Der Unterschied zwischen Sehen und Blindsein

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16. März 1822
Nassau

„Sehen ist Wissen, Wissen ist Sehen.
Das eine bedingt das andere!"
~ Gudrun Zydek

Das feurige Rot der untergehenden Sonne tauchte das Meer und die Insel in ein glühendes Licht, brach sich im Silber seiner Ohrringe und verlieh den Schmuckstücken einen überaus wertvollen Glanz, während Jack den letzten Streich mit seinem Rasierme...

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Das feurige Rot der untergehenden Sonne tauchte das Meer und die Insel in ein glühendes Licht, brach sich im Silber seiner Ohrringe und verlieh den Schmuckstücken einen überaus wertvollen Glanz, während Jack den letzten Streich mit seinem Rasiermesser an seiner Wange vollendete. Er wusch sich die restliche Seife vom Hals und aus dem Gesicht und bürstete sein Haar danach so lange mit einem Kamm aus Ebenholz, bis es glänzte, ehe er es mit einem ledernen Band zu einem hoch sitzenden Zopf zusammenfasste. Einige zu kurze Strähnen an seinem Hinterkopf lösten sich umgehend aus der unfreiwilligen Fesselung und Jack bedachte sein Spiegelbild mit einem frustrierten Geräusch. Dann gab er es auf. Zuletzt griff er nach der Kette aus schwarzen Perlen, legte sie sich um den Hals und zog sich anschließend das Hemd aus schwarzer, indischer Calicobaumwolle über den Kopf, das er aus den Resten des Flaggenstoffs hatte herstellen lassen.

Sein Blick huschte hinüber zu Anne, die neben ihm stand und versuchte, ihren unbändigen Locken ihren Willen aufzuzwingen, doch es wollte ihr nicht so recht gelingen. Mit einem verdorbenen Lächeln auf den Lippen trat er hinter sie. "Lass sie offen, Liebes."

Unschlüssig ließ sie ihre Hände sinken, als er ihr die Strähnen aus den Fingern nahm und sie zur Seite strich, sodass ihr Hals und ihre Schulter frei lagen. Er senkte seine Lippen auf ihre Haut hinab, sog tief ihren Geruch nach Wind, Gischt und dem nicht zu bändigenden Toben eines freiheitsliebenden Sturms in sich auf, was ihr ein tiefes, kehliges Stöhnen entlockte. Sein Blick richtete sich auf ihr gemeinsames Spiegelbild, während er ihre Taille umfasste und sie enger an sich zog. Die Wärme ihres Körpers legte sich auf seine Sinne und er beobachtete, wie sie sich in seine Berührung schmiegte, durstig, als hätten sie sich nicht den ganzen Nachmittag lang geliebt.

Er räusperte sich. Unwillig ließ er von ihr ab, griff in eine der Schmuckschatullen und beförderte eine herrschaftlich aussehende Kette mit einem in Gold eingefassten Saphir daran zutage, welche er ihr um den Hals legte.
Zweifeld betrachtete sie ihr Spiegelbild.

"Vielleicht zu viel für eine einfache Navigatorin, aber gerade so angemessen für die Königin der See", sprach er leise.

Auch wenn sie schmunzelte, fasste sie nach dem Kleinod und nahm es ab, um es ihm zurückzugeben. „Dieser Prunk, das war ich früher einmal. Damals in London, als Tochter eines angesehenen Richters. Da hüllte ich mich in edle Stoffe, lange Kleider und wertvollen Schmuck." Sie seufzte, ehe sie sich Jack zuwandte. „Meine Kette wäre mir um Welten lieber. Hast du sie Jonah bereits gegeben, damit er sie sich ansehen kann?"

Er schüttelte den Kopf. "Es ging ihm nicht gut gestern. Die Vorhersehungen verändern sich." Ein besorgtes Seufzen schlich sich über seine Lippen. "Früher hat er seine Gabe immerzu abgestritten. Es gelang ihm, es zu verbergen, aber gestern ..." Er atmete tief ein und aus. "Er konnte kaum noch laufen. So schlimm war es bisher nie. Ich will ihn zu nichts zwingen. Warten wir ab, wie es ihm heute geht."

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