Türchen 1 Kapitel 1

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Es ist ein Vergnügen, wenn ich den Deckel vom Schokoladenpudding öffne. Nur spielt mein Hirn dabei immer verrückt und ich höre die Kuhglocken in meinem Kopf. Das ist jedes Mal so, wenn ich ein Produkt von Milka esse. Mein Kuhglocken-Tick bleibt aber mein Geheimnis, das klingt doch wie ein schlechter Witz. Genüsslich schlecke ich den Löffel ab. Ding Dong Ding Dong, höre ich in meinem Kopf. Ich kann es einfach nicht abschalten, so sehr ich es auch versuche.

Mein Blick fällt auf meinen Kaktus. Den sollte ich wegstellen und Platz für den Weihnachtsbaum machen. Normalerweise verwandelt sich mein Wohnzimmer schon früher in einen Winterzauber, aber mein Bruder hat letztes Jahr all meine Weihnachtsdekoration ruiniert, inklusive der Christbaumkugeln. Ich benutze nicht die aus Plastik. Nur die aus Glas sind echte Christbaumkugeln für mich.

Jackson, mein Bruder, kam damals betrunken zu mir. Davor hatte er eine Weihnachtsfeier mit der Firma und da meine Wohnung näher war, übernachtete er bei mir. Großer Fehler! Er konnte kaum stehen, stieß meinen Weihnachtsbaum um, wollte sich festhalten und griff zur Lichterkette, die dann den Rest der Dekoration mitzog und am Boden landete. Sein Versuch, nicht auf die Deko zu steigen, missglückte ihm und zur Krönung übergab er sich. Mein schönes Reich war ein Gemisch aus kaputter Weihnachtsdeko, Glassplitter, Tannennadeln und Kotze. Auch das, was er nicht zertrampelt hat, konnte ich nicht mehr retten, da darauf der Schmorbraten war, den er vorher aß.

»Zügle deine weibliche Dominanz«, konterte er mir, als ich ihn wegen des Chaos anging, »Kein Wunder, dass du Single bist.«

Ich liebe meinen Bruder, aber da hasste ich ihn. Er wusste, dass das mein Liebesleben ein Wunderpunkt ist. Besser gesagt, dass ich kein Liebesleben habe. Irgendwie treffe ich immer die falschen Männer.»

Was hat das mit weiblicher Dominanz zu tun? Du hast mein Wohnzimmer ruiniert und vollgekotzt«, sagte ich ihm.

»Ach so. Tut mir leid«, war seine Antwort, als sein betrunkenes Hirn kapierte, was er anrichtete.

Und es tat ihm wirklich leid. Er versuchte in seinem Zustand, das Chaos zu beseitigen, aber machte es nur noch schlimmer. Also schickte ich ihn ins Bett und reinigte alles allein. Notiz an mich: Nie wieder lasse ich Jackson betrunken in meine Wohnung!

Nachdem ich den Schokopudding aufgegessen habe und die Kuhglocken endlich ruhig waren, ziehe ich mich an und gehe ins Einkaufszentrum. Ich gehe zu Fuß, auch wenn es ein längerer Weg ist, aber ich liebe die Straßen New Yorks, wenn sie voll mit Schnee bedeckt sind. Lächelnd stampfe ich über der weißen Schicht und hinterlasse Fußabdrücke mit meinen Winterstiefeln. Ich liebe die Vorweihnachtszeit einfach und genieße sie jede einzelne Sekunde mit Leidenschaft. Außer an Heiligabend. Es ist, als wäre meine Familie vom Pech verfolgt. Jedes Jahr zu Heiligabend gibt es einen großen Knall und ist der Beginn einer Katastrophe. Letztes Jahr an Heiligabend platzte meine Schwester die Fruchtblase. Genau in dem Moment, als wir mit dem Essen anfingen. Das Jahr davor kam mein Bruder mit seiner damaligen Freundin. Niemand wusste, dass sie Weihnachten hasste ... bis zu diesem Tag. Aus Frust zog sie an der Tischdecke und das ganze Essen landete am Boden. Ich muss nicht erwähnen, dass mein Bruder danach Schluss machte. Und das Jahr davor entdeckte meine Cousine die Nachrichten ihres Mannes am Handy. Er hatte eine Affäre und das nicht nur mit einer Frau. Danach brach ein heftiger Streit aus. Er meinte, sie hätte ihm in seiner Freiheit eingeschränkt und dass er sich aus Trotz mit anderen Frauen traf. Ich glaube, das war nur eine Ausrede, weil er ein notorischer Fremdgeher ist. Die Quadtour, die sie ihm schenkte, zerriss sie und warf sie in den Kamin.

Und bald ist wieder Heiligabend. Ich bin gespannt, wie es dieses Jahr sein wird.

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