Schwere Beichte ...

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Balu begrüßte uns skeptisch, als sie nicht nur mich entdeckte, sondern auch den fremden Mann.
Ich rief zuerst bei Rosalinde an, um sie zu informieren, mich nicht in ein paar Tagen wie geplant vom Bahnhof abholen zu müssen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Wie sei ich denn nach Haus gekommen? Ich wollte es ihr später erklären. Damit gab sie sich zunächst zufrieden.
Ich rief meine Eltern an, dass ich wieder da war. Mutti bemerkte, das etwas nicht stimmte. Ich sollte zu ihnen hinüberkommen. Es war nicht ganz einfach sie auf morgen zu vertrösten. Versehentlich verplapperte ich mich, wir seien gerade erst angekommen und es wäre schon spät. Sie schnappte nach Luft, verstand es natürlich gleich. Wir wurden zum Mittagessen eingeladen. Würde sie Vater vorwarnen?
„Was ist das denn.“, rief Thomas aus der Bibliothek. Er hatte seine Bücher in meinem Schrank entdeckt. „Alles was ich dir erzählt habe, du wusstest es schon?“ „Nicht alles. Es war spannend diese Erfahrungen von dir zu hören. Ich höre dir gern zu.“ „Also hast du auch bemerkt …“ „… dass du ein paar Details gelegentlich verändert, weggelassen oder ausgeschmückt hast? Ja.“ Er blickte mich ungläubig an, schüttelte den Kopf.
Er bestaunte meine vielen Bücher. Weniger den romantischen Quatsch, aber die ernstzunehmenden Bücher schon. Auch die vergrößert gedruckten schwarz-weiß Fotografien, die im Haus verteilt waren, gefielen ihm. Er stromerte überall herum. Ich kochte ein schnelles Abendessen.
„In dem Haus steckt viel von dir drin.“, stellte er fest. „Oh ja, die alten Türen habe ich allesamt abgeschliffen und gestrichen. Die Vertäfelung im Wohnzimmer ist leider nicht original, ich habe sie angebracht. Die Fensterläden und Blumenkästen habe ich mit meinem Vater gebaut. Die Sessel habe ich selbst gepolstert und die Vorhänge genäht. Den Schreibtisch in der Bibliothek vererbte mir mein Opa. Im Garten steckt viel Blut und Schweiß, doch vor allem Blut von dornenzerkratzten Händen.“ Ich war stolz auf meine Rosenbeete. „Willst du das Haus tatsächlich verkaufen?“ „Wer soll sich denn darum kümmern, wenn du mich wieder mitnimmst? … Vielleicht kauft es meine Freundin Rosalinde. Dann wäre es in guten Händen.“
Nach dem Essen schrieb ich meine Kündigung, was mir außerordentlich schwerfiel. Auf der Arbeit hatte ich mich bis kürzlich sehr wohl gefühlt. Als ich begonnen hatte Kartons herauszusuchen und die ersten wichtigen Dinge einzupacken, klingelte es stürmisch. Ich hätte es über die laute Rolling Stones Musik fast nicht gehört und flitzte hinunter zur Tür.
„Was ist das für ein Wagen vor dem Haus?!“, platzte Rosalinde herein, „Was ist hier los?“ Ihr Blick schweifte über die herumstehenden Kartons und blieb an Thomas‘ fremden, großen Männerschuhen neben der Garderobe haften. Dann sah sie mich mit großen Augen an. Hinter mir trat Thomas verschmitzt grinsend mit verschränkten Armen in den Türrahmen vom Wohnzimmer. Sein Anblick war unwiderstehlich in seiner vorteilhaften Jeans, dem etwas zu weit geöffneten Hemd zwischen dessen Kragen sein tibetischer Talisman hervorlugte. Seine Haare umbauschten sein freches Gesicht.
„Oh, Herr Meisner! Sie sind hier?“ Meine Freundin starrte ihn mit offenem Mund an. „Der Mercedes dort draußen gehört mir. Ich habe Emilia hierhergefahren.“, beantwortete er ihre frühere Frage. Er genoss die Unruhe, die er stiftete. „Na das ist ja eine Überraschung.“, keuchte sie erstaunt. Auch ihr entging nicht, wie unfassbar gutaussehend er ist. Sie beäugte ihn von oben bis unten und wieder hinauf, schluckte schwer und zog mich nach nebenan in die Küche. „Warum ist er hier? Emilia, was geht hier vor sich?“ Ich kaute auf meiner Lippe herum. Wie erkläre ich das am besten? Sie blickte sich um. Auch hier standen ein paar Kartons aus dem Keller parat. „Ehm … er hatte Zeit mich her zu fahren. So musste ich nicht den Zug nehmen.“, bog ich mir einen Erklärungsumweg. Thomas legte oben im Arbeitszimmer eine andere Platte auf, nun hörten wir Elvis dramatisch trällern. Er verstand meine Begeisterung für diese Musik nicht.
Rosalinde ging von Zimmer zu Zimmer. „Du ziehst zu ihm.“, stellte sie fest. „Bist du dir sicher damit? Du kennst ihn noch nicht sehr lang.“, sie flüsterte nun. „Nein, ich bin mir nicht sicher.“, murmelte ich ehrlich. „Und dennoch ziehst du einfach zu Ihm?“ „Also einfach war das gewiss nicht.“, schüttelte ich den Kopf, Tränen brannten in meinen Augen. „Zwingt er dich dazu?“, sie kam ganz nah heran. „Nein, so ist es nicht.“ „Du liebst ihn nicht wahr? Er ist der erste Mann den du in dein Herz lässt, Liebes, du musst dich ihm nicht gleich vollkommen hingeben und alles für ihn aufgeben.“ „Dafür ist es jetzt etwas zu spät.“ Sie legte besorgt ihre Hände an meine Wangen, sah mir tief in die braunen Augen, als könnte sie so in das Innere meiner Seele blicken. „Ist er gut zu dir?“ „Ja, er ist sehr gut zu mir.“ „Wann sagst du es deinen Eltern?“ „Morgen.“ „Oh je, na dann viel Glück. Dein Vater wird ihn zerreißen.“ „Ich hoffe nicht.“ „Fang nur nicht zu früh an mit packen.“ Wir lachten. Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete sie sich: „Gib mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst!“ Sie zwinkerte mir zu und rief dann laut die Treppe hinauf: „Herr Meisner, wenn Sie sich danebenbenehmen, werde ich es erfahren. Und dann gnade Ihnen Gott.“, drohte sie ihm. „Der wird mir sicher nicht helfen.“ Er schaute übers Geländer. „Dann seien Sie vorsichtig.“ Sie schwebte zur Tür hinaus, so schnell wie sie gekommen war.
„Das war also Rosalinde.“ Lachend kam er die Treppe hinab. Er zog mich küssend mit sich ins Schlafzimmer. Sein Bart war zwar zu lang, um stachlig zu sein, dennoch war er kratzig rau und seine Lippen darunter umso weicher. Seine blauen Augen beobachteten jede meiner empfindsamen Regungen unter seinen Berührungen. Ich sog all seine Liebe in mich auf, um ewig davon zehren zu können.

WEISS WIE DER SCHNEE - WIE DIE BERGE SO HOCHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt