Das Monster kommt nicht

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„Tiana, kommst du mal?"

Ich seufzte. Eigentlich wollte ich nach diesem anstrengenden Tag jetzt direkt ins Bett gehen, doch scheinbar konnte meine kleine Schwester, Felicia, nicht schlafen. Und mit ihren vier Jahren war sie einfach zu niedlich und lieb, als dass ich ihr einen Wunsch hätte abschlagen können.

Also ging ich nicht, wie geplant, durch die Badezimmertür aus weiß gefärbtem Holz nach links den Flur entlang in die Richtung von meinem Zimmer, sondern bog nach rechts ab und lief einige Schritte, bis ich vor Felicias rosaner Tür, die einen Spalt offenstand und den Namen meiner kleinen Schwester in Regenbogenfarben aufgemalt hatte, ankam.

In ihrem Zimmer, das schon von Weitem Mädchen schrie mit seinen pinken Wänden, den dutzenden Puppen auf dem Boden und dem Stapel Kuscheltiere, der einen Großteil des Bettes einnahm, brannte noch Licht.

Ich schob die Tür langsam auf und lächelte meiner Schwester zu, die sich so tief in den Kuscheltieren vergraben hatte, dass nur noch ihr blondes Haar und ihr ründliches Gesicht hervorschaute.

„Hier bin ich. Was ist denn?", fragte ich.

Einige Stofftiere verschoben sich, als sich ein Arm aus dem Berg erhob.

„Ich glaube, da ist ein Monster unter dem Bett. Kannst du einmal nachgucken?"

Ich versuchte, mir keine Nervosität anmerken zu lassen, als ich langsam näher zu ihr kam und mich auf die Knie niederließ. Als große Schwester war es nun einmal mittlerweile meine Aufgabe, so etwas für sie zu tun. Und es war wenig hilfreich, wenn ich zugab, dass ich selbst ebenfalls Angst hatte, unter dem Bett nachzusehen. Oder dass ich selbst jede Nacht mit brennender Nachttischlampe schlief, weil ich die Dunkelheit auch nicht mochte.

Mit meinen siebzehn Jahren war das definitiv nicht üblich und für Felicia war es auch nicht im Mindesten beruhigend, zumal wir allein in diesem viel zu großen Haus waren.

Um es schnell hinter mich zu bringen, senkte ich ganz kurz meinen Kopf ein Stück weiter hinab, sodass ich einen Blick unter das Bett erhaschen konnte, das, abgesehen von einen verstaubten Paar lilaner Hausschuhe, nichts unter sich hatte.

Wenige Sekunden später stand ich wieder und strich ihr beruhigend durch die Haare: „Da ist nichts. Und jetzt solltest du schlafen. Wenn Mama und Papa wiederkommen und sehen, wie lange ich dir erlaubt habe, wachzubleiben, bekommen wir sicher Ärger".

„Und mein Schrank?", fragte Felicia leise.

„Was soll ein Monster denn darin machen? Dein Prinzessinnenkostüm anprobieren?", fragte ich grinsend und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du musst keine Angst haben. Hier ist nichts und das Haus ist abgeschlossen, sodass hier niemand hineinkommt".

„Was ist, wenn ein Monster mich doch holt?"

„Dann tue ich alles, was ich kann, um dich zurückzubringen! Du musst wirklich keine Angst haben".

„Okay. Gute Nacht", lächelte meine kleine Schwester. „Erzählst du mir noch eine Geschichte?"

Ich seufzte und setzte mich auf die Bettkante: „Wenn es sein muss? Kennst du schon die von dem kleinen Einhorn...?"

Schon nach wenigen Sätzen war sie tief und fest eingeschlafen, sodass ich mich in mein eigenes Bett legen konnte, nicht bevor ich einmal unter dem Bett und in meinem eigenen Schrank nachgesehen hatte.

Das Nachtlicht blieb an, als ich mich zudeckte, auf die Seite drehte und die Augen schloss.

Dabei war mir noch nicht klar, dass Monster sich nicht unbedingt durch abgeschlossene Türen aufhalten ließen. Besonders dann nicht, wenn sie Schlüssel hatten. Und ich würde mich noch lange fragen, ob es ein Fehler gewesen war, nicht in Felicias Schrank nachzusehen - oder ob ich damit weitaus Schlimmeres verhindert hatte.

Ich werde meine größte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt