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Kirans Stimme drang nur gedämpft als unverständliches Murmeln zu Elia herunter, und der rutschte unruhig auf der weißen Lederpolsterung nach vorne. Mit wem sprach sein Rivale da? Emma? Steckten sie in Schwierigkeiten?
Elia nahm seinen Mut zusammen und stand auf, wobei sein linkes Knie durch die plötzliche Belastung schmerzhaft protestierte. Er verlagerte sein Gewicht auf das gute Bein und humpelte durch das Wohnzimmer zum Flur. Dabei krampften sich seine Finger um den kühlen Rahmen des iPhones, das er hastig abgestöpselt und samt Ladekabel in die Bauchtasche von Kirans Hoodie gestopft hatte.
Zwölf Prozent. So viel Saft hatte die Wunderwaffe über die letzten zehn Minuten getankt und das kam Elia in seinem Kopf noch viel zu wenig vor – aber er würde das Handy auch ganz bestimmt nicht liegen lassen, um Kiran zu suchen!
Der Flur war unbeleuchtet, doch das kühle Mondlicht, das durch die bläulich getönten Scheiben der Haustür ins Innere fiel, ließ die Konturen von Möbelstücken erahnen. Genau wie auch im Wohnzimmer glänzte der Boden in poliertem Marmor und nur die Schlammspur, die zwei dreckige Paar Schuhe auf den Steinfliesen hinterlassen hatten, störte die sterile Klassik.
Elia ließ den Blick wandern, Erinnerungen kamen hoch. Er hatte das letzte Mal vor gut zwei Jahren hier gestanden, mit Birgits Haferkeksen und frischgedruckten Flyern der Neuen Ordnung in den Händen. Der Flur sah noch genauso aus wie damals. Zwei elegante Kommoden in glattem Design schmückten den Eingangsbereich, darauf jeweils eine metallisch glänzende Skulptur, die nach Regeln der modernen Kunst als unförmiger Klotz entweder die Liebe der Seele oder das Ende der Menschheit verkörpern sollte. Vielleicht auch beides. Alles war in schlichten Tönen gehalten, ein stetiger Wechsel zwischen Schwarz und Weiß und allen Graustufen dazwischen, an denen jede echte Farbe abzuperlen schien. Schiefer, Anthrazit, Rauchgrau und Silber. Selbst der große Wandspiegel vor der Flügeltür zum Wohnzimmer war in einen schlichten, silbrigen Metallrahmen gefasst und fügte sich perfekt in die farblose Neutralität.
Irgendetwas stimmte nicht. Es sah zu perfekt aus, wie ein Ausstellungsstück im Möbelhaus, nicht wie ein Haus, in dem gelebt und geatmet wurde. Wo waren Kirans gemusterte Jacken? Seine weißen Sneaker mit neongelben Leoprint?
Im Vorbeigehen warf Elia einen kurzen Blick in den Spiegel. Das Haar klebte ihm noch immer nass auf der Stirn und erinnerte an pechschwarze Tintenstriche und der graue Sportpulli hatte so breite Schultern, dass Elia fast lächerlich darin aussah. Trotzdem gefiel ihm, wie sportlich und neu der Hoodie wirkte, besonders die zwei weißen Streifen am Ärmel machten ihn neidisch. Solche tollen Sachen bekam er von der Gemeinde nie. Dort wurden alte Hemden, spießige Pullunder und Strickpullover aufgetragen, im Sommer auch hochgeschlossene T-Shirts. Ein V-Ausschnitt oder gar ein Tank-Top, wie Kiran sie so gerne trug, waren ausgeschlossen und bei bequemen Jogginghosen bekäme Birgit Konrad vermutlich einen Herzinfarkt. Elia krallte sich in den weichen Stoff. Am liebsten würde er den Hoodie behalten und tief in seinem Kleiderschrank verstecken. Vielleicht würde Kiran ja vergessen, ihn zurückzufordern?