Die ersten Ermittlungen

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Stunden später wimmelte es in unserem Haus nur so vor Polizeibeamten, die das Zimmer meiner kleinen Schwester absperrten, Proben von allem nahmen und mich immer wieder darüber ausfragten, wie ich Felicia zu Bett gebracht hatte, ob wirklich alles abgeschlossen gewesen war und ob ich mir sicher war, dass alle Fenster geschlossen gewesen waren.

Die letzten beiden Fragen konnte ich sicher mit ja beantworten, denn die Türen hatte ich mehrfach überprüft und die Fenster öffneten wir um diese Jahreszet generell nicht, weil Mama so starken Heuschnupfen hatte, dass sie keine Pollen im Haus vertrug.

Ein Beamter steckte sogar eine Wattestäbchenspitze in das Aquarium mit unseren beiden Goldfischen, die Felicia sich einmal zum Geburtstag gewünscht hatte, sie jedoch nie genug beachtet hatte, um ihnen auch nur Namen zu geben.

„Ihr wisst sicherlich, was geschehen ist, oder nicht?", fragte ich die beiden Tiere, die im Flur vor der Haustür wohnten, mit perfektem Blick auf alle, die rein- oder rausliefen. „Wenn ihr doch nur reden könntet..."

Sie glotzten mich nur mit teilnahmslosen Augen an.

Eine weitere Sache, die für die Polizisten äußerst spannend war, war der offene, halb geleerte Kleiderschrank.

„Und du bist dir sicher, dass es vorm Schafengehen noch nicht so war?", fragte eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren immer wieder.

Irgendwann reichte es mir, Antworten zu geben und ich konnte nur noch nicken.

Die restliche Nacht bekam keiner von uns Schlaf und am nächsten Tag waren die Polizisten zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Felicia wahrscheinlich entführt worden war und dass der Entführer sich im Schrank versteckt hatte. Wahrscheinlich schon, während wir noch wach gewesen waren und ich unter ihrem Bett nachgesehen hatte.

An der Innenwand hatte man nämlich Kratzspuren gefunden, die keinem aus der Familie bekannt vorgekommen waren. Die dort genommenen Proben mussten noch ausgewertet werden.

Erst am späten Vormittag verließen die Polizisten unser Haus wieder, mit der Bitte, Felicias Zimmer vorerst nicht mehr zu betreten, falls eine erneute Spurensuche notwendig werden sollte.

„Was machen wir denn jetzt?", schluchzte Mama leise, als wir am Küchentisch saßen und versuchten, die Geschehnisse zu verarbeiten. Sie hatte eine Kanne Früchtetee gekocht, doch keiner von uns hatte ihn bisher angerührt.

„Abwarten", entgegnete Papa und strich sich mit der Hand über das Gesicht. „Die Polizisten werden sie sicherlich finden. Und bis dahin können wir nichts machen".

„Aber wieso sollte jemand sie überhaupt entführen?", ich hatte schon so viel geweint, dass meine Augen mittlerweile völlig ausgetrocknet waren und ich bezweifelte, dass physisch noch mehr Tränen kommen konnten. „Sie hat doch niemandem etwas getan".

„Geld", murmelte Mama. „Dein Vater hat ein sehr bekanntes Geschäft. Es gibt bestimmt viele, die ein wenig Geld von ihm haben wollen und denken, sie bekämen es durch eine Entführung".

Und sie behielt recht. Noch am selben Nachmittag fand unsere Hausfrau einen Brief in unserem Briefkasten.

Mama rief natürlich sofort die Polizei, doch Papa öffnete ihn, halb wahnsinnig vor Aufregung, schon vor dessen Eintreffen.

Es war ein weißes Blatt Papier mit Buchstaben, die aus einer Zeitung ausgeschnitten und aufgeklebt worden waren. Dort stand:

Wir haben deine Tochter. Verstecke Freitagabend eine halbe Millionen Euro im Rosenbusch hinter eurem Teich und komme nicht mehr nach draußen. Kein Geld, oder Polizei, und sie stirbt.

Ich war ein wenig erleichtert und erklärte: „Dann kriegen wir sie wieder. Du hast ja wohl das Geld. Dann gibst du ihnen das einfach und Felicia passiert nichts. Kein Problem".

Doch Papa seufzte und senkte den Blick: „Ich fürchte, so einfach ist das nicht".

„Wieso, was meinst du damit? Mama, was meint er damit?"

Auch Mama seufzte nun und erklärte mir leise: „Dir ist wahrscheinlich schon aufgefallen, dass wir in letzter Zeit ein wenig am Personal gespart haben. Auch an der Babysitterin, weshalb du auf deine Schwester aufpassen musstest. Der Grund ist, dass das Geschäft momentan nicht so gut läuft. Wir haben keine halbe Millionen".

„Was?!", schrie ich erschrocken. „Aber das kann nicht sein! Was ist denn dann mit Felicia? Ich will nicht, dass sie stirbt".

„Sicherlich kann irgendjemand von meinen Geschäftspartnern mir das Geld leihen. Oder ich nehme bei der Bank einen Kredit auf", versicherte Papa. „Irgendwoher kriegen wir das!"

Wie erwartet waren die Polizisten nicht begeistert, dass wir den Brief ohne sie geöffnet hatten.

„Das ist eine Katastrophe! Jetzt sind sicherlich überall Ihre Fingerabdrücke drauf. Vielleicht haben Sie sogar die des Täters verwischt. Wollen Sie unsere Arbeit unbedingt erschweren?!", tadelte eine Polizistin, die sich als Kommissar Eileens vorgestellt hatte.

Papa schaute nur schuldbewusst drein.

Ich werde meine größte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt