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Er legte sein Ohr an das kühle Holz der Zimmertür und lauschte, ob Koala noch wach war. Als er nichts hörte, drückte er vorsichtig die Klinke runter und stieß die Tür so leise wie möglich auf. Im Zimmer war es stockfinster und als Sabo seine Ohren spitzte, vernahm er die ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge von seiner Zimmernachbarin. Erleichtert, dass er einem Gespräch mit ihr entgangen war, trat er ganz in den Raum und schloss die Tür.

In wenigen Minuten hatte er sich schlaffertig gemacht und ließ sich in sein Bett fallen. Er suchte sich eine bequeme Position und versank langsam in einen tiefen Schlaf, doch etwas hielt ihn davon ab sich gänzlich der Dunkelheit hinzugeben. Ein leises Wimmern neben ihm ließ ihn aufhorchen.

Er setzte sich langsam auf und blickte in die Richtung, aus der es kam. Als seine Augen sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er ihre Silhouette ausmachen, die sich unruhig hin und her wälzte. Ein ersticktes Schluchzen regte ihn schließlich zum Handeln an. Er schlug seine Bettdecke zurück und suchte den Schalter seiner Nachtischlampe. Ein schwachgelber Lichtkegel erhellte den Raum genug, damit er zu Koalas Bett schleichen konnte, ohne auf dem Weg allesmögliche zu rammen oder umzuschmeißen. Panisch warf sie ihren Kopf hin und her und auf ihrer Stirn glitzerten die Schweißperlen. „Koala", flüsterte Sabo. Doch er bekam keine Reaktion. „Koala!", wiederholte er nun etwas lauter. Immer noch nichts. Er setzte sich auf die Bettkante und streckte zögerlich seine Hand nach ihr aus. Vorsichtig, als würde sie unter seiner Berührung zerbrechen, legte er seine Hand auf ihre Wange. „Wach auf."

Endlich öffneten sich flatternd ihre Augenlider, doch was Sabo in ihnen sah, ließ sein Herz zusammenziehen. Tränen drohten auszubrechen und die Angst war ihr deutlich anzusehen. „Sabo?" Ihre Stimme klang zittrig und erschöpft. Was auch immer sie geträumt hatte, schien mehr als ein einfacher Albtraum gewesen zu sein. Was hatte sie das letzte Mal gesagt? Eine Erinnerung? „ich bin hier", antwortete Sabo. Sie griff nach seiner Hand und drückte sie einmal fest, als würde sie prüfen ob er auch wirklich real war. „Du musst keine Angst mehr haben, ich bin bei dir." Sabo wusste nicht woher diese Worte kamen, doch sein Gefühl sagte ihm, dass sie vermutlich genau das hören wollte.

Mit einem Ruck warf Koala sich in seine Arme und schluchzte in seine Halsbeuge. Sabos Gesicht verfärbte sich sofort in ein dunkles rot, doch wegstoßen konnte, nein wollte, er nicht. Stattdessen legte er langsam seine Arme um sie und strich ihr sanft mit dem Daumen über den Rücken. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, löste Koala sich aus der Umarmung, falls man es so nennen wollte und wischte sich die letzten Tränen mit ihren Handrücken aus den Augenwinkeln. „Danke", flüsterte sie und blickte verlegen zur Seite. Sabo kratzte sich nervös am Hinterkopf. „S-schon gut. Ähm, ich bin nicht gut in sowas, aber wenn du darüber reden willst... ähm... d-du sollst einfach wissen, dass ich dir zuhören würde. Egal, worum es geht." Sein Gesicht brannte förmlich. Diese Worte laut auszusprechen hatten ihn so viel Überwindung gekostet. Denn sie laut auszusprechen war etwas ganz anderes, als sie in seinem Kopf aufzusagen.

Koala hob überrascht ihre Augenbrauen an, auch ihr Gesicht glich der Farbe einer Tomate und nach einem kurzem Moment, in dem keiner etwas sagte, brach sie in Gekicher aus. „W-was denn? Hab ich etwas Komisches gesagt?" Beleidigt verschränkte Sabo die Arme vor seiner Brust. Das Ganze war schon peinlich genug und jetzt lachte sie ihn auch noch aus. „Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Ich dachte nur, dass ich sehr froh bin, dass du hier bist." Sie schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, dass Sabos Herz schneller schlagen ließ. Er räusperte sich und erhob sich von der Bettkante.

„Naja, wenn alles wieder gut ist, dann können wir ja wieder schlafen gehen." Er war schon einige Schritte gegangen, als ihn ein Ziehen an seinem Shirt zurückhielt. „K-kannst du... ähm... kannst du vielleicht heute neben mir schlafen?" Koalas Blick war gesenkt, doch Sabo hörte aus ihrer Stimme, dass sie noch immer ein wenig aufgewühlt wegen ihres Traumes zu sein schien. Kurz überlegte er, sich aus ihrem Griff zu befreien und sich mit einem „Sei nicht so ein Kleinkind", einfach in sein Bett zu legen, so wie er es früher getan hätte. Stattdessen löste er sich aus ihrem Griff und ging zu seiner Seite des Zimmers, wobei er Koalas enttäuschten Blick ignorierte. Er nahm sein Kissen und seine Decke und schaltete dann die Lampe aus. Als das Zimmer wieder in der Dunkelheit versank, konnte Koala hören, dass Sabo wieder den Weg zu ihr suchte. „Na rutsch schon rüber", sagte er und breit lächelnd machte Koala ihm Platz. Das Bett war zwar nicht besonders groß, aber für die beiden reichte es aus.

Sie suchten sich eine bequeme Position und dann herrschte wieder Stille. Sabo lag mit dem Rücken zu Koala, während sie zu ihm gewandt war. Obwohl es schon sehr spät war, fühlte sich keiner der beiden in der Lage zu schlafen. Diese gesamte Situation war so surreal. Noch wenige Wochen zuvor hielten sie es kaum in der Nähe des anderen aus und nun teilten sie sich ein Bett. „Danke Sabo... ich weiß, dass das sehr viel verlangt ist...", flüsterte Koala.
„Schon gut, schlaf jetzt einfach."

Für Sabo war das alles schon peinlich genug, er wollte nicht auch noch darüber reden. Er seufzte innerlich. Vielleicht hätte er einfach bei dem gemein sein bleiben sollen, dann müsste er sich jetzt nicht mit diesen seltsamen Gefühlen auseinandersetzen. Denn ihn störte diese Lage ganz und gar nicht. Er mochte es, ihr so nahe zu sein und sie schien von seiner Anwesenheit auch nicht abgeneigt zu sein.

Ein Rascheln hinter ihm, zeigte ihm, dass Koala sich wieder bewegte. Was Sabo allerdings nicht erwartet hatte, war, dass sie sich an seinen Rücken kuschelte. „Ich meins ernst, danke."

„Jaja, aber das wird nicht zur Gewohnheit klar?" Als Antwort bekam Sabo bloß ein müdes Kichern.

Kurz darauf vernahm er ihre regelmäßigen Atemzüge und spürte selbst die Müdigkeit an seinem Bewusstsein nagen. Mit einem letzten Blick über die Schulter, gab Sabo sich schließlich dem Schlaf hin.

Zwar hatte Sabo gesagt, es würde nicht zur Gewohnheit werden und doch fand er sich seitdem Tag jede Nacht mit Koala ein Bett teilend wieder. Wenn er neben ihr lag, hatte sie keine Albträume mehr und konnte endlich wieder ruhig schlafen. Mittlerweise gehörte es für beide zu ihrem Alltag dazu. Morgens stand Koala als erste auf und machte sich im Badezimmer fertig, dann würde sie sich daran machen Sabo zu wecken. Zumindest versuchte sie es. Wenn der Blonde einmal schlief, dann schlief er wirklich. Manchmal hatte sie keinen Erfolg und Terry musste sich um Sabo kümmern. Als Wecker diente ihm seine Faust, die er einmal quer über Sabos Kopf zog. Meistens allerdings schaffte es Koala ihn mit einem kräftigen Rütteln aus seinen Träumen zu ziehen, auch wenn er bis zum Frühstück noch im Halbschlaf verweilte. Anders als früher teilten sie sich nun einen Tisch im Essbereich, trainierten gemeinsam und erledigten zusammen ihre täglichen Pflichten, wie den Abwasch- oder den Schruppdienst.

Natürlich blieb diese plötzliche Änderung nicht unbemerkt. Die meisten taten es allerdings als ein typisches Merkmal von Kindern ab. Das, was sie einige Stunden zuvor überhaupt nicht leiden konnten, liebten sie von der einen Sekunde auf die andere mehr als alles andere. Leute wie Terry hatten andere Vermutungen woher der Sinneswandel kam, doch sie behielten es für sich und genossen die neue Verbundenheit der beiden. Nur Dragon und Ivankow, der engste Verbündete des Anführers und Kommandant der Grandline Armee, der von Dragon über alles aufgeklärt wurde, beobachteten das Spektakel wissend und mit einem innerlichen Grinsen. Er kam nicht umhin stolz auf Sabo zu sein.

Schließlich war es keine leichte Aufgabe gewesen, jeden vergangenen Disput hinter sich zu lassen und ganz von vorne anzufangen. Dragon wusste, aus dem Blonden würde noch etwas Großes werden.

Sabo und Koala (One Piece)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt