Vorwort der Charaktere

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Der König der Piraten stand an Deck seines Schiffes und ließ seinen Blick in einer gefährlichen Mischung aus Anerkennung und Berechnung über das glitzernde Blau des Ozeans schweifen. Dann, wie auf einen stummen Befehl hin, drehte er sich um und wandte sich dem Publikum zu.

"Ah..." Ein genüsslicher Tonfall. Seine Stimme ein tiefer Bariton. "Nassau ... Das Reich der Piraten. Und endlich müssen unsere jungen Turteltäubchen ihre Liebe und ihre Leidenschaft zueinander nicht länger verstecken." Ein Lächeln, das seine Mundwinkel nach oben hob, verbreiterte sich zu einem Grinsen, das seine gelblichen Zähne entblößte. Ein leichtes Lachen ließ den langen, schwarzen Bart vibrieren, der ihm bis auf seine Brust reichte. War es Schalk, der da in seinen blauen Augen aufblitzte? Oder etwas anderes? Etwas Gefährlicheres?

Gönnerhaft breitete er die Arme aus, um das gesamte Publikum in seine Anrede einzuschließen.
"Ich hätte Sie alle gerne hinunter in meine Kajüte geladen, in mein Gemach, in dem ich auch alle anderen Gäste meines Königreiches empfange", sprach er. "Doch die geneigten Autorinnen waren der Auffassung, dass eine Bekanntmachung der Leserschaft mit meinen liebenswerten Haustieren mitnichten in ein Vorwort gehört. Daher erhalten Sie alle die einmalige Ehre, sich an Deck meiner Revenge einzufinden, ehe wir mit der Erzählung beginnen." Er sah sich um, sah einem jeden einzelnen der Anwesenden fest ins Gesicht. Sobald jemand die Augen niederschlug, entfuhr ihm ein erheitertes Kichern, ehe er fortfuhr. "Sie kennen das Konzept bereits aus dem ersten Teil der Geschichte. Diese Erzählung floss aus der Feder von zwei Autorinnen gleichermaßen." Er machte eine Pause.

"Ich bin angehalten worden, Sie alle darüber in Kenntnis zu setzen, dass sich Realität und Fiktion in dieser Geschichte vermischen. Echte, historische Persönlichkeiten treffen auf erfundene Personen in einem Szenario, das alles andere als belegt ist. Weil wir uns im frühen neunzehnten Jahrhundert befinden, müssen Sie mit all den Unannehmlichkeiten rechnen, die dieses Jahrhundert zu bieten hat. Allem voran harter Sprache, sexuellen Handlungen, seien sie freiwilliger oder unfreiwilliger Natur, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Gewalt, Mord, Verrat, Tod, einer gewaltigen Menge Blut ..." Er kicherte kurz und sah zu Boden, geradewegs durch die Planken des Decks. "... Alkohol- und Drogenmissbrauch und einigem mehr." Ein amüsiertes Lachen erklang aus einer Ecke des Publikums. Der Fokus des Königs zuckte herum. Er trat ein paar Schritte in die Richtung desjenigen, der seiner Erheiterung Ausdruck verliehen hatte. Ohne eine weitere Vorwarnung zog er seine Pistole aus seinem Gürtel, entsicherte sie und zielte.

"Es ist kein bekackter Scherz! Lasst die Finger von den Giften und Rauschmitteln!" Sein respektvoller Ton war verflogen. "Wenn ihr euch mit dem Teufel einlasst, verändert sich nicht der Teufel. Der Teufel verändert euch. Also: Lasst es!"

Er verharrte in seiner Position, nachdem das alberne Gelächter aus dem Publikum längst verflogen war. Gespannte Stille breitete sich an Deck aus.
"Dich behalte ich ganz genau im Auge!", zischte er ungehalten. "Meine Haustiere mögen stillose Leser wie dich."

Ein Schmunzeln.
"Ihr alle! Ihr alle seid dazu angehalten, auf Fehler aufmerksam zu machen, mehr noch, sollte euch eine Stelle gefallen. Bösewichte verdienen ein langgezogenes Buh, sobald sie auf der Bildfläche erscheinen, während den Heldinnen und Helden euer tosender Applaus gebührt." Er sah sich kurz um. "Und über die Frage, wer hier gut und böse ist, diskutieren wir nicht länger. Das haben die Autorinnen wohl bereits zur Genüge für uns alle übernommen." Er reckte seine Waffe in die Luft und drückte ab. Der Knall durchschnitt den blauen Himmel wie ein Vorhang, der fiel.

"Wir heißen euch willkommen in unserer Fortsetzung. Sie trägt den Titel: Ink & Poison."

Ink & PoisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt