Run!

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Ich schulde ihr etwas, daher fühle ich mich verpflichtet mit ihr zu reden.
Ich habe zwar keine Ahnung woher dieser Spruch eben von mir kam, aber für meine Verhältnisse war der echt tiefgründig! Dieser ganze Ort bringt mein Gehirn wohl dazu, schlauer zu werden.

Meine Sinne werden auch langsam wach und ich schlucke angewidert den widerlichen Gestank, der hier in der Luft liegt, hinunter und konzentriere mich auf meinen Weg. Zum Glück ist meine Orientierung ganz gut, wodurch ich schnell zur Leiter komme, die ich gestern hinunter geklettert war.

Ich klettere die Leiter hinauf und versuche den Deckel, der den Ausgang versperrt zu öffnen. Die Betonung liegt auf 'versuchen'! Dieses Ding ist verdammt schwer, wer hat sich das eigentlich ausgedacht? Ich meine, diese Deckel führen zu einem übelriechenden Ort und nicht in den Buckingham Palast . . .

Nach etlichen Versuchen schaffe ich es langsam dieses Ungetüm zu bewegen.
Melody könnte in der Zeit schon sonst wo hingegangen sein, aber ich gebe nicht auf.
Nachdem ich endlich wieder frische Luft einatmen kann, ist mein Körper so sehr voller Adrenalin, dass ich mit schnellen Schritten los laufe. In diesem Zelt mit den Töpfereien hatte sich nicht viel verändert, ich frage mich, was die Leute denken, die hier mal was kaufen wollen. Hier ist doch niemand, jeder könnte etwas stehlen. Aber es ist ja sowieso nur Tarnung.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel und blendet meine Augen, als ich das Zelt verlasse und durch die vielen kleinen Straßen laufe, die zur Burg führen. Es herrscht regelrechtes treiben überall, die Leute stehen an ihren Ständen und locken die Kunden mit ihren Produkten an. Ich rieche auch die leckere Zuckerwatte, die ich in meiner letzten Nacht wahrgenommen hatte.

Unglaublich, es kommt mir so vor als wäre es bereits Jahre her, dabei bin ich erst einen ganzen Tag hier. Was wohl gerade in der Realität passiert? Nein, das ist nicht das worüber ich jetzt nachdenken sollte! Ich muss Melody finden.

Erst laufe ich in den ganzen Straßen umher und versuche sie zu entdecken, doch keine Spur.
Dann verlasse ich schließlich den Marktplatz und gehe einmal an der Mauer um die Burg herum. Die Wachen sind mir dabei ziemlich egal, sollen sie doch wissen das ich hier bin.
Ich ignoriere sie und biege links ab. Immer weiter laufe ich an der kahlen, weißen Wand entlang und beobachte den Kontrastunterschied von dem Weiß und der grünen Wiese. Bis ich ein paar rote Haare erkenne und zwei Beine, die ausgestreckt auf der Wiese liegen.

Meine Mundwinkel zucken nach oben und ich entferne mich von der Wand und laufe auf Melody zu. Entspannt liegt sie leicht abseits von der Mauer zwischen den Blumen und schaut in den blauen Himmel, der vereinzelt mit Wolken verziert ist. Ihre Wangen sind noch etwas feucht, es liegt also nahe, dass sie noch geweint hat.
Leise lege ich mich zu ihr und blicke ebenfalls in den Himmel.

"Ich hatte eigentlich jemand anderes erwartet.", sagt sie deutlich gelassener.

"Ich hoffe das ist okay. Ich wollte mit dir reden." Ich verschränke meine Arme hinter meinen Kopf und mache es mir ebenfalls bequem.

"Klar, darf ich den Grund erfahren?", fragt sie mit einem überraschten und amüsierten Unterton.

"Mir hat man auch nie das zugetraut, wovon ich überzeugt war." Ich bin selbst überrascht, wie leicht mir das über die Zunge kommt. Doch so ist es, unscheinbar und nicht stark genug um seine Ziele erreichen zu können. Das denken die Leute in meiner Umgebung über mich. Dann auch noch die Geschichte von meiner Traumwelt und ich wurde völlig für verrückt erklärt.
Ich höre, wie Melody sich bewegt und sehe aus dem Augenwinkel, wie sie sich leicht zu mir dreht.

"Auch nicht deine Eltern?" Ich wende meinen Blick von den weißen Wolken ab und schaue nach links zu ihr.

"Nein", sage ich enttäuscht. "Es waren eh nicht meine richtigen Eltern.", murmle ich leise. Ich blicke wieder in den Himmel, um nun auch gegen die Tränen anzukämpfen und blinzle einige Male. "Ich weiß nicht, wer meine richtigen Eltern sind.", fahre ich fort und versuche das erdrückende Gefühl in meiner Brust loszuwerden.

Eine Traumwelt wird zur WirklichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt