Ja, ich will!

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Endlich war es soweit. Nur noch eine Stunde, dann würde ich verheiratet sein. Überraschenderweise würde ich genau in dem Kleid vorm Altar stehen, wegen dem ich erst aus der Stadt hatte flüchten müssen und nach Ciudad de los Caballos gekommen war. Nach einiger Zeit hatte es mich gar nicht mehr gestört, schließlich war das Kleid wirklich schick und eigentlich sah ich darin gar nicht so schlecht aus, obwohl die Gardinen auf den ersten Blick etwas seltsam wirkten. Nachdem Beth mir ihre Schere geliehen hatte, war das alles schon viel schöner.  Passende Schuhe hatte ich zwar leider nicht, aber in weiße Farbe getunkt passten meine früher roten High-Heels perfekt zum Kleid. Mit rotem Nagellack und einem umwerfenden Schleier war alles perfekt. Mati war mittlerweile auch schon aufgewacht und half mir bei den letzten Vorbereitungen. Auch Papa hatte wieder zurück gefunden, hielt sich aber noch ein Stück entfernt. Und dabei sollte er doch wissen, dass ich nie nachtragend war! 

Der Altar stand schon mitten auf der Hauptstraße kurz vorm Laden, der heute festlich geschmückt war mit vielen hübschen Schleife. Auch der Standesbeamte war schon so gut wie fertig, aber wenn ich schon gesagt hatte, dass ich um zwölf Uhr heiraten würde, dann heiratete ich auch um zwölf Uhr! Außerdem hatte ich noch eine der Stadtbewohner nicht gefunden, obwohl ich unbedingt die ganze Stadt bei meiner Feier dabeihaben wollte. Etwas anderes war gar nicht möglich. Sie mochten mich schließlich alle und wenn sie nicht zu meiner Hochzeit kamen, war das eine Art Beleidigung. Dafür würde ich nie wieder mit ihnen sprechen! Na gut, ich würde schon mit ihnen sprechen, irgendwann, aber die Nägel würde ich ihnen nicht mehr lackieren und einen grünen Tee bekamen sie von mir auch nicht mehr. Das tat ich nämlich nur für Freunde und wer nicht kam, war eben nicht mehr mit mir befreundet. 

Hugo war viel ruhiger geblieben. Aber bei so wenig Intelligenz, wie er vermutlich hatte, war das bestimmt normal. Er verstand die Ängste der klugen Leute einfach nicht. Also musste ich ganz alleine dafür sorgen, dass alles perfekt lief. 

"Wann holen wir eigentlich Cabi?", fragte ich Beth, die schon ein hübsches silbernes Kleid angezogen hatte und darin bezaubernd aussah. 

"Du willst wirklich ein Pferd bei deiner Hochzeit dabei haben?" Wieso verstanden mich die Leute nie? Ich hatte es ihr doch schon vor Wochen erzählt! Und außerdem kannte sie Cabi schon viel länger als ich, da musste sie doch wissen, wie sehr ihr Pferdchen mich liebte! Das konnte sie doch nicht vergessen haben, oder? 

"Natürlich! Also, wann holen wir Cabi?" Ich wollte auf keinen Fall ohne meine beste Freundin heiraten. Wieso konnte meine zweitbeste Freundin das nicht verstehen? Sie war wirklich hübsch, aber manchmal fragte ich mich, ob in ihrem Kopf besonders viel drin war. 

"Ich glaube, dafür ist es schon zu spät. Ich hatte wirklich gedacht, es wäre ein Scherz gewesen." Sie blickte zu Boden, doch entschuldigen tat sie sich nicht. 

Wenn sie gedacht hatte, dass ich meine kleine Cabi im Stich lassen würde, dann hatte sie falsch gelegen! Ich lief sofort im Hochzeitskleid los, um meine nun einzige allerbeste Freundin der Welt zu holen. Alles musste man allein machen! 

Im Hochzeitskleid und ohne Sattel auf einem Pferd zu reiten war schwerer, als ich jemals gedacht hatte. Cabi schien der Gardinenstoff auf Spitze zu stören, weshalb sie mich zweimal beinahe abwarf. Als sie sich endlich beruhigt hatte und wir ankamen, da waren immer noch einige andere Gäste nicht zu sehen. Wer auch immer mich hier nicht mochte, was ich ganz schnell herausfinden würde, für den gab es nie wieder grünen Tee! 

"Jade! Es ist schon nach zwölf! Komm herunter von dem Pferd, aber pass auf, dass dein Kleid nicht dreckig wird." Mati klang irgendwie besorgt, obwohl er wusste, dass ich schon ziemlich gut reiten konnte. Typisch mein Bruder, immer machte er sich dann Sorgen, wann ich gerade mal nicht seine Hilfe brauchte. 

Ich stieg ab und lief auf meinen Vater zu, der sich schon an seinen Platz gestellt hatte. Er trug einen feinen Smoking, der ein wenig zu groß und zu alt schien. Kurz fragte ich mich, von welchem meiner neuen Nachbarn er den wohl gestohlen hatte, gab es aber nach ein paar Sekunden auf. Wenigstens hatte er sich für meine Hochzeit die Mühe gemacht, etwas Ordentliches zu finden, etwas anderes zählte nicht. 

Jetzt konnte es losgehen! Das kleine Stadtorchester aus ein paar alten Leuten bestehend begann ziemlich schief zu spielen und wir liefen los. Es war ein unglaublicher Moment, den ich bestimmt niemals bereuen würde, wenn auch vielleicht ziemlich viele andere Leute. Der große Augenblick war gekommen. 

Hugo stand schon am Altar. Er hatte einen hübschen Anzug an, der aber ein wenig unordentlich aussah. Stören tat es mich jetzt nicht, das konnte ich später noch in Ordnung bringen. Mati lief auf ihn zu und blieb neben ihm stehen, während er pausenlos weinte. 

Als wir endlich beim Altar angekommen waren, ließ Papa mich los und Hugo trat an meine Seite. Ich konnte kaum mehr atmen vor Aufregung. Nur noch ein paar Sekunden, dann war es vorbei! Es war so unglaublich aufregend, schließlich war der letzte Versuch in einer absoluten Katastrophe geendet. Aber das hier würde gutgehen, das wusste ich einfach. 

"Willst du, Hugo García, Jade LaFontaine zu deiner rechtmäßig dir angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet? Dann antworte jetzt mit Ja, ich will." 

"Ja, ich will", antwortete er und ich hüpfte vor Freude auf und ab. Jetzt konnte es keine Probleme mehr geben! 

"Willst du, Jade LaFontaine, Hugo García zu deinem rechtmäßig dir angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, biss dass der Tod euch scheidet? Dann antworte jetzt mit Ja, ich will." 

"Ja, ich will!", schrie ich so laut, dass der Standesbeamte zusammenzuckte. 

"Dann erkläre ich euch zu Mann und Frau." Was für ein grandioser Moment! 

Ein oder zwei Sekunden später drückte ich Hugo schon einen Schmatzer auf die Lippen. Jetzt war ich verheiratet! 


Ein Kleid so rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt