9. Diese Wut in uns

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Zusammenhanglose Bilder schwammen träge durch den Strom ihres Bewusstseins. Eine Stimme schrillte, wie ein Warnsignal.

Mit Mühe schlug Kaja die Augen auf, als läge ein Gewicht auf ihren Lidern. Matt wollte sie sich den Schlaf aus den Gesicht reiben, aber sie konnte ihre Arme nicht heben. Sie versuchte es erneut. Ein Rasseln zog ihren Blick an. Ihre Handgelenke waren mit zwei schweren Eisenketten an einem Ring auf dem Bretterboden gefesselt. Ihr Mittel- und Ringfinger der rechten Hand steckten in einer rudimentären Schiene. Kaja wusste, dass sie das beunruhigen sollte, aber es war anstrengend genug wach zu bleiben. Ihr Kopf war weich auf ein Kissen gebettet, ihr war wohlig warm und eine angenehme Schwere hatte sich in ihren Gliedern ausgebreitet, die sie in den Schlaf hinunterzog.

Eine kleine Ecke in ihr erkannte diese Lethargie wieder und warnte sie unaufhörlich. Elfenkraut, Elfenkraut, Elfenkraut hallte es durch ihre Gedanken, bis sie davon erneut aufwachte.
Vor ihren Augen tauchte ein Gesicht auf, wie aus Schönheit, Licht und Güte. Es lächelten sie an. Darien.

Kaja lächelte benommen zurück. Seine Augen funkelten, als gehörten sie einem Zauberwesen. So blau. So tief. Ihr Darien. Da war etwas.... Etwas... Sie erinnerte sich nicht. Seine Hand legte sich auf ihren Kopf, wo er ihr sanft über die Haare strich.

„Es tut mir leid, dass ich dir das antun muss. Unsere Zeit wird knapp und ich werde nicht riskieren, dass du dich mit Magie befreist und fliehst. Mir wurde versichert, dass dieses Elfenkraut die Zauberkraft unterdrückt und keine Schäden hinterlässt."

Darien zog seine Hand weg. Kaja griff nach ihr, aber die Fesseln hielten sie rasselnd zurück.

„Die Ketten sind nicht sonderlich bequem und Naril war strikte dagegen. Aber doppelt hält besser. Außerdem war sein Vorschlag unbrauchbar. Ich kenne dich fast mein Leben lang und weiß, dass es nichts bringt dich überreden zu wollen. Egal, was ich dir erzähle, du wirst mit doch nicht glauben."

Naril? Kaja öffnete den Mund, der sich pelzig anfühlte, aber kein Ton kam heraus. Schon im nächsten Moment hatte sie vergessen, was sie sagen wollte.

Er gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirne und sagte: „Ruhe dich aus. Morgen früh wird alles vorbei sein."

Vorbei. Alles vorbei, echote es durch ihre Gedanken. Die Worte hatten einen Nachhall, dessen Bedeutung sie nicht festhalten konnte. Hier stimmte etwas nicht.
Die Welt wackelte. Es rumpelte. Kaja brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass sie in einem fahrenden Wagen war. Das Getrappel von Pferdehufen drang gedämpft zu ihr. Jede Unebenheit schüttelte sie durch und ließ die Galle in ihr hochsteigen.
Naril!
Erinnerungsfetzen setzten sich langsam zusammen. Naril schwer verletzt. Hob eine blutige Hand. Schickte sie mit dem Transportzauber weg. Die Vollstrecker hinter ihm. Näherten sich. Unter ihnen Darien. Er hatte ihre Seite gewählt. Sein Messer an ihrer Kehle. Darien, wie er sie würgte. Kalter Schweiß klebte ihr auf der Stirn. Das war nicht ihr Darien. Er war ein Fremder. Naril war tot. Trauer und Angst wogten in erdrückenden Wellen durch sie und wurden von der stumpfen Schläfrigkeit jedes Mal von Neuem zurückgedrängt.

Wieder und wieder hörte sie Dariens Stimme, wie als Echo aus der Vergangenheit. „Ich hatte dich gewarnt. Behandle mich wie einen Fremden..."

Sie schüttelte den Kopf. Doch die albtraumhaften Bilder ließen sich nicht vertreiben. Jede Erinnerung traf sie wie ein Tropfen Eiswasser. Sie schwitzte und zitterte. Naril. Darien. Naril, Darien. Schneller und schneller drehte sich der blutige Reigen.

Kaja stöhnte, richtete sich auf und fiel dabei vom Bett. Ihr Körper fühlte sich unbeweglich an. Ihr Magen rumorte. Sie presste ihr Gesicht gegen die Holzbretter des Bodens. Die Vibration der Räder übertrug sich auf sie, sodass ihre Zähne klapperten. Ein Ruck - und ihr Kopf schlug gegen den Bettkasten. Pochender Schmerz zerriss die Nebel in ihrem Kopf. Sie musste fliehen! Alina. Hier liegen zu bleiben war ihr Tod.

Kein Weg aus der Finsternis - Die Legende von Kaja Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt