanft und schüttelte seinen Kopf.
"Kein Problem!"

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