Türchen 3 Kapitel 3

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Ist das eine Illusion oder ein Weihnachtswunder? Er steht tatsächlich vor mir. Und er ... sieht so verdammt gut aus. Aber was anderes hätte ich auch nicht erwartet. Schon damals zog mich sein Anblick in den Bann. Der Unterschied ist, dass er jetzt einen Dreitagebart hat, und das macht ihn nur noch attraktiver.

»Was für ein Zufall, dich zu treffen, Julie. Ich bin gerade in New York angekommen.«

Liam umarmt mich, was für mich überraschend kam, obwohl es früher unsere tägliche Begrüßung war. Mein Herz reagiert sofort auf seine Nähe und zum ersten Mal, seit sieben Jahren, fühle ich wieder die Schmetterlinge in meinem Bauch. Seinen vertrauten Duft einzuatmen versetzt mich in die Vergangenheit zurück und gibt mir ein sicheres und geborgenes Gefühl. Ich war so gebrochen, nachdem er New York verließ.

Als wir uns voneinander lösen, fehlt mir seine Wärme.

»Wie lange bleibst du in New York?« Ich habe Angst vor dieser Frage, aber ich muss die Gewissheit haben und mich auf den Abschied vorbereiten. Noch einmal will ich nicht in so ein tiefes Loch fallen.

»Ich bleibe für immer.«

»F-Für immer?« Das ist wirklich ein Weihnachtswunder. Das schönste Geschenk, welches ich je zu Weihnachten bekommen habe. Kein Geschenk wird dieses hier übertreffen können.

»Ja, ich habe Australien den Rücken gekehrt.«

»Und die Firma?«

»Ich habe einen Nachfolger gefunden und leite das Unternehmen jetzt von New York aus. So wie Dad es immer getan hat.«

»Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Mr. Anderson gestorben ist.«

Liam lacht. »Er ist nicht gestorben. Er geht in den Ruhestand.«

»Oh, dann bin ich ja erleichtert.«

»Wieso wundert es mich nicht, dass ich dich genau hier an einem Weihnachtsmarkt treffe? Die Liebe zu Weihnachten ist dir geblieben.«

Und die Liebe zu dir. »Schuldig«, antworte ich grinsend.

»Ich bin wie immer spät dran. Wir haben den 1. Advent und ich habe noch immer keine Geschenke.«

Mein Handy klingelt. Es ist meine Mutter, aber ich drücke sie weg. »Entschuldige.«

»Schon gut. Du kannst dich ruhig melden.«

»Ich dachte, ich sehe dich nie wieder, da telefoniere ich doch nicht.«

Wie ich sein Lachen vermisst habe.

»Das ist ein Argument.« Liam sieht zum Standverkäufer, der nach ihm ruft. »Entschuldige mich kurz, Julie.«

Während Liam bezahlt, klingelt wieder mein Handy. Den Moment nutze ich und melde mich. »Mom, ich rufe dich später an.«

»Maus, wo bist du?«

»Ich kann gerade nicht. Erkläre ich dir später.«

Liam dreht sich wieder zu mir. »Hier für dich«, dann stoppt er in seiner Bewegung, »Oh, sorry. Du telefonierst.«

Er hat mir meine Lieblingsgummibärchen gekauft. Er kann sich daran noch erinnern?

»Julie? Ist das Liam«, fragt mich meine Mutter verblüfft.

»Mom, ich muss jetzt aufhören.«

»Das ist deine Mutter? Grüß sie von mir.«

»Was für eine Überraschung«, fängt Mom euphorisch an, »Sag ihm, er soll zu Heiligabend zu uns kommen. Um Himmels Willen, nein! Er wird meine Familie für Psychopathen halten, wenn wieder das Chaos ausbricht.

Meine Mutter redet ins Telefon hinein, Liam wartet auf eine Antwort von mir und im Hintergrund dröhnt Last Christmas aus den Boxen, während ein paar Passanten zeitgleich Heidschi-Bum-Beidschi singen.

Das bringt mich aus dem Kontext und stimme der Einladung zu. »Ok, Mom. Und schöne Grüße von Liam.«

»Was wollte sie«, fragt er mich, nachdem ich das Gespräch beendet habe.

»Sie lädt dich ein, Heiligabend bei uns zu feiern.« Was habe ich nur getan? Das wird eine Katastrophe.

»Danke, ich komme gerne. Dann kaufe ich hier gleich etwas für deine Eltern.«

»Mach dir keinen Stress deshalb.«

Liam geht zum Blumenstand rüber und nimmt eine Rose. »Ich weiß, wie sehr sie Rosen liebt. Und für deinen Vater kaufe ich Tannenzapfenlikör. Der darf bei ihm zu Weihnachten nicht fehlen.«

Ich bin erstaunt, wie gut er sich an alles noch erinnern kann.

Nachdem er alles bezahlt hat, begleitet er mich, meine Deko zu kaufen. Ich entscheide mich für weiße Weihnachtskugeln in Kombination mit azurblauen Kugeln. Dazu nehme ich noch ein paar Rentiere.

Der Verkäufer ist als Wichtel verkleidet und zieht eine Show ab. »Bibbidi-Bobbidi-Boo«, sagt er. Ein Schuss ertönt und er wirft eine Knallererbse auf den Boden. Dann erst bekomme ich meine Einkaufstüte von ihm.

»Danke«, sage ich lächelnd. Ich liebe es, weihnachtsliebende Menschen zu treffen.

Liam und ich verlassen das Einkaufszentrum und haben uns so viel zu erzählen. Wehmut überkommt mich, da ich gerne mehr Zeit mit ihm verbracht hätte.

»Wollen wir noch ein wenig spazieren gehen?«, fragt er mich. Mein Grinsen ist nicht zu bremsen. 

»Gerne.«

»Gib mir deinen Einkauf. Ich gebe die Tüten in mein Auto. So müssen wir sie nicht schleppen.«

Ich gebe ihm meine Sachen und er öffnet mit dem Autoschlüssel ein Fenster. Die Tüten legt er hinein. Ich betrachte ihn und kann noch immer nicht fassen, dass er hier ist.

Ich werde aus meiner Schwärmerei gerissen, als ein blöder Unfall passiert und eine Dachlawine auf mich stürzt. Vor Schreck schreie ich kurz auf.

Liam kommt zu mir und hilft mir, den Schnee von mir zu entfernen. Dabei schmunzelt er. »War klar, dass dich die Dachlawine trifft. Du hattest schon immer ein Händchen dafür, der Pechvogel zu sein.«»Und das hat sich nach sieben Jahren immer noch nicht geändert.«

Im Central Park gehen wir einen Weg entlang, der umgeben von Bäumen ist. Als wären wir in einem richtigen Wald, wo der Schnee fein von den Bäumen rieselt. Es ist eine wunderschöne Kulisse. Fehlt nur noch, dass wir händehaltend diesen Weg gehen. Leider ist das nur Wunschdenken von mir.

Unsere Unterhaltung wird unterbrochen, »Hey, Burritomädchen.«

Ich sehe in die Richtung und entdecke den Grinch aus dem Einkaufszentrum auf einer Bank sitzen.

Liam neigt sich zu mir. »Du kennst Grinch? Ein Wunder, dass er in deiner Gegenwart noch leben darf.«

»Ich habe ihm schon gesagt, dass wir keine Freunde werden.«

»Ich habe hier noch einen Burrito übrig, wenn du magst. Er ist aber schon kalt«, sagt Grinch.

»Danke, nein. Ich bin nicht hungrig.«

Genüsslich lehnt er sich zurück, »Dann nicht«, daraufhin hebt er seine Hand und zieht an einem Joint.

»Ein kiffender Grinch, der Burritos verteilt ... Ich habe New York vermisst«, sagt Liam.

Ein starker Wind trifft uns plötzlich und die Schneeverwehung nimmt uns die Sicht.

Liam sieht mich an. »Da kommt ein Schneesturm auf uns zu.«

»Meine Wohnung ist gleich in der Nähe. Komm mit, bis der Sturm vorbei ist.«

»So wie früher, als wir Kevin – Allein zu Haus und dabei Plätzchen gegessen haben?«

»Wenn du magst, können wir das machen. Ich habe beides zu Hause. Den Film und die Plätzchen

»Anders hätte ich es von dir nicht erwartet. Gehen wir, um der guten alten Zeiten willen.«

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