Die Hölle Auf Erden

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Man begriff relativ schnell worum es hier ging. Ich mindestens seit drei Tagen hier und wieder mal hatte Sylvia mir die Augen verbunden und führte mich zur sogenannten Garderobe. Zähle deine Schritte, hatte sie mir zu gewispert. Und das tat ich nun seit gestern. Immer wenn man mich holte für irgendwas zählte ich meine Schritte und merkte mir in welche Richtung ich wie oft abbog. Dieses Mal wurden wir zu viert geholt. Man hatte uns gesagt, das der heutige Kunde gleich vier von uns haben wollte und mein Erzeuger war völlig aus dem Häuschen. Er wiederte mich an. Erika, Min-Hee und Freya waren bei mir und wir hielten uns an den Händen um uns nicht zu verlieren. Min-Hee weinte bereits den gesamten Weg und es zerriss mir das Herz, diese Kinder so zu sehen. Warum tat man ihnen das an!? Warum musste man ihre Seelen so schädigen?! Wenn sie jemals wieder hier rauskommen sollen, würden sie womöglich kein normales Leben mehr führen können... Ich sah es nach jedem mal in ihren Augen... Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht diese Kinder zu beschützen mit allem was ich hatte. Ich funktionierte praktisch nur noch da sich mein gesamter Körper, wie auch mein Geist aufs Überleben eingestellt hatten. Plötzlich wurde ich von einem Aufprall in die Realität zurück geholt und ich blieb wie auf Knopfdruck stehen. Es war Freya, die jüngste von uns. Ich ging in die Knie und suchte nach ihrer Hand.
"Komm zu mir kleines", flüsterte ich und hob sie hoch. Sie war gerade mal sieben Jahre alt. Mit ihr auf dem Arm setzten wir den Weg fort und ich zählte weiter. Links rum, Stufe runter, 20 Schritte gerade aus und einmal rechts. Dann an weiteren Zellen vorbei. Es waren insgesamt 10 in denen sich die Jungen befanden? Es waren immer wieder schreie zu hören und ich musste stetig meine Instinkte unterdrücken dort hin zu rennen und die wache die dafür verantwortlich war um zu bringen. Ich hatte ja erst gestern einem die Nase gebrochen, um Sabrina zu schützen. Die Quittung dafür trug mein Rücken immer noch. Es war aber egal. Diese Kinder hatten schon genug ertragen müssen. Und wenn es sein musste würde ich für diese Kinder mein Leben geben. Endlich waren wir an der Garderobe angekommen und Sylvia sperrte auf, bevor wir die Binden runter nehmen durften. Und als die Tür verschlossen wurde atmeten wir alle erst einmal auf.
"Ist alles klar bei euch, Mädchen?", fragte Sylvia besorgt, mit Blick auf Freya. Sie nickte während ich sie runter ließ und trotzdem ließ sie nicht von mir ab.
"Ich habe Angst", wimmerte sie und man sah Sylvia an, das sie dafür hasste, was sie tat. Aber auch sie war nicht besser dran, was ihr Auge Preis gab.
"Ich weiß mein Schatz", schluchzte Sylvia beinahe, während sie mit zitternden Händen begann, Klamotten für uns heraus zu suchen. (Wenn mann das überhaupt so nennen konnte.) Ich bekam ein hauchdünnes, rotes Glitzertop mit einem viel zu kurzen Rock dazu. Ich beeilte mich trotzdem die zwei Fetzen Stoff über zu Streifen und die hohen Stielettos über meine zu ziehen. Ich sah aus wie eine Nutte aus Clubviertel in meiner Heimat... Die drei kleinen bekamen jeweils Minikleider in Blau, Gold und Silber. Während uns die Haare gemacht wurden, erklärte Sylvia uns, womit wir es heute zu tun hatten.
"Ihr sollt heute bei einer Party einfach nur mit dabei sein und hin und wieder beim bedienen mithelfen. Der der euch bestellt hat, hat auf eure Sicherheit geschworen und sorgt dafür das keiner Hand an euch legt. Falls es doch passieren sollte, habt ihr jedes Recht euch zu wehren und von der Party zu verschwinden." Ein Hauch der Erleichterung machte sich in mir breit... Und dennoch ließ mich mein Bauchgefühl nicht in Ruhe. Ich schluckte ein wenig um es zu besänftigen, ohne wirklichen Erfolg.

Ich hörte nur denn Motor der Limousine und die Reifen, die über Kies zu fahren schien. Die Augen wurden uns wieder verbunden während wir zur Veranstaltung gefahren wurden. Die jüngsten klammerten sich die ganze Zeit an meine und Erikas Armen fest, während wir stunde um Stunde durch die Gegend gefahren wurden. Als das Auto endlich hielt und uns die Binden abgenommen wurden, war es bereits kurz nach elf. Doch ich hatte keine Zeit mich noch länger um zu sehen, da im nächsten Moment von einem bulligen Typen aus dem Wagen gescheucht wurden.
"Na los! Wirds bald, ihr Schlamppen!", keifte er und ich hatte große Lust auch ihm die Nase zu brechen. Er trieb uns vor sich her wie Vieh, das von der weide kam. Ich bemühte mich mein bestes Lächeln aufzusetzen und auch die anderen drei schienen wie ausgetauscht.
" Die Damen ", grüßte uns der Türsteher und gab uns die Anweisungen, wo wir uns melden sollten und was wie zu tun hatten. Dabei sah er immer wieder bedenklich drein, mit Blick auf meine drei Küken. Der unser Begleiter mischte sich unter die Gäste nachdem er uns noch einmal ausdrücklich gesagt hatte das er uns im Auge habe. Das galt insbesondere mir da innerhalb von 24 Stunden für meine Aufstände bekannt geworden war. Aber seine Warnung ging mir herzlich am Arsch vorbei. Mir war jede Strafe recht wenn ich so meine Würde und die der anderen erhalten konnte.

Soweit so gut... Wir hatten uns unter die Leute gemischt und zuvor noch einmal die Absicherung für unsere Sicherheit erhalten. Alles lief soweit auch ganz gut. Wir sprachen ein wenig mit den Leuten, bekamen ein paar Komplimente und Getränke spendiert und wirklich keiner rührte mich und die anderen an. Trotzdem fühlte ich mich bei den Blicken, die ich bekam mehr als unwohl. Kein Wunder. Mit den glitzernden Fetzen die am Leib trug fühlte ich mich beinahe nackt. Und ich musste jedesmal darauf achten, das mir dieser viel zu kurze Rock nicht hoch rutschte. Da wurde ich wieder heran gewunken und ich zwang mich wieder einmal zuckersüß zu lächeln.
"Was kann ich sie tun, der Herr", sang ich beinahe und hatte mich beinahe bei seinem Anblick übergeben. Er war alt und hatte unzählige Falten im Gesicht. Das graue Haar fettig und ungepflegt.
"Hallo, meine Hübsche. Wärst du bitte so freundlich und würdest uns noch paar Whisky auf Eis bringen?", lallte er. Er war offensichtlich schon komplett betrunken... Und als er sprach sah ich seine kaputten Zähne ebenfalls. Ich mehr als angeekelt. Trotzdem nickte und ging in Richtung Bar. Ich schickte einen stummen Ruf an Lyrkan, in der Hoffnung das ich noch einmal sehen konnte.
"Vier Whiskey auf Eis für die Herren da drüben!", rief ich dem Barkeeper zu. Er nickte und schob mir vier Gläser Cola rüber.
"Für dich und die Kleinen! Geht aufs Haus!", sagte er und sah mich freundlich an. Ich war noch nie so dankbar für eine Cola und machte mich auf den Weg zu den Tisch an den die Mädchen saßen. Zumindest zwei von ihnen
"Wo ist Erika?", fragte ich.
"Ein Mann wollte das sie mit ihm mit kommt", antwortete Min-Hee und wie auf Kommando hörte ich einen Schrei. Wie vom Blitz getroffen machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte so gut es in den Schuhen ging in Richtung Schrei.
"Nein, ich will das nicht!", weinte Erika und ich glaubte meinen Augen nicht. Da saß sie auf dem schoß eines Jungen Mannes mit entblößten brüsten vor versammelter Mannschaft. In meinem Kopf zündete die Wut und ohne wirklich zu denken schellte ich ihm eine mit voller Wucht in den Kiefer. Ich gleichen Moment zog ich Erika an mich und bedeckte sie so gut ich konnte. Eine Hand landete in meinem Gesicht.
"Du verdammte Hure!", fluchte er, doch ich sah ihn weiter stur ins Gesicht.
"Du perverses Arschloch! Sie ist 13! Sie ist noch ein Kind!", brüllte ich wie von Sinnen und der ganze Saal war still. Der Barkeeper kam schnell auf uns zu und warf mir eine Jacke zu. Ich legte sie Erika um. Ihr Kleid war zerrissen genauso wie sie selbst der Veranstalter der Party war plötzlich auch neben mir und entschuldigte sich hundert mal für das was passier ist und schmiss den Kerl achtkannt raus. Wir beschlossen uns ebenfalls zurückziehen und suchten unseren Begleiter bevor ich die anderen zwei noch einsammelte.

Die Fahrt verlief schweigend. Bis auf Erikas Schluchzen war nichts wirklich zu hören. Sie hatte sich zu mir verkrochen und bedankte sich immer wieder während sie bitterlich weinte. Jetzt saß ich allein mit Sylvia in der Garderobe und starte in den Spiegel.
"Warum?", fragte ich kalt und starrte weiterhin mir selbst in die Augen. Sylvia trat von hinten an mich heran und legte mir die Hand auf die Schulter.
"Die Herzen dieser Leute sind von Grund auf völlig verdorben. Die verletzte Seele eines Kindes kümmert sie nicht, genauso wie das körperliche Wohlbefinden. Es geht ihnen nur um ihre eigenen Vorteile und um den Profit den sie daraus ziehen. Für sie seit ihr nichts weiter als ersetzbare Ware.",antwortete sie schwer und am Ende weinten wir gemeinsam.

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