Gehirnfluten

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Wir empfinden schreckliche Dinge erst als schlimm, wenn wir realisieren, dass sie echt sind.
-Unknown

Michis Worte trafen mich wie ein Messer ins Herz. Mit dem einzigen Unterschied, dass dieser Stich nicht ins Herz ging sondern in meinen Kopf. Irgendwo ganz weit hinten, in der letzten,dunkelsten Ecke meines Gehirn, wo all die komischen Erlebnisse mit Sophie und die Fragen die dabei aufgekommen waren gelagert waren und alles, was zunächst so unwichtig erschien, strömte jetzt durch meinen Kopf, als wenn ein Damm gebrochen wäre, der Tonnen an Wasser zurückhalten sollte.

"Laura?"
"Jaa em ja bin da"

Michi musste sich gefragt haben, ob ich überbaupt noch dran sei, da ich wahrscheinlich eine gefühlte Ewigkeit nichtmehr geantwortet hatte.

"Alles ok?"

Diese Frage war keine Frage. Es war eine Lüge. Michi wusste genau, dass nichts ok war. Ich denke es ist ein Teil der menschlichen Verteidigung, nie wirklich das zu sagen, was man denkt oder was richtig wäre. Stattdessen weichen wir auf Antworten und Fragen aus, die alles etwas verschönern. Die Wahrheit aber ist, dass es in dem fall kein "Ok" gibt.

"Ja denk schon"
"Ok. Laura ich kann deine Reaktion verstehen, ich war auch geschockt"

Ich fragte mich ob bei ihm noch immer das Wasser vom gebrochen Damm im Kopf stand, so wie bei mir.

"Wann?"
"Was wann? Wann ich geschockt war?"
"Nein, wann sies versucht hat"

Wollte ich das wirklich wissen?
Ich denke ein Teil von mir wollte es. Er wollte es so sehr, dass meine Worte einfach so aus meinem Mund kamen.

"Ich weiß es nicht... Circa eine Woche bevor sie weg musste denk ich"
"Dann werd ich sie fragen"

Ich wusste, dass ich es mich nicht trauen würde. Ich könnte sie nicht einmal auf den Selbstmordversuch ansprechen. Und dann auch noch fragen wann es war? Nie im Leben.

"Nein!"
"Warum ? Ich wills wissen"
"Nein du verstehst es nich, ich glaub ich hätte dir das ganze garnicht erzählen dürfen"
"Wie jetzt? Sophie wollte das ganze von mir verheimlichen"
"Nein nein. Sie hat mir gesagt sie wills dir selbst sagen"
"Ja dann passt ja alles"
"Nein, es kommt irgendwie blöd von mir, wenn ich dir das jetzt erzählt hab, obwohl es ihre Sache ist, wann sies dir sagt"
"Pech"
"Nein, ich meins ernst, sie sagts dir eh bald"

Ich schaute aus dem Fenster. Draußen war eine Mutter mit ihrem Kind zu sehn. Wie kann es sein, dass so ein fröhliches Mädchen in 10 Jahren tot sein könnte? Nur weil etwas schlimmes passiert ist? So etwas darf nicht sein.

"Laura? Komm schon bitte"
"Jaja passt schon"
"Also sagst du ihr nichts?"
"Natürlich nicht"
"Ohh danke"
"Kein Ding"
"Du ich muss leider auflegen, meine Hände friern hier draußen ab und meine Mum fragt sich sicher auch schon wo ich bleib"
"Ja ok dann bis morgen in der Schule"
"Ja und wenn noch was ist, schreib mir. Oder ruf mich später noch mal an ok?"
"Ok."
.
.
.
"Michi?"
"Ja?"
"Wann denkst du, dass sie es mir sagt?"
"Ich weiß es nicht... aber bald, da bin ich mir sicher."

cool kids can't dieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt