Kapitel 19

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•Caleb•

Ich kann mir vorstellen das du sauer bist, aber kannst du mir trotzdem sagen wo du bist und wie's dir geht? Mache mir Sorgen.

Ich war grade wieder wach als er mir schrieb und das sollte mich vermutlich beunruhigen, da es bereits mitten in der Nacht war und es ihm ganz sicher nicht gut ging.
Es beunruhigte mich sehr und gleichermaßen beruhigte es mich das er mir geschrieben hatte.
Die Nachricht gab mir Hoffnung, dass am Ende alles wieder gut wurde.

Schnell tippte ich eine Antwort, da ich wusste wie scheiße es war auf gelesen stehen gelassen zu werden, wenn man sich sorgte.

Bin bei meinen Eltern. Tut mir leid das ich dir nicht Bescheid gesagt habe. Naja, wie soll's mir gehen?

Darauf kam keine Antwort mehr und ich warf mein Handy ans Fußende meiner Matratze.
Er hatte es nicht anders gewollt.
Die Wahl war da gewesen und er war gegangen.
———
Es vergingen mehrere Tage in denen wir wie kleine Kinder einander mieden und uns aufführten als würden wir einander bis auf den Tod nicht leiden können.
Wenn Toby in der Halle war, ging ich raus ins Gelände.
So auch umgekehrt.
Sobald einer von uns seine Box mistete, war der anderen zufällig so lange verschwunden, bis man fertig war.
Keine Ahnung wer mit diesen Blödsinn angefangen hatte, ich wusste nur dass es uns beide unnötig verletzte.

Heute stand Springstunde auf dem Plan und ich hatte mich abgemeldet nachdem keiner mit Toby tauschen konnte, damit er auf meinen Platz rutschen würde.
Seine Uhrzeit passte mir nämlich ebenfalls nicht, jedoch wusste ich wie wichtig ihm das Training war, weswegen ich meins sausen lies.
Mittlerweile ritt ich es sowieso nur noch aus Vergnügen und nicht weil es mir wirklich weiterhalf.

Bedankt hatte er sich nicht, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
Wir sprachen seit der Nachrichtenaustauschnacht garnicht mehr.
Leider blieb dies nicht unbemerkt und somit klebte mir Dallas am Hacken.

Er lehnte an meiner Boxentür, als ich mit der Karre zurückkam um weiter auszumisten.
„Na?"
seine Stimme hatte einen Unterton der nerviges Geschwätze voraus sagte und ich zog mich in die Box zurück.
„Hey"
„Gehts dir gut?"
„Wieso sollte es mir schlecht gehen?"
„Weil du auch so aussiehst"
Die ersten Äppel landeten mit einem leisen Poltern in der Plastikkarre.
„Aha. Na dann"
Mehr sagte ich dazu nicht.
Warum auch? Jeder Idiot hatte bisher mitbekommen, dass etwas nicht stimmte und dass Dallas jetzt so tat, als wüsste er es nicht, war affig.

„Toby und Du.. ihr seid noch zusammen?"
Was für ein Arsch.
„Ja, tatsächlich schon"
Die Mistgabel etwas heftiger als nötig ins Einstreu rammend sah ich nicht einmal auf.
„So wirkt es garnicht"
„Momentan ist es etwas schwierig.
Hast du noch was anderes über das du reden möchtest, oder geht es nur um meinen Beziehungsstand, der dich nebenbei erwähnt nichts angeht?"
Er zuckte mit den Schultern und tat als hätte ich ihn nicht grade beleidigt.
„Ich wollte dich eigentlich nach einem Date fragen, aber wenn du-"
Er hielt inne als Hufgeklapper durch den Stall hallte.
Auch ich sah auf und entdeckte meinen Freund, der Coco grade Richtung Putzplätze brachte um sie fertig zu machen, jedoch ohne uns Beachtung zu schenken.
Heute sah er besonders übermüdet aus.
Seine Bewegungen wirkten schlurfend und die Blicke waren etwas apathisch auf den Boden gerichtet.

„Ich will kein Date mit dir"
zischte ich und richtete mich zu meiner vollen Größe auf, wodurch Dallas' Schultern sich anspannten.
„Ich will das du Toby und mich in Ruhe lässt.
Vor allem Toby. Es ist mir egal was für ein Problem du mit ihm hast, aber hör gefälligst auf damit dich wie ein Vollidiot aufzuführen. Auch wenn du einer bist- das ist keine Entschuldigung"
Mit diesem Worten lies ich ihn alleine stehen und verzog mich ins Haus um mir einen Tee zu holen.
———
Coco galoppierte um die Sprünge herum, während mein Vater in der Mitte stand und sich das beguckte.
Ich hatte keine Ahnung was grade er da unten zu suchen hatte, denn eigentlich trainierte wer anders.
Bisher hatte es recht gut funktioniert und das obwohl er von Toby ziemlich viel verlangte.
Teilweise waren Sachen dabei, die er noch nicht mal von mir gewollt hätte.
Trotz dessen das die beiden das Gut gemacht hatten, fing mein Freund das schwächen an, während seine Stute jetzt erst richtig loslegen wollte.

Da ich hinter dem Hallentor stand konnte ich genau sehen, dass mein Vater irgendeine neue und vermutlich sehr dumme Idee im Kopf hatte.
„Mach das gleiche nochmal, aber diesmal bremst du sie ein bisschen"
„Bremsen? Wieso?"
Das würde ich auch gerne wissen, jedoch konnte ich es mir bereits denken.
Es sah etwas wild aus, aber nur vor den Sprüngen, wenn die Schimmelstute wieder ihre fünf Minuten bekam und den Kopf in die Höhe zog.
„Damit die mehr aus der Kraft springt"
Hätte er mich angeguckt, hätte er den Satz Macht sie doch,wo ist das Problem? darin lesen können, jedoch sah er mich nicht an.
„Das tut sie"
Sprach Toby meinen Gedanken laut aus.
„Nein. Ich weiß nicht wer dir das reiten beigebracht hat, aber wirklich gut sieht es nicht aus"
Mir fiel alles aus dem Gesicht und Toby lies geschlagen seinen Kopf hängen, bevor er auf Anfang ging.
Das glaubte er doch jetzt nicht wirklich?

Anscheinend doch, denn jetzt tat er was mein Vater ihm zurief obwohl wir beide genau wussten das, dass hinten und vorne keinen Sinn ergab.
Der erste Sprung verlor die obere Stange durch das fest Gehalte davor und dies zeigte Coco auch deutlich mit Bocksprüngen.
Mich auf dem Hallentor abstützend sah ich mir dieses Desaster weiter an, bis sie auf die Dreifache zu galoppierten.
„Halt sie fest, dann kann sie nicht übermütig werden"
Das war furchtbarer Blödsinn.
Leider tat Toby trotzdem was von ihm verlangt wurde und kam somit beschissen in die Reihe der drei Sprünge.
Ich sah das Coco das nicht auf sich sitzen lassen würde und beobachtete grade noch wie sie beim zweiten fast einen Steher hatten, wenn dieses Pferd nicht so verdammt auf ihren Reiter aufpassen würde.
Und dann schaltete ich. Der letzte Oxer war viel zu hoch für diese Reiterei und wenn sie nicht parken würde..
Scheiße!

„Mach die Hand auf!"
meine Stimme hallte laut genug durch die Halle, jedoch einen Galoppsprung zu spät, denn da hatte die Stute bereits auf die Bremse gedrückt, bevor sie sich kurzzeitig doch dazu entschied abzuspringen und kurzerhand den ganzen Oxer abräumte, dabei fast stürzte nur um danach los zu sprinten und solche heftigen Buckler einzubauen, dass ich mich fragte wie Toby das gesessen hatte, bis sie sich nach einer Runde wildem Rodeo für eine Vollbremsung und anschließende Drehung Richtung Bande entschied.
Mit einem lautem Krachen flog mein Freund demnach in die Barrikade und bewegte sich nicht mehr.
Schnaufend trabte Coco am Tor vorbei, während ich geschockt noch immer an Ort und Stelle stand.

Dann drückte ich es auf und rannte zu Toby, welcher sich immer noch nicht bewegte.
„Hey, hörst du mich?"
Ich nahm ihm den kaputten Helm ab, meine Finger griffen nach seinem Kinn um den Kopf leicht in meine Richtung zu drehen.
Ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen entkam ihm dabei.
„Scheiße"
Panik breitete sich in mir aus. Ein taubes Gefühl und gleichzeitig als würde ich fallen.
Ich war bei vielen Stürzen von ihm dabei gewesen und wusste, das er normalerweise direkt wieder aufstand.

„Nun bleib ruhig, das wird wieder"
Mein Kopf zu meinem Vater drehend, erdolchte ich ihn mit Blicken.
„Was zur Hölle sollte das?! Du hast gesehen das das falsch war, was du gesagt hast. Bist du eigentlich noch ganz bei Sinnen?!"
„Ich warne dich-"
„Nein!!"
Ich hätte gebrüllt, doch dazu fehlte mir die Kraft.
„Ruf einen beschissenen Krankenwagen und lass uns allein. Du hast genug getan"
Er verschwand tatsächlich und ich hoffte inständig, dass er das tat, was ich von ihm verlangt hatte.

„Toby?"
Ich strich über seine Wange und beobachtete wie seine Lider zuckten.
„Hörst du mich?"
Erleichtert stellte ich fest, dass er versuchte die Augen zu öffnen.
„Caleb?"
Seine Stimme war leise und brüchig, aber ich war so erleichtert sie zu hören, dass es mir egal war.
„Ein Krankenwagen ist auf dem Weg"
Er stellte die Versuche die Augen zu öffnen ein.
„Bitte nicht"
„Doch"
Meine Finger fuhren durch sein Haar und ich bemerkte wie er zittere, bevor er sich hochdrücken wollte.
Ein Keuchen entkam ihm, woraus ich schloss das es ihn ganz schön erwischt hatte.
„Bleib liegen"
„Nein. Weißt du wie kalt es ist?"
Erneut zitterte er und ich half ihm kurzerhand sich an die Bande zu lehnen, gegen die er vorhin noch gekracht war.
Augen geschlossen und Kopf hinten angelehnt, sah er echt schlimm aus.

Ich streifte mir meine Jacke ab und legte sie ihm über die Schultern.
Er wehrte sich nicht dagegen und mein Hals schnürte sich zu.
Ich wollte das so nicht mehr, es sollte alles wieder gut sein.
„Gehts?"
Toby reagierte nicht mehr wirklich, aber wenigstens hatte er die Frage registriert.

Irgendwann sackte er zur Seite gegen mich und wir beide ließen es so.
Ich, weil ich ihn endlich wieder näher bei mir hatte und er, weil er wahrscheinlich einfach nicht mehr bei Kräften war.

About the Perfect Ending (Boy x Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt