Kapitel 24

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Die nächsten 24 Stunden gingen wir uns komplett aus dem Weg. Sie erwischte mich, genauso wie ich sie, beim anstarren. Sonst war da nichts. Immer war jemand da gewesen der von etwas Neuem erzählt hat oder einfach nur da saß und für etwas Stimmung sorgte, sodass es mir leichter fiel diese Frau nicht wegen diesen 3 verdammten Worten anzusprechen.

"Nur zwei Fremde", spuckte es mir im Kopf herum.

Warum zerbreche ich mir auch so den Kopf darum? Ich habe meinen Kuss bekommen den ich wollte. Doch irgendwas in meinem Inneren sagt mir, dass es nicht alles war was ich von ihr wollte. Nein, ich wollte auch nicht mehr vom körperlichen. Es war etwas anderes. Fremdes.

Seufzend lehne ich mich zurück und versuche nicht weiter darüber nachzudenken, da hört man schon die Haustür aufgehen.

"Ratet mal wer zu Hause ist!", ruft Paco durchs Haus und ich kann mir sein Grinsen schon bildlich vorstellen. Doch statt, dass Paco wie gewöhnt mit Ramona ins Wohnzimmer tritt, hat er Gabriella auf den Armen.
"Gabriella?", ich wunder mich im Nachhinein selber wie überrascht meine Stimme klingt.
Vorsichtig, als wäre sie aus teurem Porzellan, lässt Paco sie auf dem Sofa nieder. "Jaa endlich kein Krankenhaus-Essen mehr!"
Sie lächelte und Pacos lachen verbreitete gute Laune. Nach kurzer Zeit haben sich auch die anderen im großen Wohnzimmer gesammelt und reden wild durcheinander. Früher habe ich das gehasst. Wenn es einfach zu laut war, jeder durcheinander redet und man nichts mehr mitbekommt, doch es hat sich eben viel geändert. Nicht alles im Positiven, aber der Großteil.

"Adriana? Was machst du denn hier?", die verwirrte aber auch begeisterte Stimme von Gabriella zieht mich zurück in die Realität und alle Blicke fallen auf die kleine, schwarzhaarige Latina.
"Ist eine lange Geschichte. Wie gehts dir?", ihr aufgesetzes Lächeln, würde selbst der größte Idiot bemerken, doch Gabriella ignorierte es und zog sie einfach in ihre Arme.

Die beiden reden über Gott und die Welt. Niemand ausser ich scheint zu merken, dass Adriana sich unwohl fühlt. Wie denn auch nicht? Sie ist diejenige die für die Kratzer im Gesicht und die anderen Schäden an ihr gesorgt hat.
"Wir müssen reden", selbst wenn Adriana nur leise flüsterte, konnte ich sie genau hören.
Zur einen Seite kommt ein schlechtes Gefühl in mir hoch, ich habe sie so gedrängt, dass sie es ihr selber erzählen muss, doch zur anderen Seite, war es die richtige Entscheidung.
"Ich denke wir sollten die beiden mal alleine lassen", mit den Worten stand Paco auf und verscheuchte uns alle in den Garten. Im Moment versuchte ich mir noch auszumalen wie Gabriella reagiert. Wütend? Ruhig? Geschockt? Oder alles aufeinmal?

Lange müsste ich nicht mehr warten, denn sobald es raus ist, wird man es sicher bis in den Garten hören, da auch die Tür offen steht.
Nach nur kurzer Zeit hört man schon Gabriellas laute und wütende Stimme durchs Haus schreien.
Ohne zu überlegen gehe ich schnell rein.
"Hol deine Sachen und geh!", Gabriellas Stimme war gebrochen, enttäuscht und wütend zugleich. Über ihre Wangen strömten die Tränen wie ein Wasserfall. Paco kam hinterher gerannt und zieht Gabriella in die Arme. Ich dagegen sehe mich nach Adriana um. Sie war nicht in Sicht. Ich suchte in der Küche, im Garten und auch in der Abstellkamer nach ihr. Wo war sie jetzt bitte so schnell verschwunden?

Stunden später lag Paco mit Gabriella auf dem Sofa. Er strich ihr vorsichtig durch ihr Haar, was sie anscheinend beruhigt, denn sie war an ihn geklammert und hatte die Augen geschlossen. Als wäre er ihr Retter in der Not.
Alle wussten jetzt Bescheid und waren nur noch entsetzt. Flavio und Sergio stritten sich deswegen, dass einer von ihnen wohl gemerkt hatte, dass etwas nicht stimmt. Doch ich wurde aus der Sache raus gelassen, was mir ehrlich gesagt auch lieb war.

Mein Magen knurrte und zog sich zusammen. Ich hatte keine Zeit etwas zu Essen nach dem ganzen Stress. Kochen konnte ich nicht und Gabriella würde ich in ihrer Lage lieber nicht fragen, also entschied ich mich raus irgendwo in Ruhe was essen zu gehen. Als ich zur Tür ging blitzte mir etwas ins Auge. Ich blinzelte kurz und sah den Schlüsselbund mit einem Alfa Romeo Schlüssel daran. Der gehörte niemand anderem als Adriana. Ich nahm die Schlüssel in die Hand und schaute sie mir eine Weile an. Ich könnte die Schlüssel schamlos ausnutzen und den anderen sagen, dass ich ihr sie geben muss, doch ich weiss, dass der einzig richtige Grund ist, dass ich sie sehen muss. Ich will für sie da sein.

Nachdem ich mich auf den Weg machte, überlegte ich wo sich die kleine Latina aufhalten könnte. Da es für einen Mann aber unmöglich war wie eine Frau zu denken, musste ich es eben dem Zufall überlassen. Ich fuhr los. Durch irgendwelche fremden Gassen. Nach einer Zeit musste ich mein Fenster hochkurbeln, da der Gestank von Gras immer unangenehmer wurde. Ich fuhr immer weiter. Ohne die Uhrzeit zu beachten. Ich wusste es war eine lange Zeit die ich hier rumfuhr, aber ich würde nicht aufhören, bis sie ihre Schlüssel hat, bis ich sie wieder sehe.

Irgendwann wurde es schwer meine Augen noch aufzuhalten. Mittlerweile war es stockdunkel und die Hoffnung in mir sank, dass ich Adriana noch finden würde.
Doch plötzlich entdeckte ich sie. Sie saß an einem alten Haus angelehnt, welches jeden Moment umzufallen drohte. Nur ein kleines flakerndes Licht gab mir die Bestätigung, dass sie es ist, als ich ausstieg. Ihre Beine hatte sie an sich gezogen und mich ignorierte sie einfach.

"Ana", sagte ich und ging schneller auf sie zu. Bei ihr angekommen, kniete ich mich zu ihr runter. "Hey Kleine", versuchte ich es ein zweites mal, doch sie reagierte nicht. Vorsichtig hob ich ihr Gesicht an um ihr in die Augen zu sehen. Doch da traf mich der Schock.
Sie war verheult und sah schlimm aus. Ihre dunklen Augenringe stachen sofort heraus, ihre leicht geröteten Augen sagten mir, dass sie die ganze Zeit geweint hatte und ihr kaltes Gesicht, dass ihr kalt war. Ohne zu zögern zog ich meine Jacke aus legte sie ihr über die Schultern.
"Was willst du hier Nesto?", ihre Stimme war ein leises, heisernes Murmeln.
"Du hast deine Schlüssel bei uns vergessen, aber desweg-"
Sofort wich sie mir von der Seite. Meine Jacke warf sie achtlos weg.
"Du kannst wieder gehen", sagte sie jetzt mit festerer Stimme.
"Ana", versuchte ich es. "Geh!", wieder war ihre Stimme gebrochen, sie war kurz davor wieder loszuweinen, doch ich würde sicher nicht gehen.
"Nein Ana ich gehe nicht"
"Geh doch einfach Nesto! Ich hab ja jetzt meinen Schlüssel, du hast getan wozu du dich verpflichtet gefühlt hast jetzt kannst du auch wieder abhauen. Na los geh schon!", aus ihrem leisen Murmeln entstand ein bissiger, lauter Ton.
"Ana", versuchte ich es erneut. "Nenn mich verdammt noch mal nicht Ana! Man lass mich doch einfach in Ruhe!", schrie sie jetzt und ihr lautes Schluchzen war der Auslöser für mein leises Seufzen. "Ich werde dich sicher nicht alleine hier lassen. Ich bin nicht nur wegen den Schlüsseln hier. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Man merkst du denn nicht, dass du mir wichtig geworden bist? Das ist jetzt egoistisch, aber Ana. Egal was kommt, ich werde nicht von deiner Seite weichen. Ich lasse dich nicht mehr gehen. Niemals."
Sie schüttelte nur den Kopf und schluchzte vor sich hin. Sie tat mir Leid. Mein schlechtes Gewissen wurde immer größer und ich zog sie vorsichtig zu mir und legte meine Arme um sie. Erst hatte ich das Gefühl, dass sie zurückschrecken will, doch das tat sie nicht. Sie lehnte sich nur ruhig an mich. Das einzige was noch zu hören war, war ihr leises Schluchzen. "Ich bin ein schlechter Mensch, Nesto. Du musst dich von mir fernhalten", brachte sie nach einer Zeit des Schweigens leise hervor.
Ich schüttelte nur den Kopf. "Hör auf sow-", sie unterbrach mich mit einem schnellen Kopfschütteln. Wieder war sie so ruhig. Doch irgendwann nahm sie tief Luft.
"Ich...ich hab meinen Bruder getötet"

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1300 Wörter. Neuer Rekord ich habe noch nie so viel geschrieben haha. Viel Spaß♡

Drive or DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt