Von Durst und Verrat

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20. März 1822 - Ort unbekannt

"Your word and your bond are two very different islands with a vast ocean in between." by Norbert Fagin - The artful dodger

Jack versuchte sich den Weg und die Abzweigungen zu merken, durch die sie gingen

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Jack versuchte sich den Weg und die Abzweigungen zu merken, durch die sie gingen. Allerdings versagte ihm sein Verstand den Dienst, als sie die dritte Treppe empor stiegen, ehe sie sich an Deck des Zweimasters wiederfanden. Natürlich befanden sich die Zellen ganz unten im Schiffsbauch. Vielleicht hatten sie einen unnötig komplizierten Weg genommen, um ihn zu verwirren. Er vermochte es nicht einzuschätzen.

Ein warmer, feuchter Wind wehte ihm das Haar aus dem Gesicht und schaffte es, seine Lebensgeister für einen kurzen Moment neu zu entfachen, während sie ihn über die Planken des Decks in Richtung der Kapitänskajüte zerrten. Jack versuchte seine Umgebung zu fokussieren, doch das endlose Blaugrau des Ozeans im schummrigen Licht der Abenddämmerung jagte ihm Furcht durch die Adern. Wohin zum Henker segelten sie? Zurück nach England? Zu einem hoffnungslosen Prozess und der einsamen Schlinge eines Galgens, die auf ihn wartete?

Er versuchte das Licht irgendwelcher hellleuchtenden Sterne auszumachen, um sich orientieren zu können, doch jene waren von einem dunstigen Schleier verhüllt.
Sie passierten einige unbeteiligte Posten, die sich hier an ein paar Tauen zu schaffen machten oder an anderer Stelle damit beschäftigt waren, das Deck zu schrubben, doch keiner der Matrosen sah von seiner Arbeit auf. Als wären sie es gewohnt, dass Gefangene in Ketten zu ihrem Käpt'n geschleppt wurden. Oder als ob sie sich nicht trauen würden, aufzubegehren oder Fragen zu stellen.

Jack zwang sich, seine Lungen mit der salzigen Luft des Meeres zu füllen, ehe sich die Tür zur Kapitänskajüte öffnete und sich das warme Licht von Öllampen auf die Planken vor seinen Füßen ergoss.
Auch wenn der gediegene Schein der Lampen gedimmt und abgeschirmt war, blendete ihn der plötzliche Helligkeitsunterschied und er kniff angestrengt die Augen zusammen.

"Mr. Jones, es ist viel zu spät. Ich sagte, ich wollte nicht vor morgen früh weiter...", klang eine affektierte Stimme an sein Ohr, die jedoch von dem barschen Ton des Einauges unterbrochen wurde.

Jack rang sich dazu durch, den Kopf zu heben und aufzusehen. Sein Blick fiel auf einen edel aussehenden Brokatrock in einem senfgelben Ton, unter dem die vornehmen Rüschen eines mit Spitze besetzten Hemdes hervorblitzten. Eine Erinnerung an Charles Vane durchströmte seinen Verstand und wurde von den weißen Strümpfen und fein polierten Lackschuhen weiter befeuert. Wäre da nicht das Blut auf der Kleidung des Käpt'n gewesen, der mit einem konsternierten Ausdruck auf ihn herab sah, als würde sein Anblick Ekel bei ihm auslösen. In einem verwirrend klaren Augenblick traute er dem Mann zu, ein berüschtes Taschentuch unter die gepuderte Nase zu halten. Seine goldblonden Locken waren mithilfe einer fettigen Pomade zurück gekämmt und entblößten tiefe Geheimratsecken. Die wässrig, blauen Augen huschten unruhig zum Einauge und wieder zu ihm zurück.

Ink & PoisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt