Nassau. Das Reich der Piraten. Klares Gewässer, Sonne, Gleichgesinnte und endlich kein Bedarf mehr, ihre Liebe zueinander geheim zu halten.
Alles scheint perfekt, die gemeinsame Zukunft gesichert und nichts dem Abenteuer des Lebens mehr im Wege.
Do...
„Allein besitzen zu wollen, ist äußerster Wahnsinn." ~ Marcus Tullius Cicero
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Tief atmete sie den salzigen Geruch des Meeres ein, während sie an der Reling stand und den sanften Wellengang beobachtete. Noch gestern hatten sie den Hafen Nassaus verlassen und waren aufgebrochen, um sich nach den Höhlen umzusehen, die sich als Treffpunkt für die Spione nutzen ließen.
Die meisten, die ihnen bisher auf ihrer Suche aufgefallen waren, hatten sich als wenig vielversprechend erwiesen. Mal waren sie zu weit oben in den Klippen gelegen, mal zu schmal, sodass kein Mann sich durch die Öffnung zwängen konnte, oder sie besaßen keinen Zugang über den Strand, sondern grenzten direkt ans Wasser. Aber sie würden die Richtige finden. Anne war davon überzeugt. Ihnen blieben noch zwei Tage und ihre Crew war mit Spähern gesegnet, die bessere Augen als ein Adler besaßen. Solche wie Jaspal zum Beispiel. Damals, als sie ihn und Desna in Bombay auf das Schiff geschmuggelt hatte, hatte er Jack, ihr und allen anderen versichert, dass es keinen lebenden Menschen gab, der diesen Posten besser besetzen konnte als er. Und er hatte damit nicht gelogen. So manches Mal hatte er sein Können bereits unter Beweis gestellt, Schiffe dann erkannt, wenn sie noch etliche Seemeilen weit von der Searose entfernt über die Wellen gedümpelt waren.
Schritte, die sich ihr in beachtlichem Tempo näherten, ließen sie ihre Hände vom Schanzkleid nehmen und sich umdrehen. Mit einem freudigen Lächeln erwartete sie Jack entgegenzusehen, doch es war Samuel, der da auf sie zukam.
Etwas an der Art, wie er sie musterte, kam ihr sogleich seltsam vor. Er hielt nicht an, kam näher und näher. So nah, dass sie zurückweichen musste, bis sich das Holz der Reling gegen ihre Hüften drückte.
„Ich halte es nicht länger aus. Ich werde wahnsinnig. Wahnsinnig, wahnsinnig, wahnsinnig", murmelte er. Anne hatte den Eindruck, dass diese Worte ihm selbst und nicht ihr galten.
War er wieder aus dem Schlaf hochgeschreckt? Schreiend, weil er sich einbildete Schmerzen in den fehlenden Gliedmaßen zu spüren? Mary hatte ihr erzählt, dass er dann häufig Anzeichen von Verwirrung zeigte.
Aber als sie ihm in die hellblauen Augen sah, da erkannte sie einen trüben Schleier, der sich über sie gelegt hatte. Das Opium? Aber hatte Read nicht erwähnt, es würde langsam an Wirkung verlieren, weil er eine Resistenz aufbaute?
„Sam", sagte sie in leisem, ruhigen Ton seinen Namen und legte ihm die Hände an die Schultern. „Besser, du legst dich wieder hin. Du scheinst nicht ganz bei Sinnen zu sein."
Einen Moment lang sah er sie so ernst an, fast schon finster, dass ihr mulmig zumute wurde. Aber dann fing er an zu kichern. Das Kichern schwoll zu einem unüberhörbaren Lachanfall an, der erst nach einer guten halben Minute wieder abebbte. „Nein. Nein, Anne. Ich war noch niemals so klar im Kopf. Noch nie habe ich so deutlich vor mir gesehen, was ich will und ... da ist so eine Stimme in mir, die mir sagt, dass es Zeit wird, dass ich es mir nehme."