Klare Worte...

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In dunkelgrauer Jogginghose und übergroßem schwarzem Langarmshirt ließ sich Merle stöhnend auf ihr Sofa fallen, atmete erleichtert auf. Dieser Tag hatte sie geschafft. Kaum ließen sich im Frühjahr die ersten Sonnenstrahlen blicken, wurden die Menschen von ihren Frühlingsgefühlen regelrecht übermannt, stürmten nahezu den Außenbereich, wie auch den Innenbereich des Cafés. Instinktiv zückte sie ihr Smartphone, öffnete die ihr inzwischen vertraute App und betrachtete den leeren Bildschirm. – Er hatte den Verlauf bereits gelöscht. Sie zögerte, ließ ihren Finger über der Tastatur schweben. Tatsächlich hatte sie auf Eyks letzte Nachricht nicht geantwortet, hatte ihre Gedanken sortieren müssen. Verarbeiten müssen, was sie über diesen ihr unbekannten Mann, diesen Fremden erfahren hatte. Ein letztes Mal zog sie die Luft tief in ihre Lungen, bevor sie entschlossen zu tippen begann:

Merle: Klare Frage, Eyk (oder wie auch immer du nun heißen magst). Was willst du von mir?

Eyk: …und ich gehe davon aus du erwartest eine klare Antwort?

Merle: Gut erkannt.

Eyk: Dann muss ich dich wohl leider enttäuschen. Ich habe keine Antwort.

Merle: Du musst doch einen Grund gehabt haben mich anzuschreiben…

Eyk: Nenne es Intuition…Bauchgefühl…Faszination…Neugierde. Such dir etwas aus. Ich kann es dir nicht sagen.

Merle: Das glaube ich dir nicht.

Eyk: Weshalb bist du nicht zur Polizei gegangen?

Merle: Was? Weshalb hätte ich das tun sollen?

Eyk: Du schreibst mit dem Mann, an dessen Identität die Polizei außerordentlich großes Interesse hat, hast im Gegensatz zu jedem anderen sogar die Möglichkeit mich zu kontaktieren und dennoch schweigst du, hältst die Informationen zurück. Warum?

Merle: Ich weiß es nicht. 

Eyk: So wie ich nicht weiß, weshalb ich dir geschrieben habe, den Kontakt zu dir gesucht habe… Beantwortet das nun deine Frage?

Fassungslos starrte Merle auf das Display ihres Smartphones, biss sich mit Nachdruck auf die Unterlippe. Er hatte Recht!
Weshalb war sie nicht zur Polizei gegangen? Sie schrieb mit einem Mann, den die Polizei unbedingt ausfindig machen wollte, händeringend suchte, und dennoch war es ihr nicht einmal in den Sinn gekommen sie zu informieren, sondern lediglich zu wissen, was Eyk dazu zu sagen hatte. Verdammt!

Merle: Warum tust du das alles? Wir leben in einem Rechtsstaat. Es gibt Gesetze, Richter, Anwälte, Polizisten….

Eyk: Polizisten? Du meinst diese Witzfiguren in Uniform? Tut mir leid, da nehme ich manche Dinge lieber selbst in die Hand, als darauf zu hoffen, dass es unsere ‚vollziehende Gewalt‘ tut.

Merle: Ist das nicht Selbstjustiz?

Eyk: Nein, das wäre es, wenn ich sie für das was sie tun bestrafen würde. Ich liefere sie lediglich ans Messer, mit genügend handfesten Beweisen, die selbst unsere Justiz nicht übersehen oder ignorieren kann. Gut, vielleicht zwacke ich hin und wieder etwas Geld ab und führe es einem sinnvolleren Verwendungszweck zu…

Merle: Das ist Diebstahl!

Eyk: Geld von Konten zu nehmen, welche offiziell gar nicht existieren, es anonym zu spenden? Sehe ich anders…

Merle: Klingt als sei ein kleiner Robin Hood in dir verloren gegangen, was?

Eyk: Nein, anders als Robin Hood profiliere ich mich nicht mit dem was ich tue. Ich möchte anonym bleiben, tun, was ich für richtig halte.

Merle: Du sagtest mal du legst das Recht ein wenig anders aus als andere… heißt das, das was du tust und wie du es tust ist illegal?

Eyk: Nun ja, ich fürchte mit dem Hacken eines Polizeiservers schramme ich nicht nur knapp an der rechtlichen Grauzone vorbei.

Merle: Du hackst den Polizeiserver?

Eyk: Ich werde ihnen wohl kaum eine E-Mail mit den Überwachungsvideos geschickt haben.

Merle: Wie lange machst du das schon?

Eyk: Inoffiziell seit meinem Studium, offiziell seit ein paar Jahren. Es ist recht amüsant die Polizei, die Behörden, die Staatsanwaltschaft an der Nase herumzuführen, ihnen zu zeigen, wo ihre Schwachstellen liegen.

Merle: Das ist verrückt!

Eyk: Jeder hat so seine Hobbys. Nun aber genug von mir, Kleines. Hattest du noch einen schönen Abend gestern?

Merle: Du führst auch mich an der Nase herum…

Eyk: Vielleicht ein wenig. Und…es gefällt dir!

Merle: Sicher nicht.

Eyk: Das wirkte gestern aber anders…Ich glaube, wir zwei könnten viel Spaß miteinander haben, Merle.

Merle: Dafür müsstest du dich erst einmal zeigen…

Eyk: Muss ich? Stimmt, so blindlings küsst du ja niemanden… ich kann dir einen Tipp geben.

Merle: Einen Tipp?

Eyk: Du hattest diesen ‚Nerd‘ im Verdacht… ich bin sportlicher, attraktiver und…ich stehe so gar nicht auf Hafermilch. Aber, ich muss zugeben, er hat mir ausgesprochen gut in die Karten gespielt mit seiner Präsenz, hat deinen Fokus immer wieder auf sich gezogen ohne es zu beabsichtigen.

Merle: So weit war ich nach gestern auch schon…

Eyk: Stimmt…ich vergaß wie andächtig du deine Finger hast über meine Brust streifen lassen…du deine Beine um meine Hüfte geschlungen hast…dich an mich gepresst hast, sodass ich deine Hitze, deine Erregung, mehr als deutlich spüren konnte…

Merle: Lass das…

Eyk: Was? Die Vorstellung, wie es hätte weitergehen können...? Wie ich deine Bluse aufknöpfe, mit meinen Fingerspitzen über deine seidig weiche warme Haut streiche, dich mit meiner Zunge necke, herausfordere jegliche Hemmungen fallen zu lassen…

Merle: Du bist ein Mistkerl

Eyk: Ich liebe Komplimente. Ich schlage vor du machst es dir heute Abend schön gemütlich…schließlich war im Café heute ganz schön was los. Du wirktest etwas gestresst…Lass den gestrigen Abend noch einmal revuepassieren und….denke dabei an mich, Kleines.


Schnaubend ließ sich Merle in die Kissen ihres kleinen grau melierten Sofas sinken, presste ihre Schenkel fest zusammen, bemüht das zarte Pochen ihrer Mitte zu unterbinden, den immer feuchter werdenden Stoff ihres Slips zu ignorieren, während der Nachrichtenverlauf vor ihr bereits langsam zu verblassen begann. War das sein verdammter ernst?!

Black MailWo Geschichten leben. Entdecke jetzt