Keine Fortschritte

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Wenige Minuten später zog ich mein Fahrrad wieder aus dem Gebüsch und machte mich auf den Rückweg.

Herr Böhm, oder Frank, wie er sich noch vorgestellt hatte, hatte mir keine weiteren Informationen geben können und hatte ebenfalls keine Ahnung, wer der Täter sein konnte.

Deshalb hatten wir uns verabschiedet und ich war gegangen, jedoch nicht ohne ihn aus meiner - zugegebenermaßen sehr kurzen - Verdächtigenliste zu streichen. Nur weil mir jemand angebliche Tipps gab und mich nicht beim ersten Ansehen niederschlug und in einem Keller einsperrte, hieß es noch lange nicht, dass er unschuldig war. Wenn ich jetzt jedoch noch länger im Wald blieb, mich weiter umsah und ermittelte, würde Herr Böhm das sicherlich bemerken und, im schlimmsten Falle, sogar meinen Vater anrufen.

Das wäre ganz sicher das Ende meiner Ermittlungen.

Den Rückweg nutzte ich für einige Überlegungen. Wer hatte sonst noch einen Grund, meine Schwester zu entführen? Konkrete Personen fielen mir nicht ein, dazu müsste ich noch einmal die Sachen meiner Eltern durchsuchen. Gab es denn sonst noch irgendwelche Hinweise? Etwas, das ich übersehen hatte?

Was war mit dem Schrank? Gab es einen Grund, wieso der Entführer sich dort versteckt hatte? Sicherlich würde jeder halbwegs normale Mensch es bevorzugen, in einem Nachbarzimmer zu warten, wo er entspannt stehen konnte und nicht zwischen Kleinkinderkleidung eingequetscht war. Außerdem war es dann unwahrscheinlicher, entdeckt zu werden. Ich hatte schließlich beinahe im Schrank nachgesehen. Oder hatte der Entführer eigentlich früher zuschlagen wollen, aber nicht erwatet, dass Felicia noch nach mir rief? Und wieso hatte sie nicht geschrien? Dann wäre ich sicherlich aufgewacht. Von einem Betäubungsmittel hatte die Polizei keine Spuren gefunden.

Auch als ich in unsere Straße reinfuhr und Georg durch das Fenster seines Hauses zuwinkte, war ich mit meinen Gedanken noch nicht weitergekommen.

Dieses Mal nutzte ich einfach den Vordereingang, denn alles andere wäre zu verdächtig gewesen, zumal Mamas Auto vor dem Haus stand. Sie war also von der Arbeit wieder da.

„Hallo, ich bin zurück!", rief ich, sobald ich unseren Flur betrat.

„Lass die Tür bitte nicht zu lange offen", kam es aus Richtung des Wohnzimmers zurück und kurze Zeit später steckte Mama den Kopf durch die Tür zu genanntem Raum. Ihre Augen waren angeschwollen und ihre Nase so rot, dass es aussah, als habe sie eine überreife Tomate im Gesicht hängen. „Meine Allergie ist heute wieder besonders schlimm. Wie war die Schule?"

„Gut", log ich und schloss die Hautür. Um glaubwürdiger zu klingen, fügte ich hinzu: „In Mathe haben wir jetzt das Thema Ableitungen. Das hatte diese eine Freundin von dir doch schon mal versucht, zu erklären".

„Ah ja, ich erinnere mich. Bisher habe ich es aber noch nicht verstanden", sie trat ganz in den Flur und zwang sich zu einem halben Lächeln. „Gleich kommt nochmal die Polizei. Sie wollen unsere Aussagen erneut aufnehmen, weil es in der Tatnacht so chaotisch war".

„Aber sie haben uns doch schon tausend Fragen gestellt", stöhnte ich, ein wenig genervt. „Haben die Polizisten denn schon etwas herausgefunden?"

„Sie haben die DNA im Schrank überprüft, aber da war keine Unbekannte dabei. Nur welche von uns vieren", erklärte Mama und nieste einmal. „Sonst haben sie die Kindergärtnerinnen und die Eltern von Felicias Freundinnen gefragt, ob denen etwas Seltsames aufgefallen ist und ob sie von Leuten beobachtet wurden. Gefunden haben sie noch nichts".

„Es tut mir wirklich leid, ich weiß nicht, wo die Essensreste geblieben sind, Frau Schelte", sagte plötzlich Eva aus Richtung der Küche.

Ich zuckte zusammen, hatte ich sie doch gar nicht gesehen.

„Eigentlich wollte ich sie für Sie wieder warm machen, aber der Topf ist leer. Hast du den Rest gegessen, Tiara?", fragte Eva mich.

Ich schüttelte den Kopf: „Ich war bis gerade eben weg. Vielleicht war Papa es".

„Möglich", Evas Gesicht verfinsterte sich und sie runzelte die Stirn. „Ich hoffe, wir haben keine Ratten im Haus. Die hatte meine Großtante mal. Ganz schreckliche Viecher. Haben auch immer alles weggefressen".

Es klingelte an der Tür und wir alle drehten uns um. Draußen stand eine Frau in Polizeiuniform und winkte uns einmal freundlich zu.

„Sie will uns bestimmt befragen", murmelte Mama und eilte zur Tür.

Ich werde meine größte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt