Kapitel 18*

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Lira

Scheu schaue ich um die Ecke und beobachte, wie Lexana zusammen mit dem Werwolf verschwindet. Etwas merkwürdig war die Begegnung schon. Vor allem, dass sie mich so oft berührt hat, fand ich komisch. Oder aber, ich bin es einfach nicht mehr gewohnt. Ich meine, wie lange hatte ich schon keinen Körperkontakt mehr?

Viel zu lange ist es her. Mit Menschen lasse ich mich so gut wie nie ein, da es mit ihnen einfach zu kompliziert ist. Und Wesen? Die meisten, haben Angst vor mir: 'Ich würde den Tod bringen.' Schwachsinn, ich bringe ihn nicht, ich verkünde ihn oder aber finde die verlorenen Seelen, die eigentlich schon längst im Totenreich sein müssten.  Aber meistens brauchen die Sensenmänner gar nicht meine Hilfe. Es wäre ja auch etwas sehr aufwendig, wenn man für jeden Toten eine Banshee und einen Sensenmann bräuchte.

Wobei ich auch zugeben muss, dass die anderen Banshee's durchaus dem schlechten Ruf unserer Art gerecht werden. Das sind meistens richtige Miststücke, die den Menschen den nahenden Tod verkünden, obwohl Sie eigentlich noch Jahre zu leben hätten. Anders als ich, nutzen Sie ihre Macht aus. Ebenfalls ein Grund, warum ich es vorziehe lieber alleine zu leben.

Sie verstehen meine Art des Denkens nicht. Mit der Macht, die wir haben, müssen wir sorgsam umgehen. Das hat mir jedenfalls meine Großmutter immer beigebracht. Meine Mom ist so ein Miststück von Banshee, wodurch ich auch die meiste Zeit bei meiner Großmutter verbrachte. Sie wollte ihre Zeit nicht mit mir verschwenden.

Meine Großmutter lehrte mich, dass wenn wir unserer Aufgabe nachkommen, wir mehr als nur den Schrei erlernen können. Wir können ein Gespürr für den Tod bekommen. Genau dieses Gefühl brachte mich auch her. Hier wird bald etwas Geschehen, bei dem verdammt viele ihr Leben verlieren werden.

Aber da ich jetzt weiß, dass es hier ein Werwolf Rudel gibt, wird es wahrscheinlich zu einem Rudelkampf kommen und da möchte ich mich nicht einmischen. Deshalb verschwinde ich lieber. Ich hätte mich zwar gerne mit einer Bewahrer-Hexe ausgetauscht, erst Recht, wenn Sie mit Azrael, dem Gott des Todes, zusammenarbeitet, aber das ist mir mein Leben dann doch nicht wert.

Als ich mir sicher bin, dass beide die Stadt verlassen haben, mache ich mich auf dem Weg zu dem Zimmer, was ich hier angemietet habe. Schnell packe ich alles zusammen, als sich das Gefühl, welches mich her gebracht hat, verändert. Verwundert halte ich in meinem Handeln inne. So ein Gefühl hat sich noch nie verändert. Die Katastrophen sind immer eingetreten, obwohl ich versucht habe, Sie zu verhindern.

Immerhin konnte ich einigen Menschen das Leben retten, deren Zeit noch nicht gekommen war. Denn das ist die wahre Aufgabe einer Banshee, die leider den Meisten verloren gegangen ist. Wir retten die, die noch nicht sterben müssen und begleiten die umherstreifenden toten Seelen zu den Sensenmännern. Dadurch, dass wir genau wissen, wann ein Lebewesen stirbt oder sterben soll, können wir die ungeplanten Todesfälle, wie Unfälle, Straftaten oder zur falschen Zeit am falschen Ort, verhindern. So wäre Friedrich der Große, nie ' der Große' geworden, wenn eine Banshee ihm nicht ein Etui in die Brusttasche gesteckt hätte. Denn dann hätte der Schuss getroffen.

Wieder zurück zu dem Gefühl. Es hat sich irgendwie dahingehend verändert, dass es jetzt wabert. So als wäre es nun selber nicht mehr sicher, ob die Katastrophe nun passiert oder nicht. Das gab es noch nie und genau dies verunsichert mich nun sehr. Verzweifelt lasse ich mich auf das Bett sinken und vergrabe meine Hände in meinen Haaren. So bleibe ich sitzen und denke nach.

Ich wünschte meine Großmutter würde noch leben. Sie wüsste jetzt bestimmt, was ich jetzt tun soll. Überlegend schaue ich auf mein Handy. Wüsste vielleicht meine Mutter einen Rat? Bestimmt würde Sie mir antworten: Bleib mir bloß weg mit dem Quatscht. Meine Mutter war eine verrückte Hexe, die dir diesen Blödsinn der 'wahren Aufgabe' ins Ohr gesetzt hat. Komm lieber zurück und habe mit uns Spaß.

Nein danke, aber auf ihre Art von Spaß kann ich verzichten. Was könnte viel mehr der Auslöser dafür sein, dass sich das Gefühl nun stetig ändert? Das einzig Ungewöhnliche war, dass ich Lexana getroffen habe. Bei uns Banshee's ist sie bekannt wie eine Legende. Die erste Bewahrerin, die es mit Azrael aushält und mit ihm zusammen arbeitet. Seitdem Sie da ist, läuft alles, was mit dem Totenreich zu tun hat, irgendwie geregelter. Es gibt viel weniger Geister, also Seelen die nicht ins Totenreich gekommen sind.

Aber das Gefühl hat sich erst zu verändern begonnen, als ich anfing meine Sachen zu packen. Da war Sie und der Werwolf schon lange weg. Vielleicht wäre es nicht schlecht, mit ihr darüber zu reden. Meinte Sie nicht auch, dass Sie im Auftrag von Luna hier ist? Und wenn das Gefühl sich wirklich auf die Werwölfe bezieht, wäre es gut, wenn Lexana davon weiß. Und vielleicht hat Sie eine Idee, warum das Gefühl sich konsequent verändert.

Seufzend lasse ich meinen Oberkörper ebenfalls rückwärts aufs Bett fallen, sodass ich nun liege. Es ist also beschlossene Sache, ich bleibe die Tage noch, treffe mich mit Lexana und verschwinde dann so schnell wie möglich.

Die BewahrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt