KAPITEL 19

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dortmund, deutschland
december 2020

point of view
lukasz

Dass Jude heute nicht zum Training erschien, war keine Überraschung. Die größere wäre es eher gewesen, wenn er heute da gewesen wäre. Gio meldete ihn krank und Edin hatte keinen Grund dem gegenüber skeptisch zu sein, also war er es auch nicht.
Zu erklären, warum Gio und ich heute zusammen zum Training gekommen waren, war einfach: vorgezogene Fahrstunde. Die Wahrheit musste keiner wissen und trotzdem war da eine innere Stimme, die am liebsten wollte, dass jeder es wusste, damit ich jetzt einfach zu Gio gehen und ihn berühren könnte. Ich musste ihn nicht zwingend küssen, aber nur eine kurze Berührung unserer Finger. Mich zog eine innere Kraft zu Gio, die ich lange nicht mehr gespürt hatte. Eine Kraft, die ich eigentlich in meiner Jugend hinter mir gelassen hatte und die jetzt wieder in meinem Körper präsent war.
Ich hatte versucht nichts für ihn zu empfinden, aber jetzt war die Truhe offnen und jetzt fühlte ich so unfassbar viel. Alles in mir kribbelte, wenn sich unsere Blicke trafen und mein Herz machte jedes Mal einen Hopser, wenn er lachte. Es kostete mich jegliche Selbstbeherrschung nicht direkt mitzulachen.

Eine andere Sache, die meine Gedanken wachhielt, war Mats. Was wohl zwischen Jude und ihm geschehen war? Ich hatte Gio gefragt, aber er schien ehrlich keine Ahnung zu haben. Da ich Mats ziemlich gut kannte, hatte ich lauter Vorahnungen und kaum eine davon war gut. Mats war in der Lage Menschen wie Dreck zu behandeln, wenn sie den falschen Nerv bei ihm trafen.
"Hast du eigentlich irgendetwas von Jude gehört?", riss ich irgendwann Jude als Thema an und hoffte inständig, dass ich nicht irgendwie zu viel verriet, immerhin wusste niemand außer Jude, Gio und mir von der gestrigen Verfolgungsjagd. Ich sah zu Mats herüber und mir entging nicht, wie sich seine ganze Mimik verhärtete. Ein weiterer Beweis dafür, dass etwas geschehen war.
"Alles gut?", hakte ich also nach.
"Ja!", schnaubte Mats zickig und drehte seine Wasserflasche auf.
"Aber ich hab nichts von Jude gehört. Schätze mal, dass der erkältet ist. Die Temperaturen sind ideal für eine Erkältung!", antwortete Mats.
Er würde mir einen feuchten Dreck erzählen
Ich ergab mich, bevor ich wirklich losgelegt hatte, denn nach zehn Jahren wusste ich, dass das eine ergebnislose Handlung wäre.
"Wie läufts eigentlich mit Phoebe?", fragte Marcel dann, riss das dritte Thema auf, was mich in der Nacht wachgehalten hatte.
"Ist vorbei", antwortete ich kurz und knapp. Marcels Ausdruck wich in Überraschung, ähnlich dem von Mats, was für mich allerdings nicht überraschend kam, immerhin wussten sie nicht, dass ich gestern Gio geküsst hatte. Am Morgen hatte ich Phoebe gefacetimed. Es war zwar nicht die feine britische Art am Telefon Schluss zu machen, aber sie war zwei Wochen in Italien und ich hätte es nicht geschafft zwei Wochen lang eine Beziehung am Laufen zu halten, die emotional für mich nicht länger existierte. Das war ich nicht. Ich betrug keine Menschen. Zudem hatte Phoebe das auch nicht verdient. Zwischen der nicht ganz so feinen britischen Art und der Idee sie zu betrügen, hatte ich ersteres gewählt. Ich hatte behauptet, dass ich mich auf den Fußball fokussieren wollte, aber ich glaubte, dass sie geahnt hatte, dass es einen anderen Grund gab, dass ich die Sache zwischen uns abblies. Ich hoffte bloß, dass sie nicht glaubte, dass ich sie betrug, denn das war ein Gefühl, was ich ihr nicht vermitteln wollte. Phoebe war kein schlechter Mensch und ich hatte niemals die Intention gehabt Gio zu küssen, obwohl etwas zwischen uns lief. Gestern war einfach geschehen und so nicht meinem Charakter gleich gewesen. Es ekelte mich an. Ich hatte mich schnell aus Phoebes Leben entfernen müssen, bevor ich unwiderrufbaren Schaden tat.
"Aber ich dachte, du magst sie"
Ich mag Gio aber lieber
Diese Antwort gab ich Marcel natürlich nicht. Stattdessen zuckte ich nur mit meinen Achseln.
"Geht's dir gut damit?"
Absolut
"Jaja", nickte ich und hörte Gio dann lachen. Automatisch schlich sich auch ein Lächeln auf meine Lippen.
"Möchtest du dann heute Abend vielleicht zu mir? Dann kannst du uns erzählen, was geschehen ist!"
Ich sah zu Mats herüber.
"Nehm es mir nicht übel, aber ich glaub, ich bin den Abend heute lieber allein!", sagte ich ab.

.・゜゜・ 🫧 ・゜゜・.

"Jude meint, dass er okay ist. Er ist schon heute Morgen nach England geflogen, für die Nationalmannschaft. Glaub so ein Tapetenwechsel ist mit das beste, was ihm passieren kann!"
Gio war gerade dabei sein Handy wegzustecken, als er aus dem Wohnzimmer in die Küche kam. Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig zu dem Moment um, als er sich gegen mich warf. Sofort schlang ich meine Arme um ihn und drückte ihn noch enger an mich, sofern das überhaupt möglich war.
"Und wann geht dein Flug morgen?", nuschelte ich in seine Haare.
"Fuckin acht Uhr morgens!", jammerte er in meine Brust hinein und stieß ein künstliches Weinen aus, was mich lachen ließ. Ich vergrub meine Nase noch tiefer in seinen schwarzen Locken und schloss meine Augen. Auf meinen Lippen lag der Satz, wie sehr ich ihn vermissen würde, aber ich behielt ihn für mich.
"Ich frag mich ehrlich, was zwischen Jude und Mats abgegangen ist.", gab Gio zu. Er hob seinen Kopf aus meiner Brust und lehnte sich stattdessen mit seiner Hüfte gegen die Küchentheke.
"Ich hab versucht irgendetwas bei Mats zu erfragen, aber zwecklos"
Gio seufzte und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen.
"Ah fuck, ich muss dem BVB noch Bescheid geben, wann das Taxi mich morgen zum Flughafen bringen soll"
Gio war gerade dabei sein Handy aus der Hosentasche zu fischen, aber ich rief ihn mit einem "ey, ey" zurück und zupfte seine Hand am Handgelenk aus der Hosentasche.
"Ich fahr dich!"
Gio sah hoffnungsvoll zu mir hoch.
"Ehrlich?"
Ich nickte, fast ein wenig empört, dass Gio von irgendetwas Anderem ausgegangen war.
"Du bist ein Schatz!", flüsterte er und warf sich dann wieder gegen mich. Das Lächeln, was er mir damit entlockte, war um meiner Eigenwillen etwas zu groß, aber ich hatte gerade wirklich keine Lust mich damit auszusetzen, wie gefährlich es war sich in Gio zu verlieben. Nachdenken machte immer alles kaputt und ich wollte das zwischen Gio und mir nicht kaputtmachen. Es fühlte sich gut an. Viel, viel, viel zu gut. Und deswegen presste ich mein Gesicht in seine Halsgrube und versank einfach in der Umarmung.
"Ich werd dich richtig vermissen!", nuschelte Gio, seine Lippen zeichneten die Worte gegen meine Haut ab. Ich biss mir auf die Unterlippe und ballte den Stoff seines Hoodies in meiner Hand zusammen.
"Ich werd dich noch mehr vermissen!"



💭  🎬

surpriseeeee
nach fast vier Monaten hier ein neues Kapitel haha
honestly, ich war beim schreiben die ganze zeit so:
ah, Gio und Lu so healthy relationship vibes I can't haha
😂
I need more of that 🐣
jedenfalls hoffe ich,
dass ihr euch über dieses Kapitel freut

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