Kapitel 19*

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Lira

Immer noch unsicher, ob ich zu dem Treffen gehen sollte, packe ich meine letzten Sachen. Das Zimmer ist bezahlt und ich muss nur noch alles in mein Auto verfrachten.

Das Gefühl ist immer noch da und hat mich auch nicht wirklich schlafen lassen. Dementsprechend müde und unmotiviert lege ich meine Kleidung zusammen. Die letzte Hose muss ich etwas stopfen, da durch mein schlampiges Zusammenlegen ich schlechter gepackt habe.

Mit der Tasche und dem Koffer in der Hand, schaue ich ein letztes Mal durch das Zimmer. Wenn ich ein Zimmer verlasse, habe ich immer die Angst, dass ich etwas vergesse. Aber ich sehe jetzt nichts mehr, was mir gehört.

Seufzend gebe ich mir einen imaginären Arschtritt und ziehe die Zimmertür zu und gehe zum Auto. Dort werfe ich meine letzte Tasche in den Kofferraum.

Dann fahre ich los, zu dem Parkplatz, den ich mir vorher schon herausgesucht hatte. Er ist nicht zu weit vom Marktplatz entfernt und doch komme ich von diesem schnell aus der Stadt.

Ich sehe schon das Ortsschild und überlege, ob ich mich wirklich mit Lexana treffen soll. Bei dem Gedanken verstärkt sich wieder das Gefühl, so als würde es sagen, "fahr, aber dann wird es ganz sicher passieren. Willst du das Verantworten?"

Wiedermal seufzend setze ich den Blinker und fahre auf den Parkplatz. Dann öffne ich die Tür und steige aus. Ich lasse mir am besten keine Zeit mehr zum zweifeln.

Zielstrebig gehe ich zum Marktplatz und suche nach Lexana. Doch so finde ich Sie nicht, also schließe ich meine Augen kurz und öffne Sie wieder.

Nun sehe ich alles nur noch in schwarz- weiß. Zudem weiß ich nun, bei jedem, dem ich ins Gesicht schaue, deren nächsten Todeszeitpunkt. Jeder hat einen festen Todeszeitpunkt, doch gibt es zusätzlich auch welche, die variable sind.

Meine Fähigkeit wird unruhig und ich schaue nach rechts, wo ich Lexana erkenne, da ich bei ihr absolut kein einzigen Todeszeitpunkt erkennen kann. Ich schließe meine Augen wieder und sehe beim öffnen wieder Farben.

Ich gehe auf Sie zu. Als sie mich sieht, beginnt Sie zu lächeln und kommt auf mich zu. "Freut mich dich zu sehen. Irgendwie hatte ich befürchtet, dass du nicht kommst." Schief lächelnd erwidere ich ihre Umarmung. "Das wäre ich auch nicht, wenn ich nicht etwas mit dir besprechen muss."

Bevor Lexana irgendwie reagieren kann, stürmt ein riesiger Mann auf uns zu. Der Werwolf, der beim letzten Mal auch schon Lexana begleitet hatte, rennt dem Riesen hinterher.

Mit Schrecken nehme ich wahr, dass der Berg eines Mannes auf mich zu kommt. Panisch will ich den Rückzug antreten, als er auch schon bei uns angekommen ist. " Du wirst nirgendwo mehr ohne mich hingehen." dabei zieht er mich in eine Knochen brechenden Umarmung.

"Xanes verdammt ! Was habe ich zu dir gesagt? 'Warte auf mein Zeichen', hatte ich gesagt und nicht 'stürm auf Sie zu und ersticke Sie'." flucht Lexana. Von Xanes kommt nur ein Knurren.

Meine Augen werden groß bei der Erkenntnis,  dass der Riese ebenfalls ein Werwolf ist. Langsam beginne ich zu hyperventiliren, Was in meiner jetzigen Situation gar nicht gut ist, da ich so schon kaum Luft bekomme. Immer mehr schwarze Flecken tauchen in meinem Blickfeld auf.

Die Diskussion von Lexana und dem Riesen bekomme ich schon gar nicht mehr mit. Vielleicht war das Gefühl für mich bestimmt? Sollte ich so sterben? Meine Gedanken werden immer wirrer, ehe mir nun wirklich schwarz vor Augen wird.

Lexana

Das Lira einfach in den Armen erschlafft, lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. "Scheiße, Xanes , lass Sie sofort los!" Xanes bemerkt es nun auch und lässt augenblicklich los, wodurch Lexana auf den Boden gefallen wäre, wenn ich sie nicht mit meiner Magie aufgefangen hätte.

Xanes werfe ich einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann kümmere ich mich um Lira. Sie scheint zum Glück 'nur' Ohnmächtig zu sein. Meine Heilmagie lasse ich trotzdem einmal durch Lira hindurch fließen. Sicher ist sicher.

"Damian, würdest du bitte Lira zum Auto bringen ?" Xanes will schon protestieren, als ich mich ihm zuwende. Sofort ist er bei meinem Blick still und schaut Schuldbewusst Damian und Lira hinterher.

"Und nun zu dir mein Freundchen. Wie oft habe ich dir eingebläut, dass du Sie nicht verschrecken darfst? Sie ist eine Banshee, verdammt. Sie hat genauso Angst vor euch Werwölfen, wie ihr vor Banshee's. Was glaubst du, wie Sie nun auf dich reagieren wird, wo du Sie beinahe erdrückt und erstickt hast?"

"Nicht gut." flüstert er und reibt sich Schuldbewusst den Nacken. "Überlege dir, wie du das wieder gut machen kannst." befehle ich ihm schon fast.

"Du wirst eine gute Beta-Mate sein." sagt Xanes plötzlich und lächelt mich sanft an. "Wie kommst du denn jetzt darauf?" "Du gibst Ratschläge und weißt mich zurecht, wenn ich Blödsinn mache."

Verwirrt schaue ich zu ihm. " Ja, aber das ist auch meine Aufgabe als Bewahrerin." "Nun, dann beweist es eben auch, dass Luna eine gute Wahl für meinen Beta getroffen hat." Nun schüttel ich meinen Kopf. "Ich finde nicht, dass die Wahl gut war. Ich muss wieder gehen, nach meiner Aufgabe."

"Gib Damian doch mal eine Wahre Chance und genieße wenigstens eure begrenzte Zeit." gibt mir Xanes den Rat. "Jedenfall gehe ich jetztmal zum Auto meiner Mate und fahre es zur Siedlung. Überlege es dir ja? Vielleicht gibt es für euch ja doch einen Weg." Damit lässt er mich nun allein.

Es gibt einen Weg Xanes, nur ob ich den überlebe ist die Frage. Und lieber lebe ich mit dem Wissen, dass Damian lebt, als dass er wegen meiner Unfähigkeit stirbt.

Die BewahrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt