Zu viel Aufmerksamkeit

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Mama, deren Allergie dank des regnerischen Wetters keine Probleme machte, transportierte mich tatsächlich bis direkt vor den Schulhof, wo sie kurz mit dem Auto hielt, bis ich ausgestiegen war, und dann weiterfuhr.

Auf dem Hof standen zwar nicht viele, die meisten waren wohl noch nicht da oder schon reingegangen, aber die, die dort standen, starrten augenblicklich in meine Richtung.

Natürlich. Jeder hatte mittlerweile von der Entführung gehört. Und wenn nicht über die Zeitung oder Nachrichten, dann von irgendeinem Nachbarn. War ich zuvor noch eine ganz normale Schülerin gewesen, die niemandem auffiel und der niemand einen zweiten Blick widmete, kannte mich jetzt die gesamte Schule. Eine Entführung kam schließlich nicht allzu häufig vor.

Ich schob die Kapuze meiner Jacke über meine Haare und umklammerte mit den Händen die Träger meines Rucksacks, bevor ich mit schnellen Schritten an den Schülern vorbei in Richtung Eingang lief.

„Tiara? Hallo! Warte doch mal!", wagte es tatsächlich jemand, zu rufen. Ich drehte mich nicht zu ihm herum und zeigte auch sonst keine Reaktion. Die Stimme kam mir nicht bekannt vor, also war diese Person nicht in meiner Klasse und hatte vermutlich noch nie auch nur ein Wort mit mir gewechselt.

Auf den Gängen war es etwas besser. Ich behielt die Kapuze auf, sodass mich keiner erkannte, bis ich im Klassenraum angekommen war.

Dort konnte ich mich nicht mehr verstecken. Jeder wusste, wer ich war, spätestens, als ich mich auf meinen üblichen Platz setzte. Aber zum Glück war Ella, meine Stiznachbarin und beste Freundin, bereits da.

Statt mit Worten begrüßte sie mich mit einer Umarmung und flüsterte: „Alles okay bei dir?"

Ich schüttelte leicht den Kopf und wisperte zurück: „Ich will nicht darüber reden".

Sie gehorchte mir sofort, löste sich einige Sekunden später wieder von mir und setzte sich auf ihren Stuhl, während ich meine Kapuze absetzte.

„Ich habe die Arbeitsblätter gestern und vorgestern für dich mitgenommen. Die Notizen kannst du einfach von mir abschreiben", erklärte Ella, während sie in ihrer Tasche kramte und einige Zettel herauszog, die teilweise ein wenig zerknickt waren. Ich grinste nur, denn ich wusste von ihrer nicht so ganz vorhandenen Ordnung und konnte ihr einfach nicht böse sein.

„Tiara, ist deine Schwester echt weg?", fragte plötzlich Marlene, ein Mädchen weiter vorne, die sich zu mir umgedreht hatte.

Lasse, ein Junge, mit dem ich mich noch nie zuvor unter vier Augen unterhalten hatte, warf ein: „Stimmt es, dass ihr eine Geldforderung habt? Wisst ihr schon, wer sie entführt hat?"

Auf einmal waren alle Blicke auf mich gerichtet und am liebsten hätte ich meine Kapuze wieder aufgesetzt, doch das war mir ein wenig zu unangenehm, hatte ich sie doch gerade erst abgenommen.

Ich wollte einfach nur, dass Felicia wieder auftauchte. Bis dahin wollte ich mit meinen Ermittlungen fortfahren, aber ansonsten nicht unnötig darüber nachdenken und schon ganz sicher keine Interviews geben.

Zum Glück rettete Ella mich, indem sie jeden einzelnen aus unserer Klasse anfunkelte und befahl: „Kümmert euch gefälligst um euren eigenen Scheiß. Und wenn eure Leben euch zu langweilig sind, dann lest Pornos, aber lasst andere Leute damit in Ruhe".

Tatsächlich drehten sich die meisten Köpfe wieder von mir weg. Manchmal nervte es mich, wie durchsetzungsfähig Ella sein konnte, doch jetzt war ich dankbar dafür.

Einige Minuten später kam bereits unsere Englischlehrerin und keiner wagte es mehr, etwas zu sagen.

Der Schultag war nicht gerade schön. Alle starrten mich an, weshalb ich in den Pausen mit Ella im Klassenraum blieb. Sie musste noch mehrere Fragen abblocken und die Lehrer schienen offensichtlich auch nicht zu wissen, wie sie mit mir umgehen sollten. Einige behandelten mich wie einen verletzten, schwachen Welpen, während andere so taten, als sei nichts geschehen.

Ich war froh, als die Glocke endlich den Schulschluss verkündete und machte mich als eine der ersten hastig auf den Heimweg.

Ich werde meine größte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt