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Da seine Beziehung zu Noah noch so frisch war, erzählte Colin seinen Eltern erstmal nichts davon. Sie gingen also davon aus, dass er mit seinem neuen besten Freund ein paar Tage in ihrem Haus chillen wollte, und sagten ohne Bedenken oder weitere Nachfragen zu. Colin wusste nicht, ob sie genauso locker reagiert hätten, wenn sie gewusst hätten, dass er mit Noah zusammen war, deshalb war er ganz froh, dass er noch nichts von ihnen erzählt hatte. Das schlechte Gewissen, seine Eltern angelogen zu haben, wurde von der Vorfreude auf die gemeinsamen Ferien überschattet.

Die Tage bis dahin konnten nicht schnell genug vergehen. Colin und Noah suchten sich die beste Zugverbindung raus, kauften sich Tickets und packten ihre Taschen.

Am Tag vor ihrer Abreise wurden sie in Frau Schillers Büro bestellt.

„Denkst du, sie wird einen von uns ausquartieren?", fragte Colin besorgt, als sie vor der Tür der Internatsleitung standen.

„Das lässt sie mal besser bleiben.", meinte Noah nur trocken und Colin grinste.

Nach einem kurzen Klopfen wurden sie hereingebeten und nahmen auf zwei Stühlen vor dem Schreibtisch Platz. Frau Schiller kam direkt zur Sache.

„Jungs, ich hab' gehört, dass ihr beide jetzt ein Paar seid. Das freut mich natürlich für euch, aber ihr könnt euch denken, dass wir jetzt über eure Wohnsituation sprechen müssen."

„Bitte trennen Sie uns nicht!", platzte es aus Colin heraus. Die Leiterin stockte und sah ihn mitfühlend an.

„Colin, ich verstehe, dass ihr jetzt gerade denkt, dass es nichts Besseres geben kann. Aber ihr seid gerade frisch zusammen und seht alles rosarot. Was ist, wenn es euch irgendwann zu viel wird, ständig aufeinander zu hocken? Viele Paare ziehen erst nach Jahren zusammen, wenn sie sich wirklich gut kennen, und das ist dann trotzdem eine sehr große Veränderung, an der manche Beziehungen auch schon zu Bruch gegangen sind. Und natürlich wünsche ich es euch nicht, aber was ist, wenn ihr euch trennt und dann weiterhin ein Zimmer teilen müsst?"

„Können wir es nicht probieren? Bitte? Falls es wirklich dazu kommen sollte, kann einer von uns doch immer noch ausziehen.", bat Colin. Noah setzte seinen Dackelblick auf.

Frau Schiller sah von einem zum anderen und seufzte geschlagen.

„Na gut, meinetwegen. Das ist ein ziemlich großer Vertrauensvorschuss von meiner Seite an euch. Ich hoffe, ich muss keinen Vortrag über safer sex und Geschlechtskrankheiten halten."

„Nein, bitte nicht!", meinte Noah entsetzt und auch Colin schüttelte heftig den Kopf.

„Also gut. Wenn ich von Joel höre, dass es nicht funktioniert oder ihr über die Stränge schlagt, setzen wir uns nochmal zusammen. So, und jetzt schöne Ferien euch!"

„Danke, Frau Schiller! Sie sind die Beste!"

„Ja, vielen Dank!"

Freudestrahlend verließen die beiden Jungs das Büro und hinterließen eine schmunzelnde Leiterin.

Am nächsten Morgen brachen Colin und Noah früh auf, um den Bus zum Bahnhof zu nehmen. Sie hatten genügend Puffer eingebaut, dass sie dort angekommen noch entspannt auf einer Bank frühstücken konnten.

„Ich hol mir noch was zu trinken.", sagte Colin und deutete auf eins der wenigen Cafés, die Getränke und Sandwiches anboten. „Willst du auch etwas?"

„Nein, danke.", sagte Noah abgelenkt und sah mit gerunzelter Stirn auf sein Handy. „Meine Mum hat versucht mich anzurufen. Ich ruf lieber mal zurück."

„Oh. Soll ich dableiben?"

„Ne, alles gut, danke.", lächelte Noah und drückte kurz Colins Hand.

„Okay. Bis gleich." Mit diesen Worten stand Colin auf und ging zum Café, wo gerade eine Frau ihre Bestellung runterratterte und nach wenigen Minuten erhielt. Es arbeitete nur ein junger Barista, der vielleicht ein oder zwei Jahre älter war als Colin und recht gut aussah. Als Colin vortrat, checkte der Junge ihn offensichtlich aus und lehnte sich dann grinsend auf der Theke vor.

„Hi, ich bin Chris. Was kann ich dir bringen, Hübscher?"

Etwas überrumpelt sagte Colin: „Einen großen Chai Latte, bitte."

„Alles klar. Auf welchen Namen geht das?", fragte der Barista unschuldig lächelnd. Colin war sich ziemlich sicher, dass die Frau vor ihm nicht ihren Namen gesagt hatte und das in diesem Laden sonst auch nicht üblich war. Weil er aber nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass es nicht doch Vorschrift war, sagte er ihn, wenn auch etwas zögerlich.

„Colin und Chris. Die zwei Cs.", lachte der Barista. Colin lächelte gezwungen. Was wollte der Affe von ihm?

„Das macht dann 3,60€. Oder kann ich sonst noch was für dich tun?", fragte Chris mit einem Augenzwinkern.

„Nein!", sagte Colin schnell. Weil seine Eltern ihn zu einem höflichen Menschen erzogen hatten, fügte er noch ein „Danke. Passt so.", hinzu, als er vier Euro auf den Tresen legte.

„Danke, Süßer."

Colin schloss die Augen und betete, dass sein Getränk schnell fertig war.

Er bekam es kurz darauf mit einem letzten anzüglichen Lächeln in die Hand gedrückt. Colin bedankte sich und floh dann schnell zum Tisch gegenüber vom Tresen, wo Zucker, Löffel und Servietten auslagen. Dort bemerkte er, dass nicht sein eigener Name, sondern Chris, ein Herz und eine Handynummer auf der Hitzeschutz Manschette geschrieben stand.

Colin widerstand dem Drang, sich an die Stirn zu schlagen. Es war zwar ein nettes Kompliment, aber Colin hatte doch wirklich gar kein Zeichen des Interesses gegeben! Unauffällig schmiss Colin die Manschette in den Müll und nahm sich eine neue, bevor er schnellen Schrittes das Café verließ. Er traf nur ein paar Schritte vor dem Café auf Noah, der offenbar dem Barista Todesblicke zuwarf.

„Hey! Alles gut? Was wollte deine Mum?", fragte Colin besorgt.

„Hm? Oh, alles gut. Ihr ist eingefallen, dass Ferien sind und wollte wissen, ob ich irgendwo bleiben kann.", meinte Noah augenverdrehend. Noch bevor Colin etwas erwidern konnte, erkundigte Noah sich beiläufig: „Wolltest du seine Nummer nicht?"

Überrascht sah Colin ihn an.

„Das hast du mitbekommen?"

„Jap."

„Nein, ich wollte sie natürlich nicht."

„Er sieht echt gut aus. Ist wahrscheinlich ein bisschen älter als wir."

Colin sah Noah verständnislos an, doch dieser wich seinem Blick aus. Da machte es Klick bei Colin.

„Sag mal, bist du eifersüchtig?"

„Nein!", sagte Noah definitiv zu schnell. Colin fing das Lächeln an.

„Gut. Dazu hast du auch wirklich keinen Grund."

„Du könntest jeden haben.", murmelte Noah und sah ihn unsicher mit seinen großen blauen Augen an.

Du könntest jeden haben. Aber ich hab' doch schon den Jackpot, wieso sollte ich da irgendjemand anderen wollen?", sagte Colin und nahm Noahs Hand in seine. Endlich lächelte Noah wieder und Colin küsste ihn.

„Komm, gehen wir zum Gleis."

Noah blickte noch einmal zurück und grinste, als er sah, wie Chris alles frustriert beobachtet hatte.

Nolin | UnconditionallyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt