Eine Traumwelt wird zur Wirklichkeit

.Melody.

Anu und ich sind die ersten, die bei ihr ankommen. Besorgt betrachten wir Melody genauer.
Auch wenn sie auf den ersten Blick sehr schlimm aussah, hat sie, soweit ich das beurteilen kann, keine größeren Verletzungen. Sie sieht einfach nur total fertig aus.
"Holt mal jemand das Verbandszeug?", höre ich jemanden sagen.

"Klar, ich mach das."

Matt taucht neben mir auf und stellt ein Glas Wasser auf den Tisch, dann geht er näher zu Melody und versucht sie durch leichtes anheben bequemer hinzulegen. Die Füße baumeln etwas über die Lehne und der Kopf liegt gemütlich auf dem Saum der Couch.

"Wo hast du sie gefunden Gigi?", fragt Matt aufgebracht Gizette, doch sie bleibt still und liegt einfach nur angelehnt und mit geschlossenen Augen auf dem Sofa.

"Verdammt Gizette, sag uns was passiert ist?", fragt eine Stimme hinter mir panisch.
Ich blicke hinter mich und sehe Julians wütenden Blick.
Dabei kommt Sirai mit einer roten Kiste angerannt und setzt sich auf den Boden vor Melody, die ebenfalls noch kein Ton von sich gegeben hat.

"Ich weiß doch selber nichts, ich habe sie vor der Burg getroffen und sie gleich hier her gebracht." Gizette schlägt ihre Augen auf und stemmt sich entschlossen vom Sofa ab.
Sie ist sichtlich nervös, sie läuft nun in diesem kleinen quadratischen Zimmer umher und spielt dabei mit ihren Ohrläppchen herum.

"Sie konnte kaum laufen und wirkte so schwach.", berichtet sie etwas abwesend.
Mitfühlend blicke ich sie an, sie macht sich wirklich sorgen um Melody.

Julian hat sich währenddessen gleich an ihren vorherigen Platz begeben, um Melodys Kopf auf seinen Schoß zu legen. Nachdenklich streichelt er ihre Haare, während Sirai die Wunden an ihren Beinen versorgt. Anu hatte sich wieder in die Küche begeben und von Lars habe ich ebenfalls nicht viel mitbekommen.

Ich kann es verstehen, dass sie nicht hier stehen wollen. Es bedrängen Melody im Augenblick schon genug Leute, darum drehe auch ich mich zur Küche um und setze mich in Bewegung.
Da höre ich ein leichtes husten.

"Mir geht es gut, Leute.", die Worte klingen schwach und sehr verzerrt.
Ich bleibe, wie versteinert stehen.
Ich höre sie schwerer husten und wie sie sich bei jedem weiterem Atemzug verschluckt.

"Hier trink was.", meint Sirai einfühlsam und ich schaue kurz über meine Schulter.

Ich sehe die Erleichterung in den Gesichtern der anderen und wie alle Melody dabei beobachten, wie sie ihr Glas austrinkt.
Ich spüre, wie auf meiner linken Wange eine kleine Träne herunterrollt. Schnell wische ich sie mir weg und gehe gezielt auf die Badezimmertür zu. Dabei merke ich nach einem kurzen Blick in die Küche, dass Lars und Anu für Ordnung sorgen. Auch der Blick von Anu fällt mir auf, doch ich ignoriere ihn, so wie ihre anderen Blicke auch. Es ist keiner ihrer Blicke, wie davor nicht zynisch oder herablassend, eigentlich ist er viel schlimmer.
Ihr Blick zeigt Mitgefühl und dieser Blick ist genau auf mich gerichtet.
So etwas bin ich nicht gewohnt, ich weiß nicht einmal, was ich davon halten soll. Also blicke ich auf die alte Tür, öffne sie, wobei sie ein knarrendes Geräusch von sich gibt und verschwinde dahinter.

~|~

Auf den Boden starrend stehe ich an der Tür gelehnt, meine Augen geschlossen. Tief atme ich einmal ein.
Ich brauche kurz fünf Minuten ruhe.
Ich bin so froh, dass es ihr gut geht.
Die ganze Zeit lag eine unsichtbare Last auf meiner Brust, doch jetzt kann ich erleichtert aufatmen.
Auch wenn ich es nicht wahr haben wollte, aber ich hatte Schuldgefühle, mehr als ich dachte. Doch jetzt fühle ich mich geradezu beflügelt.

Da lasse ich selbst den Blick von Anu eben, links liegen.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, drücke ich mich von der Tür ab und schaue in den Raum. Auch wenn ich sehr beeindruckt von diesem kleinen Versteck bin, ist nun mal alles sehr klein. Dieser Raum überschlägt dabei alles. Für Leute, die Platzangst haben, wäre das die Hölle. Umso besser, dass ich keine wirklichen Phobien habe.