DEINE SCHULD

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Die Welt fühlte sich seltsam taub an

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Die Welt fühlte sich seltsam taub an. Irgendwie falsch. So als könnte Elia für einen Moment die Augen schließen und wenn er wieder aufwachte, würde alles so sein wie vorher. Dann würde Justin wieder mit Kiran herumalbern oder nach einer Party sturzbetrunken in irgendeinem Graben liegen. Das war immerhin besser, als dieser gruselige leere Blick.

„Da!", rief Emma. „Ich glaube, er hat sich bewegt." Sie kniete vor Kirans Bett, auf das sie den leblosen Jungen verfrachtet hatten, und beugte sich hoffnungsvoll über Justin. Auch ihr sah man die harte Nacht an. Ihr rotbrauner Bob war ein einziges Vogelnest, ihre Jeansjacke voller Dreck und Blut und auch die Strumpfhose war an mehr Stellen aufgerissen, als vom Design eigentlich vorgesehen war. Und genau wie Elia sah sie innerlich tot aus. Daher taten seine nächsten Worte umso mehr weh. „Das war nur m-mein Schatten, Emma. Ich glaube nicht, dass er sich noch ... bewegen kann." Elia wagte einen nervösen Blick auf den schlaffen Körper zwischen dem aufgetürmten Kissenberg. Justin sah aus wie ein geplatzter Luftballon. Zusammenfallen. Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Wären da nicht die glasigen Augen, in denen irgendetwas Dunkles zu lauern schien, dann hätte man fast denken können, dass der Junge friedlich schlief. Aber so? Elia fröstelte und zog die Knie enger an sich heran.

„Ist das so, ja?" Der giftige Tonfall in Emmas Stimme ließ Elia erstarren. „Er ist ... er ist nicht tot, Elia! Justin ist nicht tot! Sein Herz schlägt. Er ist nicht tot, verdammte Scheiße!"

Aber sieht er für dich noch lebendig aus?, wollte Elia sagen, doch kein Wort kam über seine Lippen. Denn er wusste, wusste einfach, dass Justin nicht mehr in diesem Körper steckte. Er konnte nur nicht genau sagen, woher diese Gewissheit kam. „U-und was machen wir, w-wenn ...?"

„Fick dich doch, Elia! Sag mal, machst du diese Scheiße mit Absicht? Wenn Justin wirklich nicht mehr aufwacht, dann schwöre ich, ich werde dir deinen kleinen, stotternden Hals umdrehen und du wirst mich anbetteln, dass dich ein Knochenknacker erwischt hätte!" Das ließ Elia schlagartig in sich zusammensinken. Hastig zog er die Kapuze des Sportpullis über seinen Kopf, so als könnte die ihn vor den scharfen Worten schützen.

Da räusperte sich eine Stimme hinter ihnen. „Alles okay hier? Wie ... sieht's mit Justin aus?" Es war Kiran. Er hatte sich gegen den Türrahmen gelehnt, aber von dem sonst so lässig-schiefen Grinsen fehlte jede Spur.

„Warum fragst du nicht Elia? Der scheint mal wieder alles besser zu wissen", stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und in ihren Augen glitzerte es gefährlich.

„I-ich ..." Doch mehr kam nicht aus ihm heraus. Er konnte sich nicht einmal dazu durchringen, seine Schutzmauern hochzuziehen. Stattdessen fühlte er sich schuldig, mal wieder. Elia konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass er alles immer nur noch schlimmer machte und auch, wenn er keine Ahnung hatte, was genau mit Justin passiert war, es kam alles darauf zurück, dass er Kirans dämliches Ritual gestört hatte. So oft wünschte Elia sich wieder an jenen Augenblick im Friedhof zurück, der alles zerstört hatte. Um es rückgängig zu machen. Irgendetwas zu verändern.

𝕰𝖓𝖈𝖞𝖈𝖑𝖔𝖕𝖆𝖊𝖉𝖎𝖆 𝕴𝖓𝖒𝖔𝖗𝖙𝖚𝖆𝖊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt