„Sag Lebwohl", triumphierte eine helle, vage bekannte Stimme, während sich der kalte Druck an ihrem Hals schmerzhaft verstärkte.
Bevor Kaja der Stimme ein Gesicht geben konnte, hörte sie Koray ausrufen:
„Milu, was machst du hier?"
Der Name weckte eine Erinnerung, die sie durch ihren rasenden Herzschlag nicht zuordnen konnte. Jeder Muskel in ihrem Körper protestierte vor Schmerzen und zitterte kraftlos. Drachenzorn! Doch das Schwert sprang nicht in Kajas Hand. Es lag noch im Umhang.
„Koray?", fragte Milu.
Kaja bewegte ihre Augen in seine Richtung, aber konnte ihn nicht sehen. Dafür sah sie, was an ihrem Hals kratzte. Ein Dolch. Wenn Koray Milu nicht abgelenkt hätte, dann wäre sie jetzt schon tot. Nein, nein sie durfte nicht sterben. Sie musste Alina retten. Sie musste ... zaubern! Kaja rief ihre Magie.
Nichts.
„Koray, bist du es wirklich?" Milus Stimme überschlug sich vor Fassungslosigkeit.
„Wie kommst du hierher?", fragte Koray.
Kaja suchte nach dem Summton der Macht.
Stille antwortete ihr. Ohrenbetäubend und lähmend.
Panisch krallte sie sich im feuchten Untergrund fest, als könnte er ihr helfen sich zu konzentrieren. Hatte Milu Magie-Hemmer bei sich? Nein, die ließen ihre Macht nicht verschwinden. Kaja würde ihre Zauberkraft dennoch spüren. Sie hatte dieses Nichts noch nie erlebt. Hatte sie keine Magie mehr? Ihr Herz sprang wild von Schlag zu Schlag.
Kajas Arme waren taub geworden unter dem Gewicht von Milus Knien. Sie spannte ihre Muskeln an, verkniff ihr Gesicht, atmete stoßweise, bis ihre Schläfen pochten. Und nichts. Ihre Magie ließ sich nicht wecken.
Milu riss Kajas Kopf an den Haaren nach oben. Kaja erstarrte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Nein! Nein! Was konnte sie tun? Das Blut raste durch ihre Halsschlagader und pochte gegen das Metall des Dolches. Sie fühlte, wie Milu sich auf ihr abdrehte.
„Du bist ja nackt!"
„Es gab eine Zeit, da hattest du dich nicht daran gestört", erwiderte Koray leichtfertig. Seine Stimme klang näher. Kaja atmete auf. Er lenkte Milu ab. Wenn sie ruhig blieb, würde sie sie überrumpeln können.
„Es stört mich auch jetzt nicht. Es verwundert mich nur."
„Es ist besser, als mir in nassen Kleidern den Tod zu holen. Und wenn wir schon beim Thema Tod sind, ... Milu, würdest du ... die Kleine da... loslassen?"
„Nach der ganzen Mühe, die ich hatte, um sie aufzuspüren? Natürlich nicht. Aber du kannst mir gratulieren. Ich habe den Schlüssel gefunden." Milus Stimme klang hart und scharf.
„Schlüssel?", fragte Koray verwundert, um nach einer kleinen Pause spöttisch hinzuzufügen: „Ach, du meinst diesen Unsinn vom dämonischen Schatten, der das Ende der ‚Grossen Finsternis' überlebt haben soll und seither nach dem Schlüssel zur Unterwelt sucht, um den Weltuntergang herbeizuführen."
„Das ist kein Unsinn. Die Prophezeiung ist echt!", belehrte ihn Milu. Der Druck auf Kajas Armen ließ etwas nach.
„Du glaubst daran? Ich bitte dich. Warum sollte ein Dämon hundert Jahre lang nichts tun und sich erst jetzt dazu bequemen den Weltuntergang herbeizuführen? Macht er das aus Rücksicht vor uns, damit wir genug Zeit haben, um ihn aufzuhalten? Oder hat er es zwischenzeitlich vergessen? Das kann nicht dein Ernst sein! Diese Geschichte ist durch und durch lächerlich!"
„Lächerlich? Lächerlich!", schrie Milu ungläubig. Sie hatte Kajas Haare losgelassen.
„Ja, lächerlich!", meinte Koray ungerührt. „Ich habe Geschichten von wunscherfüllenden Vogeleiern in Achselhöhlen gehört, die mehr Sinn ergaben. Was kann ein Schatten schon tun? Unsere Sonnenbräune bedrohen? Kleine Kinder erschrecken? Und dann braucht es einen Drachen, um ihn zu besiegen? Wirklich? Das ist die schwachsinnigste Prophezeiung von allen. Kein Wunder, sie kommt auch von diesem alten Sack Kazandran. Wie alle Propheten war er ein scheinheiliger Schwindler. Er hat mit seinen ‚Visionen' die Massen verängstigt und den Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche gezogen."
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Kein Weg aus der Finsternis - Die Legende von Kaja Band 2
FantasíaDie Legende von Kaja Band 2 Wenn sie ihm vertraut, wird er sie verraten, tut sie es nicht, werden sie sterben und wenn sie versagen, wird die Welt bluten. Die Jagd auf den sagen-umwobenen Schüssel geht weiter. Eine Macht, die in den falschen Händen...