Die Schönste im ganzen Land

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Es war nun so weit: Meine erste Modenschau stand an. Zwar hatte ich mich bis jetzt kaum darauf konzentrieren können, doch nun waren die Vorbereitungen im vollen Gange. Ich war so aufgeregt! Nachdem ich mir beinahe den Kopf zerbrochen hätte wegen dieser ganzen Idioten, hatte ich nun eine Entscheidung getroffen: Im Moment war keine Zeit für Liebe. Ich hatte das schönste Kleid der Welt, hatte einen tollen Job, hatte eine echte beste Freundin und noch dazu ein so süßes Pferdchen, das ich andauernd besuchen konnte. Was brauchte ich mehr? So ein Accessoire wie ein Mann war nur nervig und außerdem hatte ich im Moment sowieso keine Zeit zu heiraten. Selbst wenn jemand an mir interessiert sein sollte, musste sich derjenige erst einmal mehr Mühe machen als nur herumzuküssen. Rosen zum Beispiel, oder grüner Tee oder auch ein Besuch im Spa waren perfekte Geschenke. Aber nur ein versuchter Kuss, das war längst kein Grund, mein gemütliches Leben aufzugeben. Ich würde heute meine Modenschau machen, wie es geplant war, und kein Kerl der Welt konnte mich dabei aufhalten. 

"Bist du fertig, Jade?", fragte mich Mati. Manchmal war er wirklich dämlich, schließlich hatte ich meine Nägel schon lackiert und mein Make-Up aufgetragen, bevor er überhaupt aufgestanden war. 

"Natürlich bin ich fertig! Oder sehe ich etwa nicht unglaublich schön aus?" Ich warf meine Haare zur Seite und lächelte. 

"Du bist definitiv hübscher als du klug bist." Er lächelte auch, doch seine Worte blieben mir ein Rätsel. Wieso redete er nur immer so seltsam? War das nun ein Kompliment oder nicht? Nach ein paar Sekunden nahm ich es einfach als Kompliment und stolzierte an ihm vorbei. Ich war die Schönste im ganzen Land. 

Nachdem ich meine süße Cabi noch einmal gestriegelt hatte, konnte unsere kleine Modenschau schon beginnen. Anfangs hatte Mati die Idee gehabt, meinen Zuschauern ihr Geld abzuknüpfen, was aber gescheitert war. Wenn jemand was geben wollte, dann würde ich Cabi und ihren ganzen Verwandten und Freunden einen riesigen Stall kaufen, damit sie nicht in diesem winzigen Zimmer schlafen musste. Wie sollte man schließlich hübsch werden, wenn man nicht ein paar Stunden gemütlichen Schönheitsschlaf bekam? Und ein hübsches rosafarbenes Kissen würde sie auch noch bekommen, damit ihre Haare nicht immer so voll von Stroh waren. 

Beth hatte ihr Pferdchen auch schon zurechtgemacht. Ursprünglich hatte ich es ohne diese süßen Tierchen machen wollen, aber mittlerweile schien es eine grandiose Idee zu sein, sie auch auftreten zu lassen. Immerhin ging in dieser Stadt gar nichts ohne Pferde und meine liebe Cabi wäre bestimmt traurig gewesen, nicht auftreten zu dürfen. 

"Und, freust du dich schon?", fragte ich die Kleine und hielt ihr einen Apfel hin. Diese ganzen Zuckerstücke würden ihr am Ende noch die Figur ruinieren, aber ein Apfel konnte nicht schaden. 

Die Süße wieherte zur Antwort. Das hieß wohl Ja! Sie war wirklich zauberhaft, auch wenn sie manchmal ganz schön viel Temperament hatte. Doch das machte mir nichts aus, es war schließlich besser, als wenn sie wie Mati den halben Tag lang nur schlafen würde. 

Ich legte ihr das Halfter um, was mir nicht einmal schwerfiel. Sie sah mich aus ihren großen braunen Augen in der Zeit so lieb an, dass ich ihr noch den zweiten Apfel gab, den ich eigentlich für später aufgehoben hatte. Aber wie sollte man einem so süßen Pferdchen auch einen Wunsch abschlagen können? 

Ein letztes Mal bürstete ich noch mein rotes Kleid sauber, zu dem ich eine schicke neue Handtasche trug, die mir Beth mitgebracht hatte. Sonderlich teuer sah sie zwar nicht aus, aber sie passte zu meinem roten Kleid, weshalb es vermutlich niemandem auffallen würde. Mittlerweile war Rot meine Lieblingsfarbe geworden, obwohl es noch so viele andere Farben gab, sie mir auch standen. Aber Cabi sah nur mit roten Schleifen wirklich bezaubernd aus! 

Ein paar Minuten später spazierten wir schon über den Laufsteg. Eigentlich war es nur die Hauptstraße, doch das störte uns beide nicht. Immerhin waren ziemlich viele Leute da, die alle neugierig aufschauten. Wir waren die Stars des Tages. Ein besseres Model als meine kleine Cabi würde man nirgendwo finden können, sie sie schwang ihr Hufe bei jedem Schritt nach vorne, wie ich es ihr gezeigt hatte. Und auch wenn sie mir beim Umschauen andauernd ihre Mähne ins Gesicht schleuderte, war unser Auftritt perfekt. 

Erst fast am Ende unserer Laufsteges verging mir mein Lächeln. Dort stand Hugo García, dem ich bis jetzt noch keine Antwort gegeben hatte. Er wirkte nicht fröhlich, auch wenn ich nicht wirklich erkennen konnte, was er wohl fühlte. Nett war es auf jeden Fall nicht, denn mit einer schlechten Miene meinen Auftritt zu ruinieren, war durch nichts zu erklären! Kurz vor ihm stoppte ich und drehte mich wortlos um. Kein Kerl der Welt war es wert, dass ich seinetwegen den größten Moment meines Lebens verpasste. 

Cabi drehte sich auch um, wobei sie Hugo mit dem Hinterteil zu Boden schubste. Recht so! Schaden tat es ihm schließlich nicht und eigentlich war ich nicht wirklich schuld daran. Solange er meinen Diamantring nicht dabei hatte, konnte an ihm immerhin nichts Wichtiges kaputt gehen. 

Mit meinem süßen Pferdchen an der Seite machten wir uns auf den Rückweg, wo schon Beth auf uns wartete. Wenn das so weiterging, würde es ein grandioser Tag werden! 

Ein Kleid so rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt