Nassau. Das Reich der Piraten. Klares Gewässer, Sonne, Gleichgesinnte und endlich kein Bedarf mehr, ihre Liebe zueinander geheim zu halten.
Alles scheint perfekt, die gemeinsame Zukunft gesichert und nichts dem Abenteuer des Lebens mehr im Wege.
Do...
„Rache bleibt nicht lange ungerächt." ~ Deutsches Sprichwort
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Trotz des limonenfarbenen Tuchs, das sie sich um den Kopf gelegt hatte, um der prallen Sonne nicht völlig schutzlos ausgeliefert zu sein, lief ihr der Schweiß schon zehn Minuten nachdem sie gemeinsam mit Mary Read das Deck der Searose verlassen hatte in Bächen den Nacken und den Rücken hinab. Prüfend musterte sie die rothaarige Schönheit neben sich. Diese schien allerdings keinerlei Probleme mit der brütenden Hitze auf dieser gottverdammten Insel zu haben. Zumindest ließ sie es sich nicht anmerken. Ein Lächeln, das von ihrer Vorfreude zeugte, hatte sich auf ihren Lippen geformt. "Danke, dass du mich begleitest."
"Keine Ursache", erwiderte Anne knapp. Dabei war ihr im Grunde gar keine Wahl geblieben. Jack hatte sie dazu verdonnert, der Schiffsärztin bei ihrem Gang auf den Markt Gesellschaft zu leisten. Zwar hatte er ihr versichert, dass es keine Strafe für das darstellen sollte, was sie in der vergangenen Nacht verbrochen hatte, aber es fühlte sich nach einer an. Sie hatte wenig, wenn nicht gar keine Lust, durch die völlig überfüllten Gassen zu schlendern und Mary dabei zuzusehen, wie sie einen Stand nach dem anderen auf der Suche nach etwas durchkämmte, das sie für ihre medizinischen Zwecke als nützlich empfand. Nein, Anne konnte sich hunderte Beschäftigungen vorstellen, die sinnvoller gewesen wären. Zum Beispiel Samuel dabei zu helfen, die Vorräte zu kontrollieren, mit Oliver Flips ein Paar der kaputten Segel zu flicken oder sich von Desna bezüglich indischer Gewürze berieseln zu lassen.
Schweigend schoben sie sich durch den Andrang an verschwitzten Männern und Frauen hindurch und irgendwann wurden die Wege aufgrund der hohen Besucherzahl so eng, dass Anne sich freiwillig ein Stück zurückfallen ließ. Natürlich behielt sie dabei zu jeder Sekunde das wellenschlagende Haar von Mary im Auge, was sich leichter gestaltete, als Maden im Mehl aufzuspüren. Marys rote Mähne glich einem Signalfeuer, das nur schwer zu übersehen war.
An irgendeinem der unzähligen Stände hielten sie schließlich kurze Rast. Der Geruch von frisch geangeltem Fisch mischte sich mit dem tausender anderer. Unterschwellig stach allerdings stets der der salzigen Meeresbrise hervor, als würde er sie wieder zurück zum Schiff lotsen wollen. Anne seufzte. Niemals hätte sie es zu Beginn dieses Abenteuers für möglich gehalten, dass ihr der offene Ozean einmal lieber sein würde, als den festen Boden unter den Füßen zu spüren. Aber jetzt, inmitten dieses Ansturms von Käufern und Händlern, sehnte sie sich danach Nassau wieder gegen das endlose Blau einzutauschen. Ob Jack dem zugestimmt hätte, hätte sie an diesem Morgen ihre Gedanken und Wünsche mit ihm geteilt? Vermutlich.
Aber die anderen Männer ... Sie hatte das freudige Funkeln nicht nur in den Augen von Winston, sondern auch in denen von Jaspal, Piet, Jonah und Ben gesehen. Eigentlich in allen, außer in Blackwoods. Aber nach dem, was er ihr über ihre Mutter erzählt hatte, konnte sie den Schwermut nur zu gut verstehen, der von ihm Besitz ergriff, sobald er einen Fuß an den Strand oder auf das Holz des Piers setzte.