KAPITEL 14

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dortmund, deutschland
november 2020

point of view
lukasz

"Wann lerne ich denn mal einen von deinen Freunden kennen?", fragte mich Phoebe. Sie hakte ihren Arm in meinem ein und sah zu mir hoch.
"Wenn ich sie gut genug erzogen habe, damit ich sie dir vorstellen kann!", wich ich aus. Ich vergrub meine Hände tiefer in den Taschen meiner Jacke und kickte einen kleinen Kieselstein aus dem Weg. Phoebe seufzte, aber damit sie nicht noch weiter auf das Thema Freunde eingehen konnte, was schnell auch zum Thema Familie führen konnte, schnitt ich ein komplett anderes Thema an.
"Wie war Barcelona?"
Phoebe war Werbetexterin eine Werbeagentur. Ich hatte sie vor zwei Monaten kennengelernt, als ich selbst einen ihrer Texte sprechen sollte für einen Werbeclip. Da ihr Zeitplan eng getaktet war und ihr Beruf sie genauso viel um die Welt brachte, wie der Fußball mich, war unsere Zeit nur begrenzt. Wir konnten uns nicht wirklich oft treffen, aber das kam mir ganz gelegen, weil ich dadurch wenigstens einen legitimen Grund hatte es langsam angehen zu lassen. Und ich ließ es auch wirklich sehr langsam angehen. Wir waren bislang noch nicht einmal bis zum ersten Kuss gekommen.
"Wärmer, als Köln", murmelte sie und grinste schief unter ihrem schwarzen Schal hervor. Ich lachte auch leise.
"Nein, war wirklich schön. Mein Spanisch ist aber wirklich eingerostet!"
"Du sprichst spanisch?"
Sie nickte.
"Aber nur Schulspanisch. Ich hab vor einigen Jahren noch einmal einen Kurs an der Volkshochschule besucht, aber dann bin ich für drei Monate nach Italien gegangen und musste ihn unterbrechen!", erklärte sie. Ich pfiff.
"Du hast gar nicht erzählt, dass du in Italien warst!"
"Rom", murmelte sie.
"La Dolce Vita", murmelte ich und versuchte mich dabei an einem Witz. Sie umarmte meinen Arm etwas fester und murmelte, dass La Dolce Vita ein bisschen von den horrenden Preisen zerstört wurde.
"Und dich hat's niemals ins Ausland gezogen?"
"Deutschland ist mein Ausland!"
"Ja, aber weiter. Italien, England oder Spanien oder so"
Ich schüttelte meinen Kopf. Ich fühlte mich viel zu wohl in Dortmund, um jemals mit dem Gedanken zu spielen weiterzuziehen. So lange ich nicht musste, ging ich nicht weg, hatte ich mir immer gesagt und das hatte mich durch meine Karriere gebracht. Zu meinem Glück hatten alle Trainer auf mich gesetzt. Erst diese Saison war es das erste Mal, dass ich keine regelmäßige Spielzeit bekam, obwohl ich gesund war, aber für das letzte Jahr meiner Karriere zog ich auch nicht mehr aus Dortmund weg.
"Bleibst du nach deinem Karriereende in Deutschland?", fragte mich Phoebe. Ich zuckte mit den Achseln.
"Teils, teils. Ich hab eine BVB Akademie in Polen, dementsprechend werde ich ständig hierhin kommen müssen!", erklärte ich.
"Du hast eine BVB Akademie?"
Ich nickte. Daraufhin boxte mir Phoebe in den Oberarm.
"Wie kannst du mir das zwei Monate verschweigen?"
Sie lachte fröhlich und ich schmunzelte auch ein wenig.
"Du hast nicht gefragt!"
Phoebe verdrehte ihre Augen.
"Entschuldige mich der Herr, dass ich nicht gefragt habe, ob du eine Borussia Dortmund Akademie in Polen besitzt!", lachte sie und zog mich dabei etwas mittiger auf den Weg des Parks, den wir gerade entlangliefen. Ich stieg in ihr Lachen mit ein, weil ich durchaus bemerkt hatte, dass mein Vorwurf etwas unbegründet war. Phoebes Körper drückte sich dem meinen dabei immer näher und irgendwann lag ihr Kopf gegen meine Schulter gepresst und sie sah mich an. Ihre kalte Hand legte sich auf meine Wange, ihr Daumen strich über meine Haut. Ich versuchte mich an einem möglichst echten Lächeln.
"Du bist echt eine harte Nuss zu knacken", flüsterte sie. Ich seufzte leise.
"Ich weiß", murmelte ich: "Tut mir leid!"
Ich war ein komplizierter Mensch, wenn es um Beziehungen ging, da war Phoebe nicht die erste, die mir das sagte. Ob Partner, Familie oder Freunde, der Vorwurf kam in jeder meiner Beziehungen irgendeinmal vor und war, in der Vergangenheit zumindest, einer der Mitgründe gewesen, warum meine Beziehungen gescheitert waren, wenn nicht sogar der Hauptgrund. Ich tat es nicht mit Absicht. Wenn ich wollte, würde ich mehr von mir erzählen. Aber in meinem Kopf pulsierte ein riesiges rotes Stopp-Schild, wie eine Schranke. Und dann konnten meine Lippen einfach nicht weiterfahren und ich behielt es für mich.
"Ist okay. Ich hab das Gefühl, dass du es wert bist!", murmelte sie. Ihre Hand sank etwas tiefer und lag schließlich in meinem Nacken. Sie wartete auf einen Kuss. Persönlich würde ich lieber noch warten, aber das wollte ich jedes Mal. Wenn ich noch länger wartete, lief ich Gefahr Phoebe zu verlieren und das wollte ich nicht. Sie tat mir gut, meinte Marcel.
Also schob ich meine Zweifel beiseite und beugte mich zu ihr vor und platzierte meine Lippen auf ihren. Der Kuss war zart, ganz ruhig. Für den leidenschaftlichen Kuss war ich nicht wirklich zu haben.
Langweiler, auch ein Vorwurf, den ich oft bekommen hatte. Ich war nun einmal nicht Mats. Bis es bei mir leidenschaftlich oder wild wurde, brauchte es eine lange Eingewöhnungsphase. Es brauchte Zeit, bis ich mich sicher genug fühlte, um diese Schicht abzustreifen.
Und deswegen war das jetzt ein ruhiger Kuss, mehr ein Streifen der Lippen, als wirklich ein Kuss.
Aber Phoebe schien das genug. Denn als wir uns von einander lösten, zierte ein Lächeln ihre Lippen.
"Auf diesen Kuss zu warten, hat sich auf jeden Fall schon einmal gelohnt!", hauchte sie. Ich lächelte ein wenig und brachte dann wieder Abstand zwischen uns.
"Wollen wir was Essen gehen? Ich kenne einen guten Italiener!"

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