Ein erschreckend ereignisloser Abend

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Schule verging schneller als gedacht. Ich hatte meine Hausuafgaben wieder nicht, doch zum Glück hatten wir kein Deutsch und die anderen Lehrer gingen verständnisvoller mit meiner Situation um.

Im Unterricht passte ich kaum auf. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu meiner Schwester und der geplanten Aktion. Die Polizisten gingen meiner Meinung nach ein zu großes Risiko ein! Aber was sollten wir tun?

Gab es noch eine Möglichkeit, selbst an das Geld zu kommen? Hatte ich bei meinen Ermittlungen irgendetwas übersehen? War es mir irgendwie möglich, doch noch den Täter zu finden?

Mittags zuhause hatte ich noch immer keine Antwort. Deshalb googlete ich in meinem Zimmer das Treffen, auf dem Mama und Papa gewesen waren. Tatsächlich gab es ein paar Fotos, die verschiedene Leute auf Social Media gepostet hatten, doch die meisten Personen darauf kannte ich nicht. Außerdem würde es selbst zu lange dauern, die Personen, die ich schon einmal gesehen hatte, zu überprüfen. Ganz abgesehen von denen, die mir unbekannt waren oder denen, die gar nicht anwesend waren.

Als schließlich abends Officer Eileens mit einigen anderen Polizisten in Tarnkleidung bei uns im Flur stand, hatte ich noch immer keine Fortschritte gemacht.

Sie überreichte Papa eine dunkelrote Box und öffnete sie einmal kurz, um uns zu zeigen, dass sie voller Hundert-Euro-Scheine war: „Die bringen Sie bitte gleich zu dem Rosenbusch und gehen dann zu Ihrer Familie ins Wohnzimmer. Den Rest übernehmen wir. Falls es zu spät werden sollte, dürfen Sie natürlich auch ins Bett gehen. Verlassen Sie nur bitte das Haus nicht. Falls sich etwas tun sollte, klingeln wir. Verstanden?"

„Ja", nickte Papa. „Soll ich sie irgendwie auf eine bestimmte Art deponieren?"

„Vielleicht etwas tiefer im Busch. Dadurch brauchen die Entführer länger, sie herauszuholen".

Weil Papa keine weiteren Fragen mehr stellte, gingen die Polizisten nach draußen, um sich zu verstecken.

Wir setzten uns erst in die Küche, um sie dabei zu beobachten, bevor wir dann um kurz vor 17 Uhr aufstanden und Papa mit der Box unter dem Arm in den Flur ging.

Er hatte sich bereits die Schuhe angezogen, als er verkündete: „Ich gehe vorher noch auf die Toilette. Setzt ihr euch doch schon einmal ins Wohnzimmer".

„Ich will aber sehen, wie du sie versteckst", protestierte ich.

Mama legte mir eine Hand auf die Schulter: „Das verstehe ich. Aber es ist sicherlich unauffälliger, wenn wir nicht alle am Fenster kleben. Außerdem wird jetzt noch nichts Spannendes passieren".

Ein Blick sagte mir, dass sie so nervös war, wie ich mich fühlte. Ihre Fingernägel waren bis zur Haut abgekaut und ihre Haltung sah sehr angespannt aus.

„Na gut", grummelte ich und ging vorweg ins Wohnzimmer, während Papa mit der Box auf der Toilette verschwand.

Mama und ich setzten uns nicht. Kurz darauf hörten wir die Klospühlung und die Haustür. Fünf Minuten später kam Papa mit leeren Händen ins Wohnzimmer zurück, ließ sich auf das Sofa fallen und verkündete: „Jetzt heißt es warten".

Da hatte er Recht. Aber meine Sorgen ließen mich nicht ruhig sitzen. Während Mama mit den FIngern auf dem Tisch klopfte, lief ich hin und her, wobei ich immer wieder Blicke auf die Uhr warf. Die Zeit verstrich wie im Zeitlupentempo, ohne dass irgendwelche Nachrichten kamen.

Irgendwann stellte Papa den Fernseher an und wir aßen das Baguette mit Dip, das Eva am Nachmittag für uns gemacht hatte.

Es lief nichts Spannendes und irgendwann setzte Mama sich direkt neben Papa und er nahm sie wortlos in die Arme. Ich hörte, wie sie ein leises Gebet murmelte, obwohl sie eigendlich nicht gläubig war.

Ich betete mit.

Die Zeit verstrich immer weiter, ohne dass Nachrichten kamen. Ließ sich der Entführer wirklich so viel Zeit? Oder hatte er die Polizisten gesehen, kam doch nicht und brachte meine Schwester um? Die Gedanken schossen durch meinen Kopf und ließen sich nicht abstellen.

Keiner von uns ging ins Bett, wollten wir doch alle die Neuigkeiten nicht verpassen. Irgendwann machten wir es uns etwas bequemer, weil es tatsächlich die ganze Nacht dauern konnte.

Die Sonne ging draußen gerade auf, als ich von der Türklingel aus dem Schlaf gerissen wurde. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es kurz vor sechs am Morgen war. Ich lag auf dem einen Sofa, während Papa, Mama im Arm haltend, auf dem anderen lag. Sie hatten scheinbar auch bis gerade geschlafen.

Jetzt sprangen wir beinahe zeitgleich auf und eilten zur Tür.

Dort standen die Polizisten, grimmige Ausdrücke auf den Geisichtern.

Mir wurde eiskalt. Das konnte nichts Gutes bedeuten!

„Was ist los?", fragte Mama anstelle einer Begrüßung.

„Wir haben die Box die ganze Nacht über nicht aus den Augen gelassen", erzählte Officer Eileens niedergeschlagen. „Als wir eben nach ihr gesehen haben, war sie leer".

Ich werde meine größte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt