Kapitel 21

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Das Klopfen an seiner Tür versetzte Jungkook in pure Wut. "Was willst du??", brüllte er, aber als er den vertrauten Postwagen in der Tür sah, beruhigte sich seine Haltung und er bereute seinen Tonfall.
"Gut, dann behalte ich diesen Brief von Hwansaeng einfach für mich", spottete Youngja, eine Frau mittleren Alters, die für das Klopfen verantwortlich war.

Jungkook seufzte entschuldigend. "Tut mir leid, Noona", sagte er leise mit gesenktem Blick. Youngja reichte ihm leicht verbittert den Brief.
"Gern geschehen.", sagte sie voreilig, ging und schloss die Tür hinter sich.
"Danke schön!", rief Jungkook, als sie ging.

Er riss den Brief auf und sah sofort das Datum oben, das darauf hinwies, dass er vor etwa fünf Wochen geschrieben worden war. Im Juni. Er hasste es, in Hwansaengs Leben so im Rückstand zu sein. Anders war es in ihrer Kindheit, wo er direkt von allem erfahren hatte, als es passiert ist. Er vermisste es, so sehr. Er vermisste Hwansaeng, schrecklich sehr. Aber diese große Verzögerung gab ihm das Gefühl, als würde sein bester Freund ein ganzes Leben ohne ihn leben.

Der Inhalt von Hwansaengs Brief verstärkte dieses Gefühl nur noch mehr. Seine Ausbildungseinheit war von seinem herausragenden Intellekt und seinem schnellen Denken beeindruckt, insbesondere weil er älter als die meisten Soldaten war. Sie beförderten ihn und leiteten den Prozess ein, ihn zum Piloten zu machen. Mitte Juni sollte die Ausbildung beginnen und voraussichtlich sollte er bis Ende August seinen ersten Helikopter fliegen.

"Ich wünschte, du könntest mich fliegen sehen", schrieb Hwansaeng am Ende seines Briefes. Jungkooks Herz schwoll vor Stolz an. Sofort schnappte er sich einen Stift und ein weiteres Blatt. Er musste ihm sagen, wie stolz und aufgeregt er war, seinen besten Freund eines Tages seinen eigenen Hubschrauber steuern zu sehen. Er fragte sich, wie viel Spaß es machen würde, in aller Ruhe zu fliegen, und hoffte, dass Hwansaeng ihn eines Tages auf seinen eigenen privaten Helikopterflug mitnehmen könnte.

Es war eine große Bitte, aber in Zeiten wie diesen konnte er nur groß denken. Fliegen lernen ist ein großer Gedanke. Hwansaeng war schon immer ein großer Denker gewesen. Er würde wollen, dass Jungkook dasselbe tut. Über die Grenzen seiner Erwartungen hinausschauen und groß denken! Mutig denken! Groß denken und erleben, wie Hwansaeng aus seinem Dienst entlassen wird. Hwansaeng endlich gestehen, wie er sich fühlt. Als würde Hwansaengre die Liebe, die er für ihn empfindet, erwidern.

Als würden sie den Rest ihres Lebens zusammen verbringen. Nie wieder getrennt werden. In einem Cottage fernab der sterbenden Welt leben. In einer neuen Welt heiraten. Gemeinsam alte Männer werden. Solche großen Gedanken hielten Jungkook am Leben.

Ein Heilmittel für seine Krankheit zu finden schien immer ein zu großes Projekt zu sein, als dass man darauf hoffen konnte. Sein Zweifel errichtete eine undurchdringliche Mauer vor seinem Weg. Es gab keine Möglichkeit, nach vorne zu sehen, keine Möglichkeit, durch oder um ihn herumzugehen. Sein Zweifel ließ ihn klein denken und Hwansaeng hatte kleingeistige Menschen immer verurteilt.

Wenn er auch nur die Möglichkeit einer Heilung ablehnte, weil Zweifel ihn umhüllten, würde Hwansaeng ihm niemals verzeihen. Er würde als Mann ohne Vergebung ins Jenseits geschickt werden.

Nein, das wird er nicht. Er hatte ein Versprechen gegeben.

In seinem eigenen Brief schwärmte er gegenüber Hwansaeng von dem neuen Arzt im Krankenhaus. Er schrieb über Doktor Mins Erfahrungen in der Marine während des Krieges. Er sagte, er solle seine Erwartungen niedrig halten, öffnete sich aber die Tür, um wieder zu hoffen. Diesmal könnte es wirklich anders sein. "Das nächste Mal, wenn du mich siehst, werde ich ein neuer Mann sein", schrieb Jungkook und schickte den Brief ab.

Im Laufe des Monats erhielt Jungkook immer weniger Briefe von Hwansaeng. Bis Mitte Juli gingen sie auf Null zurück.

Er konnte nicht böse sein, Hwansaeng war zweifellos ein vielbeschäftigter Mann. Es dauert Wochen, bis die Briefe ankamen, und manchmal gingen sie auf den Transportwegen verloren. Aber selbst mit den erwarteten Hindernissen waren es ausgesprochen wenige Briefe, die Jungkook bekam. Und seit Hwansaengs Pilotenausbildung waren sie auf fast Null zurück gegangen. Jungkook hatte keinen Brief erhalten, der nach Mitte Juni datiert war.

Er konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Gegen Ende des Monats gelang es ihm jedoch, sich mit dem Gedanken an das Leben abzulenken. Dass sich diese ganze Trennung am Ende lohnen würde. Er könnte sich kein lebenswertes Leben ohne Hwansaeng vorstellen, und Doktor Min ist gerecht - er würde sich Jungkook schon annehmen! Hwansaeng ist genug zum Leben, was braucht er mehr?

[...]

Als Yoongi am 31. Juli in Jungkooks Zimmer ankam, meldete sich der Patient zuerst zu Wort, bevor der Arzt eine Chance hatte.

"Hör zu, du aufgeblasener Mistkerl", zischte Jungkook, "du kannst auf mich herabblicken, weil ich einen Mann liebe, für ihn leben will und für die Zukunft, in der wir vielleicht alles haben, was man will. Aber du kannst dir deinen arroganten Götterkomplex in den Arsch schieben wenn du glaubst, dass du das Recht dazu hast, zu entscheiden, wer es verdient zu leben oder zu sterben. Du bist ein Arzt. Tu, was Ärzte tun, und rette mein verdammtes Leben. Ich möchte leben, weil Hwansaeng mir nicht verzeihen würde, wenn ich sterbe. Und er wird dir auch nicht verzeihen."

Der Arzt blickte mit hochgezogenen Brauen leicht überrascht und höhnisch nach unten. "In den meisten Fällen wäre ich auf deiner Seite. Wenn ich ein normaler Arzt mit einer normalen Heilung wäre, hätte ich dich schon vor langer Zeit für den OP eingeplant." Yoongi hielt inne, um den Flur vor dem Zimmer zu überprüfen, und schloss dann die Tür.

"Nichts an dem, was ich tue, ist normal. Du hast schon gehört, meine Methoden sind umstritten und kontrovers. Sie sind der letzte Ausweg für diejenigen, die wirklich, wirklich, die Leben wollen." Jungkook schüttelte den Kopf, als würde er noch einmal versuchen zu verstehen, was er gerade gehört hatte.
"Wovon redest du?"
"Jungkook, wenn du die Wahl hättest, ewig zu leben, würdest du sie nehmen?", fragte der Arzt und ging langsam auf den Patienten im Bett zu.
"Ähm-"
"Wenn deine Antwort nicht Ja lautet, wird dir die Richtung dieses Gesprächs nicht gefallen."

Yoongi stützte sein Gewicht auf die Kante des Krankenhausbetts und beugte sich nach unten, so dass sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von Jungkooks Gesicht entfernt war. Der Patient zog verwirrt die Augenbrauen hoch, bis er es sah.

Der Arzt ließ seine Zunge direkt über seine oberste Zahnreihe gleiten, langsam, mit einem herrischen Gesichtsausdruck, und Jungkook sah, wie die scharfen Fangzähne von dem Rest seiner stumpfen Zähne hervorragten.

"Ist das ein Witz?", fragte er keuchend, sein Blick nun auf die Narbe im Gesicht des Arztes gerichtet. Yoongi schüttelte den Kopf.
"Ich bin kein Arzt. Ich habe keinen medizinischen Abschluss. Aber", er zuckte mit den Schultern, "ich kann Leben retten. Irgendwie macht mich das doch zu einem Arzt, oder?"
"Was zur Hölle bist du?", fragte Jungkook unruhig, ohne zu wissen, ob er diese Frage bereuen würde.

"Unsterblich", dröhnte Yoongis Stimme wie Gift in seinen Ohren, "und du könntest es auch sein."

❀•ஓ๑♡๑ஓ•❀

Ich schreie

My Roommate is a Vampire | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt