5. Kapitel: Vom wirklichen Leben....

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Karin:
Ich hatte mir gerade eine Einweisung bei Gabriele und Hr. Ebelsieder eingeholt, als die A-Crew vom Einsatz zurück kam. Meine Aufregung stieg. Bald war Schichtwechsel und mein erster Dienst begann. Inzwischen kannte ich auch Biggi und Ralf, die mich beide herzlich begrüßt hatten. Um dann beim Einsatz gut bescheid zu wissen, schaute ich mir die Notfalltaschen genau an.
Marc rannte an mir vorbei mit leicht geröteten Augen. Danach scherbelte etwas in der Küche. "Verdammte Scheiße!" Ich ging in die Küche, wo Marc gerade dabei war
eine zerbrochene Tasse in den Müll zu schmeißen. "Kann ich dir irgendwie helfen?" Irgendetwas bedrückte ihn das konnte man sehen. Vielleicht hatte es etwas mit dem letzten Einsatz zu tun. Manche Einsätze vergaß man nie. Aber wenn man nachdem Einsatz nicht darüber sprach oder es nicht verarbeitete, frisst es einen irgendwann auf. Diese Situation kannte ich, wie wahrscheinlich viele Rettungsassistenten, Notärzte, Feuerwehrleute und Polizisten sehr gut.
In Hamburg musste ich einmal mit ein todes Kind aus einen Autowrack bergen.
Die Bilder verfolgten mich Monate lang. "Hast du Lust mal zehn Minuten mit vor die Tür zu gehen?" Marcs Worte rissen mich aus meinen Gedanken. "Ja klar."

Marc:
Ich fande es sehr freundlich das Karin mir ihre Hilfe anbot. Sie schien eine nette und aufmerksame Kollegin zu sein. Obwohl ich sie kaum kannte, gingen wir an die frische Luft und ich begann zu erzählen: "Weißt du manche Einsätze vergisst man nicht. Der letzte Einsatz heut war so einer. Ein junger Mann hatte sich eine Überdosis Drogen verpasst und war daran gestorben. Das schlimmste war seine Freundin musste alles mit ansehen. Sie hat noch versucht ihn wieder zu beleben, aber keine Chance. Ja ich weiß wir dürfen nicht alles an uns heran lassen, denn es ist unser Job. Wir dürfen das was wir sehen nicht mit nach Hause nehmen. Aber soll ich denn wirklich herzlos werden, so das mir alles am Arsch vorbei geht? "
Karin packte mich an den Armen. "Nein Marc, so sollst du gar nicht werden. Klar du darfst nicht alles an dir heran lassen und musst wenn dich was beschäftigt mit jemanden darüber reden. Aber auch du als Arzt kannst weinen wenn jemand stirbt und wenn dich ein Menschenschicksal beschäftigt ist das keine Schande.
Marc genau in dem Moment wo dich Schicksale kalt lassen und jeder Mensch der stirbt nur noch ein Gegenstand ist wirst du ein herzloser Arzt. Das ist nicht gut. Denn wir Ärzte sind auch nur Menschen und keine Götter."
Wie recht sie doch hatte. Ich umarmte Karin spontan und bedankte mich. Danach ging ich mich umziehen und fuhr in die Klinik.

Karin freute sich das sie ihrem neuen Kollegen helfen konnte. Kurze Zeit später hatte sie ihren ersten Einsatz. Ein älterer Mann hatte einen Schlaganfall erlitten. Alles lief reibungslos ab. Die Zusammenarbeit mit Biggi und Ralf fand Karin super.
Der restliche Dienst blieb ruhig. Daher blieb viel Zeit zum quatschen. Karin erzählte von ihrer Zeit in Hamburg, Ralf davon das er bald Vater wird und Biggi vom Motorrad fahren.

Marc ging im Krankenhaus Richtung Psychiatrie. Dabei überquerte er ein Stück die Chirurgie. "Hr. Dr. Harland. " Der Notarzt fuhr herum. Vor ihm stand der Motorradfahrer, dessen Freundin sich vor einer Woche mit Tabletten umbringen wollte. "Ich wollte mich nochmal bei ihnen bedanken für alles. Meine Freundin ist zwei Tage später wieder aufgewacht und hat keine bleibenden Schäden davon getragen." "Es ist mein Job. Aber es freut mich sehr für euch beide. Passt in Zukunft gut aufeinander auf." "Ja, dass werden wir." Der junge Mann schüttelte Marcs Hand und ging weiter. Auf der Psychiatrie fragte sich Marc bis zu Gina Aigner durch.
Als er das Zimmer betrat saß sie am Fenster. "Ach der Notarzt. Schickt sie die Psychotante?" Marc zog sich einen Stuhl zu ihr ans Fenster. "Erstens ich heiße Marc. Und zweitens wie du schon sagtest ich bin Notarzt, kein Psychologe." "Sorry, aber mich nervt das hier alles. Die Notfallseelsorgerin war sehr nett. Doch dann kam noch irgendeine Psychologin. Hielt mir einen Vortrag über Drogen und erzählte mir dann irgendwas von heiler Welt. Ich habe kein Wort zu ihr gesagt." "Warum?"  "Sorry Marc, aber warum soll ich jemanden etwas erzählen, der keine Ahnung vom Leben hat. Nicht alle, aber manche Psychologen leben irgendwann in ihrer eigenen Welt. Sie verlieren den Bezug zur Realität. John war ein junger gut gebildeter Fachinformatiker. Er verstand seinen Job. Bis wir eines abends mit Freunden in einer Disco in München waren. Irgendjemand muss ihm das Zeug ins Glas gemischt haben. Danach war er nicht mehr er selbst. Die Drogen und Sucht fraßen ihn auf. Seine Eltern sind vor ein paar Jahren nach Norwegen ausgewandert und meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben. Ich bin jetzt ganz allein. Genau das ist das wirkliche Leben." Gina sah zu Marc. Ihr Blick war so eiskalt das es Marc eine Gänsehaut über den Körper trieb. Trotzdem legte er vorsichtig seine Hand auf ihren Arm. "Du bist nicht allein."


Medicopter 117 - Zwischen Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt